Dialog Zukunfts Vision 2050 heisst der Plan. Zusammen mit dem Migrationspakt wird diese Agenda durchgeführt. Siehe auch UNO Agenda 21 / 30.
Dies sind alles Zahnräder die zur grossen System–Maschine gehören.
-Information-
Welche Punkte strebt Angela Merkel für das Jahr 2050 an?
Es sind dies unter anderen…
1. die Überwindung der klassischen Familie,
2. die Auflösung des Nationalstaates,
3. die grenzenlose Migrationsgesellschaft,
4. die Abschaffung des Bargeldes und Vernetzung aller Daten.
5. den Ökofaschismus u. Oköterror (Nachhaltigkeit).
6. Gedankenkontrolle (Psychotronik).
Das zeigt sich nicht nur an der Politik unserer Kanzlerin, sondern auch daran, welche publizierten Zukunftsvisionen sie lobt und zitiert.
Visionen 2050 – Angela Merkels Agenda?
Nach Henryk M. Broder (in der Sendung »Die Deutschland-Safari«, zusammen mit dem Islamkritiker Hamed Abdel Samad) ist das Werk eines der Lieblingsbücher unserer Kanzlerin Angela Merkel: Es geht um das Buch »Dialoge Zukunft. Visionen 2050«.
Hier hat eine Gruppe, die sich »Rat für nachhaltige Entwicklung« nennt, Visionen entworfen, wie Deutschland und Europa im Jahre 2050 aussehen werden. Die Bundeskanzlerin hat das Buch immer wieder gelobt. Sie hat es auch beim »Rat für nachhaltige Entwicklung« besprochen.
In der Zukunftsvision dieses Buches gibt es ein Verbarium über Begriffe, die angeblich im Jahre 2050 ausgestorben sein sollen. Dazu gehört der Begriff »Migrationshintergrund«. Die Begründung: Im Jahre 2050 würden sowieso fast alle Menschen so gemischt seien, dass jeder einen Migrationshintergrund habe.
Die Visionen, die in diesem Buch geschildert werden, klingen wie aus dem Labor von George Soros. Es heißt dort unter anderem:
»Wir leben im Jahr 2050 in einer Welt, die keine (Staats)Grenzen mehr kennt. Das traditionelle Bild der Familie gibt es nicht mehr. Die Menschen werden in großen ‘Familiengemeinschaften’ zusammen leben, ohne unbedingt verwandt zu sein. Kinder werden von mehreren Elternteilen mit unterschiedlichen sexuellen Hintergründen behütet. Die Gleichheit des Liebens, egal von welchem Geschlecht, ist auf allen Ebenen festgeschrieben. Daher wurde die Ehe abgeschafft.«
Weiterhin sind dort Passagen zu lesen wie:
»Budgets werden global vergeben. Gelder werden somit international aufgeteilt. Der Rückgang der Geburtenrate in einigen Industriestaaten wird nicht als Nachteil gesehen. Im Gegenteil. Aufgrund des großen ökologischen Fußabdruckes wird es als notwendig empfunden, dass in den Wohlstandsnationen die Gesellschaft schrumpft. In der Gesellschaft findet eine Durchmischung der Völker statt. Die Menschheit sieht sich als Weltbürgertum.«
Zum Thema Europa wird dort für das Jahr 2050 prognostiziert:
»Wir verstehen uns jetzt als Europäer, nur noch in manchen Köpfen ist das Wort Deutscher, Engländer oder Franzose verankert. Die Kinder unserer Nationen lernen nur noch, dass sie in einem Staat von Europa leben, welcher Staat das ist, ist irrelevant geworden.«
Und zum Thema Bargeld heißt es, dass es im Jahre 2040 seine Bedeutung als vorherrschendes Zahlungsmittel verlieren werde. Als Grund wird angegeben:
»Die zentrale Speicherung von Informationen (Konten, Identität, Gesundheit, Versicherungsinformationen auf dem Personalausweis) und die Vernetzung aller Lebensbereiche machten Barzahlungen überflüssig.«
Utopie? Dystopie? Es ist ein Plan. Im Jahre 2050 sollen wir in einer bargeldlosen Multikulti-Gender-Welt leben, in der alle Nationen aufgelöst sind. Das ist die Vision, die von Angela Merkel gelobt und angestrebt wird. Das ist die Richtung, in die unser Zug fährt. Es sei denn, jemand zieht die Notbremse.
V.a das Verbarium ist sehr interessant…
Als Text:
Dialoge Zukunft Vision 2050
Dialoge Zukunft „Made in Germany“ Band 2
Ein Vorhaben des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Realisiert von e-fact, lab concepts und zebralog.
texte Nr. 38, Juni 2011
DIALOGE_VISION_2050 Dialoge Zukunft „Made in Germany“ Band 2
© 2011
Rat für Nachhaltige Entwicklung
c/o Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH E-Mail: info@nachhaltigkeitsrat.de
Homepage: http://www.nachhaltigkeitsrat.de
Alle Rechte vorbehalten.
Im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung erstellte e-fect, lab concepts und Zebralog den vorliegenden Bericht.
Für Inhalte und Form der Visionen sind die jeweiligen Autoren verantwortlich.
Projektteam
Stefan Löchtefeld, Malte Schophaus, Sophie Scholz (e-fect dialog evaluation consulting eG) Kerstin Pettenkofer, Ulrike Brettschneider (lab concepts GmbH)
Matthias Trénel, Christina Rucker, Nils Jonas (zebralog)
INHALTSVERZEICHNIS
Gestaltung:
Medien- und Werbeagentur meva media http://www.meva-media.de
Fotos:
Rainer Lutter, Libo Media
S. 64: Theresa Grapentin
S. 68: Nele Groher
S. 83, 84: Anja Carolin Hofmann
Lektorat:
Ulrike Bretschneider, Sandra Mayer, Anja Ostermann (lab concepts GmbH)
Projektleitung:
Dorotee Braun (Rat für Nachhaltige Entwicklung)
Druck:
Druckerei Lokay e. K.
Gedruckt auf Envirotop (aus 100 % Altpapier)
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VORWORT MAXSCHÖN……………………………………………………..4 MEMORANDUM STAKEHOLDER-KONFERENZVISIONEN2050…………………..11 KOMPENDIUM DIEVISIONEN…………………………………………….27 VERBARIUM WÖRTERBUCHDERIMJAHR2050AUSGESTORBENENBEGRIFFE……..173 EMPFEHLUNG AN DIEPOLITIK……………………………………..185 EIN FENSTER ÖFFNET SICH DERKURZFILM„VISIONEN2050“……………..191
e-fect dialog
evaluation consulting eG Am Deimelberg 19 D-54295 Trier
Tel. +49 (0) 651 284 30 Fax +49 (0) 651 463 32 62 loechtefeld@e-fect.de http://www.e-fect.de
lab concepts – Das Laboratorium für Konzeption und Realisation in Politik, Bildung, Kultur GmbH Am Hofgarten 18
53113 Bonn
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MAX SCHÖN
VORWORT
Für das Verfassen von Visionen gibt es keine Rezeptur, keine „Gebrauchsanleitung bessere Zukunft“. Für das Denken der Zukunft bedarf es eines Suchprozesses, den Mut, neue Wege zu beschreiten. Als wir uns im Rat mit dem Thema Visionen 2050 befassten, waren wir uns einig, dass es uns allen, ob wir unterneh- merisch, politisch oder gesellschaftlich handeln, an einer Gesamt- perspektive einer lebenswerten Zukunft für die Generationen heute und morgen fehlt.
Dabei wissen wir um die Folgen unseres Handelns. Wir wis- sen, dass ein einfaches „Weiterso“ existenzgefährdend für das Leben auf unserer Erde ist. Wir ahnen die Größe der vor uns liegenden Aufgabe – heute wie in Zukunft. Aber: Die unter den von Men- schen verursachten Belastungen ächzenden Ökosysteme nachhaltig zu bewirtschaften, ist auch eine reizvolle Aufgabe. Die Rettung der Welt lohnt unseren Einsatz und es gilt den Weg dorthin zu finden. Doch wie könnte diese „neue“ Zukunft aussehen?
In den in diesem Band zusammengestellten Visionen 82 jun- ger Menschen finden sich Bilder einer gelungenen Zukunft. Einer Zukunft, in der die großen Hürden auf dem Weg zum Jahr 2050 genommen werden: Erneuerbare Energien, geschlossene Rohstoff- kreise, innovative Schulkonzepte, erfolgreiche Demokratiebewe- gungen, aktive Teilhabe aller an politischen Prozessen – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder Status. Schließlich ein Selbst- verständnis als Weltbürgerin und -bürger, nach dem globale Un- gerechtigkeiten nicht länger gleichgültig zur Kenntnis genommen werden. Und das ist nur ein Ausschnitt.
Wir haben uns im Rat entschieden, die Entscheidungsträger
von Morgen zu einem Dialog zur Zukunft einzuladen. Wir haben mit unserer Bitte, die wir an Nachhaltigkeitsexperten in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft richteten, junge Menschen unter 27 Jahren für dieses Projekt zu nominieren, eine Generationen- und Wissensbrücke geschlossen.
Auch ist unsere Idee aufgegangen, mit der Übertragung von Verantwortung auf die jüngere Generation zum Gelingen des Pro- jektes beizutragen. Mein herzlicher Dank richtet sich an alle jene, die sich so engagiert und kritisch auf eine mentale Reise in die Zukunft begeben haben und sich in konstruktiver Weise dem Di- alog untereinander sowie mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt, wie auch den Mitgliedern des Nachhaltigkeitsrates gestellt haben.
Allen politischen Vertreterinnen und Vertretern, die sich für diesen wichtigen, sozusagen die Realität prüfenden Austausch die Zeit genommen haben, sei herzlich gedankt. Nicht zuletzt danke ich dem Team von e-fect, lab concept und Zebralog dafür, dass sie sich die Freiheit zur Entwicklung der Methodik und des Designs genommen haben. Dies gilt insbesondere auch für ihre inhaltliche und organisatorische Begleitung über die Projektlaufzeit. Auch hier wurden ungewohnte Wege beschritten, denn auch für die Gestal- tung eines solchen Prozesses gibt es keine „Gebrauchsanleitung bessere Zukunft“.
Innovative Dialoge sind ein elementarer Bestandteil aktiver Nachhaltigkeitspolitik. Dialoge_Zukunft_Vision2050 ist ein Mo- dell für neue Formen der Organisation gesellschaftlicher Mitspra- che im Rahmen der Nachhaltigkeitspolitik.
Wir sind auf die Aufgabe, größere Zeiträume in unseren Ent- scheidungen zu berücksichtigen, bislang nur unzureichend vorbe- reitet. Werfen wir einen Blick auf die Nationale Nachhaltigkeits- strategie, so finden wir allenthalben mittelfristige Zielsetzungen. Das ist auch in Europa nicht anders. Der Blick auf ein Leben nach 2020 aber fehlt – mit Ausnahme der Klimapolitik. Das Jahr 2050 gehört in den Fokus des Langfristdenkens, sei es im Hin- blick auf den demographischen Wandel in Deutschland, im Hin- blick auf Ernährungs-, Wasser-, Energie- und Klimafragen oder die fiskalische Generationengerechtigkeit. Visionen nähren sich von informierten Diskussionen und sie müssen untrennbar mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit verbunden werden. Es gibt nun ein- mal kein Muster, wie der Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft gesteuert werden kann. Wenn ich eines aus meinen Erfahrungen gelernt habe, dann dies: Visionen sind nicht von heute auf morgen um- und durchzusetzen. Der Widerstand gegen die Klimafolgen der massenhaften Verbrennung fossiler Rohstoffe oder die Sicher- heitsrisiken der Atomenergie sind nur zwei Beispiele.
Ihnen, die Sie an diesem Dialog mitgewirkt haben und uns allen wünsche ich, dass wir die Lust am Visionieren und die anschließende Verwirklichung unserer Ideen weiterhin mit Leiden- schaft und Engagement verfolgen.
Max Schön
(Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung)
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STAKEHOLDER-KONFERENZ „VISIONEN 2050“ MEMORANDUM
von Stefan Löchtefeld, Marlen Nebelung, Sophie Scholz, Dr. Malte Schophaus (efect)
1.1 VORBEMERKUNG
Wie können wir jene beteiligen, die morgen in einer Gesellschaft und Umwelt leben werden, die von unseren heutigen Entschei- dungen beeinflusst sind? Diese Frage stand am Anfang des Projekts „Dialoge_Zukunft_Vision2050“. Ziel war es, junge Menschen zu Visionären zu machen, die einen Zeithorizont von vier Jahrzehnten in den Blick nehmen.
Die üblichen Methoden der „Zukunftsplanung“ wie Szenariotech- niken, Zukunftswerkstätten oder –konferenzen grenzen den Rah- men möglicher Zukünfte ein. Dazu kommt, dass sie meist nur die Perspektive von höchstens 20 Jahren in den Blick nehmen. In 40 Jahren können sich so viele Dinge mit gravierenden Auswirkungen ereignen, die mit den gängigen Methoden nur unzureichend ab- bildbar sind. Der Peer Review der deutschen Nachhaltigkeitspolitik vermisste eine langfristige Vision, mit der auch ein methodisches Defizit der partizipativen Visionsentwicklung einhergeht.
Wissensbasierte und dialogische Zugänge zu Visionsentwick- lung wurden in dem Projekt Dialoge_Zukunft_Vision2050 kom- biniert. Die Integration von Dialog und Wissen machen Werte und Interessen sichtbar, sie fragen nach den gewünschten Zuständen in der Zukunft „Wie stelle ich mir (m)ein Leben im Jahre 2050 vor?“ und fragen, von den möglichen Zukünften abgeleitet, nach den nächste Schritten, nach den nächsten Meilensteinen. Die Dialog- teilnehmer stehen in ihrer persönlichen Zukunft und blicken in Richtung Gegenwart.
Wie aber ermöglichen wir Austausch und direktes Feedback zu den persönlichen Visionen? Wir kombinierten Methoden, mit
denen die jungen Visionären möglichst vielen aus ihren Reihen die eigene Vision vorstellen konnten – im schnellen Wechsel zwischen Zuhören und Erzählen. Der Visionsprozess 2050 beschritt damit neue, experimentelle Wege.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung setzte mit der Zeitvor- gabe 2050 und dem Nominierungsverfahren, bei dem nur junge Menschen benannt werden konnten, Eckpunkte, die hohe Ansprü- che an die Entwicklung eines Dialogverfahrens stellten. Anderer- seits ließ der Rat auch ausreichend Freiheitsgrade zum Experimen- tieren zu. Damit eröffneten wir kreativen Gestaltungsraum, den die Teilnehmer intensiv nutzten.
Das resultierende partizipative Verfahren zur Entwicklung von „Visionen 2050“ hat ein innovatives Design, das nicht nur inhalt- lich, sondern ebenso methodisch interessant und übertragbar auf andere Visionsprozesse ist.
1.2 DAS NOMINIERUNGSVERFAHREN
Im Projekt „Dialoge_Zukunft_Vision2050“ begann das dialogi- sche Prinzip schon bei der Auswahl der Teilnehmenden. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung lud heutige Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die sich glaubwürdig für die Nachhaltigkeit einsetzen, dazu ein, junge Teil- nehmende für das Projekt „Dialoge_Zukunft_Vision2050“ zu no- minieren. So wurde das Know How und die Leistung von heute mit den Interessen und den Kompetenzen der Entscheidungsträger von Morgen verbunden. Die Nominierungen kamen von:
• den Nachhaltigkeitspolitikern des Deutschen Bundestages,
• den CEOs der Unternehmen, die den Deutschen Nachhaltig- keitspreis 2008, 2009 oder 2010 gewonnen haben oder 2010
nominiert waren,
• den Preisträgern „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“
2009 und 2010,
• den Dekanen der Hochschulen mit Nachhaltigkeits-Studien-
gängen,
• den Oberbürgermeistern, die sich am Dialog Nachhaltige Stadt
beteiligen,
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit verzichten wir im Folgenden auf die weibliche Nennung.
RAHMENBEDINGUNGEN DES ONLINE-DIALOGS
BILDUNG
NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN
SOZIALES MITEINANDER UND VIELFALT
NACHHALTIGER KONSUM, LANDWIRTSCHAFT UND ERNÄHRUNG
UMWELT UND ENERGIE
INDIVIDUELLE VERANTWORTUNG, PARTIZIPATION UND ENGAGEMENT
VERKEHR UND MOBILITÄT INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN
ZIEL DES ONLINE-DIALOGS
Viele Teilnehmer nutzten bereits vor Beginn der Konferenz die Möglichkeit, ihre persönliche Vision für das Jahr 2050 online zu formulieren, um sie während der Konferenz weiter zu bearbeiten. Andere formulierten sie aus zeitlichen Gründen erst im Rahmen der Konferenz. Am Ende des Prozesses standen 82 ausgearbeitete Visionen.
1.4 DIE STAKEHOLDERKONFERENZ
Die nicht öffentliche Konferenz fand vom Nachmittag des 23. März bis zum Nachmittag des 25. März 2011 im Allianz-Stiftungsforum am Pariser Platz in Berlin statt. 80 Teilnehmende – die jüngsten im Alter von 15 Jahren – nahmen an der Konferenz teil. Über 50 Teilnehmer hatten bereits einen ersten Entwurf ihrer Vision auf die Plattform eingestellt.
Die im Prozess angelegte Wissens- und Generationenbrücke sah neben der Übertragung von Verantwortung durch das Nomi- nierungsverfahren auf die jüngere Generation, den Austausch mit Vertretern von Ministerien und Bundeskanzleramt sowie Mitglie- dern des Nachhaltigkeitsrates vor.
Moderiert wurde die Konferenz durch vier Dialogbegleiter, die durch Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Nachhaltigkeitsrates unterstützt wurden. Medial begleitet wurde der Gesamtprozess des
THEMENSCHWERPUNKTE DER ONLINE-DISKUSSION
Vision Kommunikation
Abfall Akteur Atomkraftwerke Anknüpfen Überzeugung
Abbildung 1:
Weltfrieden
Naturschutz Bildung Altersversorgung Armut Partizipation
Die Schlagwortwolke
zeigt die am häufigsten
im Online-Dialog diskutierten Themen.
Nachhaltigkeit
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• den Ministerpräsidenten der Länder mit Nachhaltigkeitsstrate- gien und
• den Mitgliedern des Rates für Nachhaltige Entwicklung.
1.3 DER ONLINE-DIALOG: KENNENLERNEN, VERNETZEN, KONZIPIEREN
Die virtuelle Begegnung der mehr als 80 Teilnehmer fand auf ei- ner moderierten, passwort-geschützten Dialogplattform statt. Die Online-Moderation begleitete, informierte und strukturierte den vierwöchigen Online-Dialog durch wöchentliche Aufgabenstellun- gen und bereitete die Teilnehmer inhaltlich und organisatorisch auf die Stakeholderkonferenz vor. Die Teilnehmer konnten über die Dialogplattform Texte verfassen, Bilder und Fotos von ihren Zukunftsvorstellungen einstellen, andere Beiträgen kommentieren und bewerten.
Der Online-Dialog verfolgte vier Ziele:
• Gegenseitiges Kennenlernen der Teilnehmer.
• Diskussion von Inhalten des Berichts „Visionen 2050 – Dialoge
Zukunft ‚Made in Germany’“.
• Diskussion von Nachhaltigkeitsthemen, die die Teilnehmer für
die Visionsentwicklung 2050 einbrachten und für relevant
Übergang von der Online-Diskussion zur Konferenz
Aus den online debattierten Themenschwerpunkten identifizierte das Projektteam acht zentrale Themen, die in Workshops auf der Stakeholderkonferenz thematisiert wurden:
hielten.
• Verfassen persönlicher Visionen.
RAHMENBEDINGUNGEN DER STAKEHOLDERKON- FERENZ
Abschalten
Armutsbekämpfung
Dialog
Arbeit Politik Ökosystem Atomenergie Ökonomisierung Vielfalt
Öffentliche Beschaffung
Soziales Architektur
Integration
Gerechtigkeit Überflutung
Migration
Umwelt
Gesellschaft
Allgemeines
Energie Werte
Co2
ZIEL DER STAKE- HOLDERKONFERENZ
Dialoges durch regionale Medien, die aufgrund des Wohnortes oder der ethnischen Zugehörigkeit einzelner Stakeholder von dem Prozess berichteten, sowie von zur Stakeholderkonferenz eingelade- nen Journalisten.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung strebte mit diesem Vor- gehen an, einen Beitrag zum Fortschrittsbericht zur Nachhaltig- keitsstrategie 2012 zu entwickeln, ein Modell für neue Dialoge und Mitsprache im Rahmen der Nachhaltigkeitspolitik aufzuzeigen und Nachhaltigkeit mit Visionieren zu verbinden, um diese Idee in der Gesellschaft zu verankern.
Die Konferenz hatte folgende Ziele:
• Vertiefende Diskussion von Nachhaltigkeitsthemen, die in der Online-Phase identifiziert wurden.
• Austausch über die individuellen Visionen 2050.
• Überarbeitung und Abschluss der individuellen Visionen auf • Grundlage der durch Diskussionen neu hinzugewonnen Pers-
pektiven.
• Verdeutlichung der Meinungsvielfalt der jungen Stakeholder,
Feststellung von Konsensen und Akzeptanz von Unterschied-
lichkeiten.
• Identifikation von Rahmenbedingungen und Anforderungen
an die Entwicklung einer gemeinsamen gesellschaftlichen
Vision 2050.
• Diskussion der themenspezifischen Ergebnisse und der Visio-
nen mit Vertretern der Politik.
• Netzwerkbildung zwischen jungen und im Bereich Nachhal-
tigkeit engagierten Menschen.
Am ersten Tag (später Nachmittag, Abend) standen neben der Begrüßung durch Max Schön, Mitglied des Rates für Nachhalti- ge Entwicklung, die Präsentation der Ergebnisse des Online-Pro- zesses und das gegenseitige (persönliche) Kennenlernen auf dem Programm. Den Abschluss bildete eine Fishbowlrunde mit Herrn MdB Franz Müntefering, der sich vor dem Hintergrund seiner viel- fältigen politischen Erfahrungen den jungen Stakeholdern zur Dis- kussion stellte. Als Mitglied des Bundestages engagiert sich Franz Müntefering im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwick- lung.
Die Teilnehmer diskutierten am zweiten Tag acht zentrale The- men, die sich aus der vorhergehenden Online-Phase ergaben. Für die Diskussion im Plenum und in Workshops mit je 20 Personen war das vorhergehende Kennenlernen und die Vorbereitung in der Online-Phase eine wichtige Voraussetzung. Vertreter aus den Work- shops stellten die Ergebnisse im Plenum einander vor und vertra- ten ihre Gruppen auch in der Diskussion mit den Mitarbeitern der Bundesregierung. Ein Zeitraum zwischen Klein- und Plenarsitzun- gen stand für die Fortentwicklung der schriftlichen Visionen oder deren kreativen Umsetzungen zur Verfügung.
Für den letzten Tag identifizierten die Teilnehmenden Anfor- derungen an eine von der Mehrheit der Gesellschaft getragenen Vi- sion für das Jahr 2050. Zum Abschluss der Konferenz diskutierten die jungen Visionäre die Ergebnisse aus den Themendiskussionen mit Vertretern aus zehn Bundesministerien und die Anforderungen an einen gelingenden, gesellschaftlichen Visionsprozess mit Vertre- tern aus dem Bundeskanzleramt.
Die Mitglieder des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Frau Prof. Dr. Zahrnt und Herr Dr. Geisler begleiteten die Diskussions- verläufe und standen, wie Herr Dr. Bachmann, Generalsekretär des Rates, den Teilnehmenden für Rückfragen zur Verfügung.
Mittels Aufstellungen im Raum kamen die Teilnehmenden in Kleingruppen vertiefend ins Gespräch. Mit Hilfe von Leitfragen, die beispielsweise auf das persönliche Nachhaltigkeitsengagement der Teilnehmer oder auf deren Zuversicht bezogen waren, ob der Visionsprozess einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten wird, stellten sich die Teilnehmenden gegenseitig persönlich vor, stiegen ins Thema ein und formulierten ihre Erwartungen an den Prozess.
ABLAUF DER STAKE- HOLDERKONFERENZ Nach einer Kurzübersicht über den Gesamtablauf fol- gen kurze Beschreibungen der zentralen Methoden.
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METHODIK Kennenlernen
Fishbowl
Backcasting
Am ersten Abend stand Herrn MdB Franz Müntefering den Teil- nehmern zur Bedeutung von Visionen für die Politik und dem Wechselspiel zwischen Eigenverantwortung und der Rahmenset- zung durch die Politik Rede und Antwort. Mit der Methode Fish- bowl wurde es möglich, dass viele Teilnehmer direkt mit Herrn Müntefering diskutieren konnten.
Die jungen Stakeholder entwickelten ihre Vision mittels eines Backcasting.
Andere Methoden der „Zukunftsplanung“ wie Szenariotech- niken, Zukunftswerkstätten oder –konferenzen etc. erschienen un- geeignet. Zum einen zielen diese Methoden auf kurz- und mittel- fristige Entwicklungszeiträume (max. 20 Jahre) und zum anderen berücksichtigen sie keine Diskontinuitäten, Einzelereignisse mit gravierenden Auswirkungen wie beispielsweise der Fall der Mauer, 11. September, Tschernobyl und Fukushima.
Backcasting zielt auf die Werte und Interessen der Visionäre. Es fragt nach den gewünschten Zuständen in der Zukunft „Wie stelle ich mir (m)ein Leben in 2050 vor?“ und beschreibt ausge- hend von den möglichen Zukünften den Weg dorthin „Wie kom- men wir dahin?“. Die Teilnehmer betrachten also die Zukunft und blicken von der Zukunft in Richtung Gegenwart Im Backcasting skizzierten die Teilnehmenden ihr persönliches Szenario für 2050 und wendeten den Blick zurück von 2050 auf die dann vergange- nen vierzig Jahre davor, um die Einflussfaktoren, Meilensteine und zentralen Entscheidungen zu beschreiben.
Zu Beginn des Backcasting versetzten sich die Teilnehmer der Stakholderkonferenz mit Hilfe einer Zeitreise in das Jahr 2050. Diese Inszenierung öffnete den Vorstellungsraum der jungen Visi- onäre und ermöglichte, die inhaltlichen Diskussionen aus der Zu- kunftsperspektive zu führen.
In vier parallel stattfindenden, thematischen Backcastinggrup- pen diskutierten die Teilnehmer in zwei Runden die aus der Onli- ne-Phase identifizierten Themen, visualisierten zentrale Ergebnisse und stellten diese den anderen Gruppen in einer Wandelausstellung vor.
Vor den Diskussionen mit den Vertretern aus den Ministerien und dem Bundeskanzleramt wurden die Teilnehmer durch ein De- briefing (Zeitreise zurück ins Jahr 2010) zurück in die Gegenwart versetzt.
Ziel war, dass die jungen Stakeholder sich über ihre Visionen aus- tauschten und von anderen direkte Rückmeldungen erhalten. Die dafür entwickelte Methode Kugellager – einen Stuhlkreis innen, einen Stuhlkreis außen, deren Sitze sich direkt gegenüber standen – erlaubte sowohl, sich die Vision im direkten Gespräch vorzustel- len und zuzuhören als auch das Gegenüber schnell zu wechseln und unter einer neuen Leitfrage weiter zu diskutieren.
In einer Ausstellung konnten die Teilnehmenden alle ihre Visionen, die in der Kreativphase entstandenen Bilder, Grafiken und Plasti- ken sowie alle im Vorfeld eingesandten Fotos betrachten.
InnerhalbvonArbeitsgruppendiskutiertendieTeilnehmerzunächst in Kleingruppen von drei bis fünf Personen anhand von Leitfragen die Erwartungen und Anforderungen an einen Prozess, in dem eine gemeinsame, gesellschaftlich getragene Vision für 2050 entwickelt werden sollte. Sie visualisierten ihre Ergebnisse und stellten sie den anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe vor. Zusammen identifi- zierten sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede und formulierten die zentralen Botschaften für die Runde mit dem Bundeskanzler- amt. In Murmelgruppen mit je einem Teilnehmer aus jeder der ins- gesamt vier Arbeitsgruppen vermittelten die Teilnehmenden sich gegenseitig in zwei Runden mit vier Personen acht Minuten lang die zentralen Ergebnisse.
Ziel des Austausches mit Vertretern der Bundesministerien und des Bundeskanzleramtes sowie den Ratsmitgliedern war, einerseits den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre Erwartungen und Vor- schläge an die Politik zu adressieren und andererseits diese Ideen auf ihre Realitätsnähe hin zu überprüfen.
In selbstorganisierten Tischgruppen mit acht bis zwölf Teil- nehmern stellten Vertreter der thematischen Arbeitsgruppen die Ergebnisse vor und diskutierten sie mit den Mitarbeitern der Bun- desministerien. Zum Abschluss debattierten Delegierte die Anfor- derungen an einen gelingenden, gesellschaftlichen Visionsprozess mit Vertretern aus dem Bundeskanzleramt in einer moderierten Podiumsdiskussion.
In einem Buch notierten die Teilnehmenden in den Pausen zwei- undvierzig Begriffe, die in 2050 nicht mehr verwendet werden. Die Idee stammt aus der Vision von Philipp Albers aus dem Bericht „Visionieren. Visionen 2050. Dialoge Zukunft ́Made in Germany ́“.
Kugellager
Ausstellung „Vision kommt von Sehen“
Kaskadische Arbeits- und Murmelgruppen
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DISKUSSION MIT BUNDESMINISTERIEN UND BUNDESKANZLER- AMT
BEGLEITFORMATE Verbarium
Zitate aus 40 Jahren
FEEDBACK DER TEILNEHMENDEN
Wenige Teilnehmer nutzten die Möglichkeit, Zitate von Personen aus Kunst, Kultur und Gesellschaft aus den letzten 40 Jahren (2010 bis 2050) auf einer Pinnwand festzuhalten.
Gegen Ende des zweiten Tages reflektierten die Teilnehmer, wie zufrieden sie mit dem Verlauf der Konferenz und den Rahmenbe- dingungen waren und diskutierten Verbesserungsideen. Am Ende bewerteten sie, wie zufrieden sie mit den Ergebnissen waren und wie inspiriert sie sich durch die zweieinhalbtägige Stakeholderkon- ferenz fühlten.
Ein wichtiger Diskussionspunkt in der Feedbackrunde war, was mit den Ergebnissen des Prozesses geschehen würde und wie sie in den Politikprozess einfließen würden.
Die Teilnehmer schätzten ihre Gruppe hinsichtlich der meist aka- demischen Bildung sowie der maßgeblich deutschen Herkunft als sehr homogen und privilegiert ein. Sie wünschten sich die stärkere Anwesenheit von Personen aus eher benachteiligten Gruppen, die für die Entwicklung nachhaltiger, gesellschaftlicher Visionen aus ihrer Sicht unverzichtbar sind.
Kritische Anfragen bezogen sich auf die Auswahl der Beteiligten. Der Nominierungsprozess war für viele Teilnehmer zunächst of- fenbar nicht ausreichend transparent. Regeländerungen im Prozess – die Zulassung einiger Teilnehmer mit einem Alter über 27 Jahren – erzeugten bei einigen Teilnehmenden Mutmaßungen über Beein- flussung auf den Nominierungsprozess. Ähnliche Skepsis wurde von Einzelnen hinsichtlich der Moderationsmethoden geäußert, die auf die Sammlung von Ideen, Perspektiven und Visionen ausgerichtet waren. Einige Teilnehmer wünschten sich vertiefende Diskussionen zu den Themen. Sie nannten offenere Formate, wie etwa die Open Space Methode, als mögliche Alternative. Andere Personen beton- ten, wie gut Ihnen der bisherige Ablauf gefallen habe.
In dem Nominierungsverfahren sahen einige Teilnehmer die Ge- fahr, nur jene in den Prozess einzubinden, die eh schon aktiv und privilegiert sind. Ebenso kritisierten Einzelne in der räumlich ex- klusiven Verortung der Konferenz direkt am Brandenburger Tor und der Unterbringung der Teilnehmenden in Hotels nahe dem Potsdamer Platz den damit verbundenen Kostenrahmen und Sta-
tus der Konferenz. Andere Teilnehmende fanden dieses Vorgehen angemessen.
Der Generalsekretär des Rates und das Projektteam nutzten die Feedbackrunde, um offene Fragen der Teilnehmer hinsichtlich des Nominierungsverfahrens, der Ziele sowie der möglichen Wirkun- gen des Visionsprozesses aufzugreifen.
Die Teilnehmer nahmen den Perspektivenwechsel des Backcasting als fruchtbar und anregend wahr, wenngleich sie es als anspruchs- voll beschrieben, diese Zukunftsperspektive über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Besonders gut gefiel vielen Sta- keholdern die Methode des Kugellagers. Die dadurch erhaltenen Rückmeldungen zur eigenen Vision und die Vielfalt der nebenein- ander stehenden Visionen beschrieben sie als bereichernd.
Der Rat für nachhaltige Entwicklung wird die Ergebnisse des Pro- zesses sichtbar machen, verwerten und verbreiten.
• Die Ergebnisse werden auf der 11. Jahreskonferenz des Rates am 20. Juni 2011 als ein zentrales Thema vorgestellt, diskutiert und verbreitet.
• Die Visionen, die Prozessdokumentation und die Empfehlun- gen an die Politik für einen gesamtgesellschaftlichen Visions- prozess werden in gedruckter Form und wie die filmische Um- setzung auf der Homepage des Rates veröffentlicht.
• Der Rat arbeitet Prozess und Ergebnisse des Dialoges in sei- nem Beitrag zum Fortschrittsbericht 2012 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die das Rechenschafts- und Ar- beitsprogramm der Bundesregierung in Sachen Nachhaltigkeit für die nächsten Jahre darstellt, ein.
Im Nachgang zur Stakeholderkonferenz lud der Rat die vorge- schlagenen Teilnehmer ein, die Ergebnisse der Konferenz bei sei- ner Jahreskonferenz in Berlin vorzustellen und zu diskutieren. Die Auswahl der Repräsentanten erfolgte auf der Basis anonymisierter Vorschläge der Stakeholder selbst, die durch Vorschläge der Pro- jektbeteiligten – den Moderatoren von e-fect und Zebralog, dem Tagungsmanagement von lab concepts sowie der Geschäftsstelle des Rates – ergänzt wurden. Acht Repräsentanten stellen den Dia- logprozess und die Ergebnisse im Rahmen der Jahreskonferenz des
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VERWENDUNG DER ERGEBNISSE
ERGEBNISPRÄSENTATION BEI DER JAHRES- KONFERENZ DES RATES FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
METHODISCHE EMPFEHLUNGEN DER MODERATOREN FÜR WEITERE ZUKUNFTSDIALOGE
Methode Backcasting
Erfolgsmodell: Wechsel von Workshop- und Ple- numsphasen
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RNE vor, wobei dem Thema Energie aufgrund der aktuellen politi- schen Ereignisse eine besondere Bedeutung zukommt.
Auf der Jahreskonferenz wird auch der Film über die Visionen der Teilnehmenden präsentiert. Eine Teilnehmerin betrieb maßgeblich dieses Vorhaben und setzte das Projekt mit elf anderen Visionären und finanzieller Unterstützung des Rates um.
Aus Sicht der Moderation unterstützt das gewählte Vorgehen die hohe Motivation der Teilnehmer und deren Wunsch, an Verän- derungsprozessen teilzuhaben. Davon zeugen auch Anfragen der Visionäre im Nachgang an den Dialog, ihnen Auswertungen und Ergebnisse aus der Konferenz für eigene (Visions-)Prozesse zur Ver- fügung zu stellen.
Alle achtzig Teilnehmer der Konferenz verfassten eine persönliche Vision für das Jahr 2050. Auch zwei Personen, die lediglich an der Online-Phase teilnehmen konnten, stellten ihre Visionen auf der Online-Plattform ein.
In Gesprächen mit den Moderatoren und den Mitgliedern der Geschäftsstelle des Rates signalisierten die Teilnehmer, dass sie das Backcasting mit der Zeitreise in das Jahr 2050 als zielführend und hilfreich wahrnahmen. Zugleich beschrieben sie es als anspruchs- voll, diese Zukunftsperspektive über einen längeren Zeitraum konsequent durchzuhalten. Die Moderation sollte in künftigen Visionsprozessen die Teilnehmer durch häufiges Erinnern dabei unterstützen, die gewünschte Zukunftsperspektive aufrecht zu er- halten.
Die Moderation empfiehlt, diese Methode künftig bei der Ent- wicklung von langfristigen Visionen zu nutzen.
Plenumsphasen und Workshops wechselten einander ab. Die je- weils verwendeten Methoden förderten in ihrer Kombination die Diskussion unter den Teilnehmern, ermöglichten ihnen mentale Zeitreisen ins Jahr 2050 zu unternehmen, Ideen zur Zukunftsge- staltung zu entwickeln und stellten zugleich einen gemeinsamen Gruppenprozess sicher.
Der Wechsel zwischen kreativen Entwicklungsphasen, Vertiefungs- und Reflexionsphasen trug dazu bei, den Spannungsbogen aufrecht
zu erhalten, die Teilnehmer mit andersartigen Aufgaben- und Fra- gestellungen zu motivieren und herauszufordern.
Dieses Vorgehen erscheint auch für künftige Prozesse empfeh- lenswert.
Für spätere Verfahren oder einen weiteren Durchgang sind folgen- de Modifikationen vorstellbar:
• Die erst im Verlauf der Veranstaltung eingeplante Redaktions- gruppe, die im Nachhinein die Ergebnisse zu den Erwartungen und Anforderungen an einen gesellschaftlichen Visionsprozess fokussierte und in einem Text zusammenfasste, empfiehlt sich bereits im Vorfeld einzuplanen.
• Das Zwischenfeedback am Ende des zweiten Tages wirkte klärend und hatte positive Auswirkungen auf den weiteren Prozessverlauf. Ein Feedback sollte im Prozess früher und aus- führlicher vorgenommen werden.
• Ist eine Vertiefung der Diskussion zu Schwerpunktthemen das Ziel, könnte die Moderation in der Online-Phase gezielter auf die Themen der Teilnehmenden fokussieren, um diese früher zu strukturieren und zu vertiefen. Während der Konferenz pla- nen die Moderatoren dann mehr Zeit für thematische Diskus- sionen ein.
• Ist das Ziel eher, die Teilnehmer dabei zu unterstützen, Mei- lensteine, zentrale Entscheidungen und Einflussindikatoren für den Prozess zur Erreichung der gewünschten Visionen zu entwickeln, kann die Phase, in der aus dem Jahr 2050 der Zeit- raum von heute bis 2050 betrachtet wird, ausgedehnt werden.
• Die Teilnehmer griffen das Angebot für die kreative Umset- zung ihrer Visionen stärker auf, als im Vorfeld vom Projektteam vermutet. Hier könnten weitere kreative Auseinandersetzungs- möglichkeiten mit der Zukunft in unterschiedlichen Angebo- ten die sprachlich-kognitiven Anteile ergänzen.
Diese Modifikationen stellen aus Sicht der Moderation Erweite- rungsmöglichkeiten für ein gelungenes Projektdesign zur Entwick- lung von persönlichen Langfristvisionen dar.
Mögliche Modifikationen
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Nachhaltiges Wirtschaften
Dr. Walter Tabat
Referat Marktwirtschaftliche Umweltpolitik Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Soziales Miteinander und Vielfalt
Dr. Christian Raskob
Leiter des Referates Nachhaltige Gesellschaftspolitik Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Dr. Martin Schölkopf
Leiter des Referates Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, Gesamtwirtschaftliche
Aspekte des Gesundheitswesens Bundesministerium für Gesundheit
Nachhaltiger Konsum, Landwirtschaft und Ernährung
Bernt Farcke
Leiter der Unterabteilung Nachhaltigkeit Bundesministerium für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Umwelt und Energie
Dr. Jörg Mayer-Ries
Leiter des Referates Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Umweltpolitik, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsstrategien
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Frank Hönerbach
Referat Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Umweltpolitik, Umweltschutz- und Nachhaltigkeits strategien
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
MEMORANDUM | 25
Vertreter Bundeskanzleramt
Johannes Geismann,
Leiter der Abteilung Sozial-, Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Infrastruktur- und Gesellschaftspolitik
Dr. Stefan Bauernfeind
Leiter des Referates Nachhaltige Entwicklung
Vertreter/innen Ministerien
Individuelle Verantwortung, Partizipation und Engagement
Dr. Renate Behrend
Referat Umwelt und Verbraucherschutz Bundespresseamt
Verkehr und Mobilität
Regina Maltry
Referat Grundsatzfragen Energie, Klima- und Umweltschutz
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Internationale Beziehungen
Dr. Heike Litzinger
Referat Entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Christian Doering
Referat EKR 3 EU-Koordinierungsgruppe; EU-Nachhaltigkeitsstrategie; Frühwarnung Umwelt, Energie, Bildung, Kultur, Medien
Auswärtiges Amt
Bildung
Dr. Maximilian Müller-Härlin
Referat Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich Bundesministerium für Bildung und Forschung
02
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Die hier dargestellten Visionen wurden im Rahmen des Projektes „Dialoge_Zukunft_Vision2050“ erstellt und auf der Stakeholder- konferenz vom 23. bis 25. März 2011 durch die Teilnehmenden diskutiert und ergänzt.
Inhalt und Form der einzelnen Beiträge liegen in der Verantwor- tung des jeweiligen Autors.
Sicher ist, dass nichts sicher ist ………………………..33 Mein Leben in 2050………………………………………34 Mein Eindruck über 2050 …………………………………35 Bildung ist unsere Zukunft …………………………………37 Auf allen Ebenen gegen menschenfeindliche Praxen ….39 Die Schaffung einer Grundhaltung –
reelle Partizipation auf allen Ebenen ……………………40 Was hilft die Theorie ohne Praxis? ………………………..41 Zukunft sicher(n)! ………………………………………….42 Wer hätte das gedacht ………………………………………43 Zukunftswunsch ……………………………………………45 Nachhaltiger Lebensstil 2050 ……………………………47 Vision 2050 ………………………………………………….49 Globalisierung im Kleinen, Abgrenzung im Grossen ..51 Zukunft- Die ganz große Chance …………………………..54 Die soziale Großfamilie ersetzt die
genetische Famlie ………………………………………….56 Energie – woher soll diese 2050 kommen? ……………….58 Verständnis für Nachhaltigkeit
aller Wirtschaftssubjekte …………………………………59 Nachhaltigkeit als Lebenseinstellung ………………….60 Sternzeit 205003241530 …………………………………62 40 Jahre Zeit für eine bessere Welt! ……………………….64 Vision_2050_Nachhaltigkeit als Selbstverständlichkeit ……………………………………66 Gerechtigkeit – ein Thema für Generationen …………….70
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KOMPENDIUM | 31
2050 – Bis dahin werden wir die Gesellschaft
von Nachhaltigkeit begeistert haben ……………………71 Die Macht des Wirtschaftskonzeptes ……………………72 Biolandwirtschaft ………………………………………….74 Meine Vision 2050 ………………………………………….75 Selbstbestimmte Lebensgestaltung ……………………77 Vision 2050 ………………………………………………….79 Der Weg ist das Ziel ………………………………………….81 Vision 2050 ………………………………………………….82 AUTO_MOBILITÄT, eine bewegte Diskussion …………..83 Fragmente einer Zukunft. Meine Vison …………………..86 2050 – Vision, Utopie, Fantasie ……………………………90 Small is smart ……………………………………………….93 Meine Vision für 2050 ………………………………………95 Skizzen einer Welt von morgen – Vision 2050 …………….96 Meine Welt …………………………………………………..99 Die Zukunft im Jetzt ……………………………………….100 Natürlich Leben!
„Sozial-Ökologische Marktwirtschaft“ ………………101 Meine Vision bis 2050 …………………………………….102 Leben ohne Öl ……………………………………………..104 2050 einig, gleich, gerecht ………………………………105 Zwischenmenschliche Kommunikation / Toleranz / Akzeptanz …………………………………………………107 Meilensteine zu einer nachhaltigen Zukunft 2050 …..108 Soziale Anlagemöglichkeiten ………………………….113 Offene Gesellschaft in Europa …………………………..115 2050: Viele Herausforderungen und gute Lösungen …116 Fortschritt und Entschleunigung ……………………….117 Meine Vision heute Realität ……………………………..118 Nachhaltige Industriepolitik …………………………..119 Große Ernten – Großer Hunger ……………………………120 Wundervolle Artenvielfalten im Meer ………………….121 Für unsere Zukunft müssen wir unseren
Blick nach Osten richten ………………………………….122 2050 – ein Umdenken hat stattgefunden ……………….124 Vision 2050 – Weichenstellung 2011 …………………..125 Meine Vision 2050 – Lebensqualität ……………………126 Vision 2050 ………………………………………………..128 Deutschland 2050 ………………………………………..131
Deutschland 2050: bewusst, mehrdimensional, nachhaltig und zukunftsfähig ………………………….132 Meine Vision für 2050
Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig……………………..134 Deutschland und die Welt im Jahre 2050.
Meine Vision ……………………………………………….136 Die Vision leben – mit Blick nach vorne! ……..139 Wirtschaften für Menschen und
Umwelt – nicht andersherum ……………………………141 Globale Utopie …………………………………………….144 24.3.2050 …………………………………………………146 Meine Vision 2050 ………………………………………..147 Meine Vision ……………………………………………….148 Bildung und Wissenschaft – DIE Aufstiegschance! ……149 Einkaufsliste für eine bessere Welt ……………………..150 Ohne Schranken und Grenzen …………………………..153 „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
(Albert Einstein) …………………………………………..154 2050 ………………………………………………………..156 Kleine Schritte führen zu großen Veränderungen …….157 Z U S A M M E N 2050 …………………………………………158 Bildung als Grundlage für ein stabiles Deutschland ….160 Zweitausendfünfzig ……………………………………..162 Bewusstseinswandel für eine sinnvolle
Gestaltung der Welt ………………………………………165 Vision 2050 ………………………………………………..166 Der wahre Luxus! ………………………………………….167 Eine soziale, demokratische, ökologische,
friedliche Welt …………………………………………….168 2050 ………………………………………………………..170 24.03.2050 ………………………………………………..171
OLGA AMELT
Referat für Grundsatzange- legenheiten im Büro eines Oberbürgermeisters
Sicher ist, dass nichts sicher ist
Denke ich an das Jahr 2050, muss ich mir zunächst vor Augen hal- ten, wie viel Zeit sich tatsächlich dahinter verbirgt…
Dann wird mir schnell klar, dass ich nur wage Vermutungen darüber äußern kann, was bleibt, was sich ändert und was neu hin- zukommt.
Sicher ist eigentlich, dass nichts sicher ist.
Die Krisen der jüngsten Vergangenheit haben mich dazu bewegt anders zu denken, ein vermeintlich sicheres Atomkraftwerk ist ex- plodiert und ein Bürgerkrieg in Libyen zeigt die tagelange Hilflo- sigkeit einer Welt, die für alles einen Plan parat hat. Für alles? Wohl kaum… Nicht für alles.
Denn sicher, man kann Wahrscheinlichkeiten berechnen und politische Linien und Parteiprogramme erarbeiten, aber wenn eine Unwägbarkeit dazwischen kommt, dann zwingt sie die Gesellschaft zum Umdenken. Dinge, die vor einer halben Stunde für jede/n si- cher waren, sind es dann nicht mehr. Aber was soll dann die Lösung sein? Nicht weiterzudenken? Keine Zukunftsvisionen zu überlegen? Bloß nicht! Ich brauche Ziele und Visionen, jeder Mensch braucht Ziele und Visionen und vor allem einen nachhaltigen Plan, der sich mit eventuellen Unwägbarkeiten auseinandersetzt. Mehr noch, wir brauchen Handlungsansätze, die Weiterdenken und Krisen nicht zulassen.
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KOMPENDIUM
DIE VISIONEN
Meine Vision für 2050 lautet: Egoismus vs. Globale Gemeinschaft. Und schreiben wollte ich darüber, dass die Menschheit sich auf ihre Werte besinnen sollte, die Frage, ob das Wohl des Einzelnen oder das gesamtgesellschaftliche Wohl im Vordergrund stehen soll…
Oder auf eine andere Ebene übertragen, denke ich in Zukunft deutsch (national-egoistisch) oder global (ganzheitlich)? Geht es mir im Falle eines Konfliktes auf nationaler Ebene um das Generie- ren meines eigenen (deutschen) Wohlstandes oder sehe ich die Welt als ein Ganzes und verstehe mich in diesem Kontext als Gemein- schaft? Sicherlich ist die Vision einer Weltregierung phantastisch und unrealistisch, aber was spricht denn dagegen, wenn sich jeder/ jede als Weltbürger versteht. Ich zumindest bin ein „Welti“ und fühle mich betroffen von Krisen auf der ganzen Welt und sie betref- fen mich auch tatsächlich, mittelbar. Und ein wichtiger Gedanke zu diesem Thema ist indiskutabel: Nachhaltigkeit funktioniert nur über Staatsgrenzen hinaus…
Mein Leben in 2050
Mit 66 Jahren bin ich ein aktives und gestaltendes Mitglied der Weltgemeinschaft. Es ist selbstverständlich, dass jeder sich so lange aktiv einbringt wie er einen Beitrag zur Gesellschaft leisten kann – ohne irgendwelche Altersbegrenzungen – das gilt für das Wirt- schaftsleben, aber auch bei der Bildung und sozialen Projekten. Ich spreche mit meiner Familie in meiner Muttersprache und mit anderen Menschen, die ich noch nicht kenne in der Weltsprache. Meine Kinder sind selbstverständlich inzwischen von zu Hause aus- gezogen und haben auf anderen Kontinenten ihre eigenen Familien gegründet, aber wir sind durch unser Kommunikationsmedium täglich in Kontakt. So wie sie, besitze ich kein Auto. Zu meiner Arbeitsstätte laufe ich, denn jede Wohnsiedlung hat in ihrer Mitte einen Büro- und Industriepark der in einem geschlossenen Res- sourcenkreislauf mit der Wohnsiedlung verbunden ist. Auch zum Einkaufen brauche ich kein Fahrzeug mehr, denn ein Dienstleister bringt mir meine Produkte, die ich einmal pro Woche im lokalen Warenverzeichnis auswähle, direkt nach Hause, nachdem er sie in den lokalen Erzeugungsstätten abgeholt hat. Wenn ich Freunde
MICHAELA AURENZ
Geschäftsführerin
ANDREAS BAETZ
Schüler
oder Bekannte besuchen möchte, fahre ich meist mit dem Hochge- schwindigkeitszug oder leihe mir ein Elektrofahrzeug.
In meiner Freizeit arbeite ich mit meinen Nachbarn am liebs- ten in unserem urbanen Community-Garten. Hier bauen wir mit Hilfe des professionellen Gartenbetreuers unserer Wohnsiedlung eine Vielzahl unserer Lieblingsgemüse und Blumen an.
Auch die Kinder aus dem umliegenden Gebiet kommen ein- mal pro Woche in den Garten, um hier aktiv zu lernen wie man sich selbst verpflegt und wie wertvoll eine intakte Natur und gesunde Pflanzen sind. Denn nachdem vor ca. 30 Jahren in 2020 80% der Kinder nicht mehr wussten, woher die Lebensmittel kommen, wurde dieser wöchentliche Ausflug in den internationalen Schul- lehrplan aufgenommen.
In den letzten Jahren habe ich mehr Zeit, um mich um das Gartenprojekt zu kümmern, denn ab 60 bekommt man pro Jahr mehr Zeit vom Arbeitgeber freigestellt, um sich stärker um andere Projekte zu kümmern, mit 75 kann man dann noch freiwillig zur Arbeit gehen, was die meisten auch machen, da sie als Mentor aktiv sind und ihre Lebenserfahrung hoch geschätzt ist.
Mein Eindruck über 2050
Wir schreiben heute das Jahr 2050 und ich möchte nun darüber berichten, wie sich die Welt wirklich entwickelt hat, im Vergleich zu den getroffenen Vorhersagen von 2011.
Eines vorab: Die Menschheit ist sich treu geblieben – es gab keinerlei Veränderung in der Denkweise der Menschen, sie sind auf ihren eigenen Profit bedacht, wie eh und je und wollen so bil- lig, wie möglich einkaufen. Die positive Entwicklung von 2011, dass die Menschen vermehrt auf Bio-Produkte gesetzt haben, ist verflogen, da die Menschheit auf 10 Milliarden Menschen ange- wachsen ist. Somit wurde Gen-Food immer populärer, weil dies eine Ertragssteigerung mit sich bringt und somit die Menschen er- nährt werden können, ohne den kaum mehr vorhanden Regenwald komplett abzuholzen.
Der Verkehr innerhalb der Städte findet nun komplett mit den Öffentlichen – Bus und Bahn – statt, da diese nun steuerfinan- ziert sind und somit jeder kostenlos damit fahren kann. Dennoch
besitzen die meisten Menschen ein Auto, da dieses nach wie vor ein riesiges Statussymbol ist. Außerhalb der Städte sind die Bürger auf Autos angewiesen, diese werden mit Elektroenergie oder Wasser betrieben.
Der globale Handel blüht, denn der Grundsatz „billig ist gut“ gilt noch immer, aber Waren aus China und Indien werden nicht mehr gekauft, da dort die Qualität zu arg in Verruf gekommen ist. Regionale Anbieter ziehen sich immer weiter aus dem Markt zu- rück, da sie zu niedrige Absätze verzeichnen, um sinnvoll wirtschaf- ten zu können. Die Schiffsbanken wachsen immer weiter, um das riesige Transportvolumen zu decken.
China und Indien sind wieder weit abgeschlagen, da ihre Wäh- rung inflationsbedingt nichts mehr wert ist – daran ist die Revolte der Arbeiter für mehr Lohn schuld, praktisch über Nacht ist die gesamte Wirtschaftskraft von Indien und China zusammengebro- chen.
Die Industrie in Deutschland blüht, da große Autobauer wie Honda und Mitsubishi ihre neuen Werke in Deutschland aufge- macht haben und von dort aus exportieren. Man schätzt die deut- sche Qualität und die Sicherheit vor Erdbeben und vor Strahlung, da die Atomkraftwerke mittlerweile alle abgeschaltet wurden. Es gibt riesige künstlich angelegte Seen, um den Energiebedarf zu de- cken, gleichzeitig auch ein Freizeitangebot. Außerdem wurde die Technik der Gezeitenkraftwerke weiterentwickelt, diese liefern eine riesige Menge Strom.
Die Deutschen haben sich nur geringfügig geändert. Die Tech- nik ist vorangeschritten, außerdem wird auf die Zukunft geach- tet, zumindest indirekt, da alles doppelt und dreifach recycelt wird – aus Kostengründen versteht sich.
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NYNKE BERSCH-GRASMAN
Abiturientin
Bildung ist unsere Zukunft
Wenn ich an die Zukunft denke, hoffe ich, dass wir in eine positive Zukunft blicken, vor allem nach dem Unglück in Japan. Vermut- lich werden noch weitere Naturkatastrophen auf uns zukommen und andere Krisen, jedoch hoffe ich, dass wir diese gut überstehen werden, was jedoch nicht gewährleistet ist.
Wenn ich daran denke, was mir wichtig ist und was wir heute noch ändern können, dann fällt mir als erstes BILDUNG ein.
Bildung ist eines der wichtigsten Güter auf der Welt. Es scheint zwar nicht so kostbar wie Öl zu sein, da man grundsätzlich mit Bil- dung allein kein Geld verdienen kann, jedoch verdienen die Men- schen, die später arbeiten und eine gute Bildung genossen haben, Geld und das wiederum unterstützt den Staat durch Steuereinnah- men.
Meiner Meinung nach tut der deutsche Staat viel zu wenig, um für alle Menschen Bildung zu garantieren, jedoch tut er manchmal auch zu viel an der falschen Stelle. Hier wäre anzumerken, dass das abschaffen von Sitzenbleiben schlecht für die Schüler wäre, denn Schüler bleiben sitzen, da sie nicht genügend gelernt haben oder der Stoff zu schwierig ist. Was hat ein Schüler davon, dass er es bis in die Jahrgangstufe 13 schafft, wenn er dann ein schlechtes Abitur hat? Im anderen Fall würde er ein Jahr wiederholen, den fehlenden Stoff im günstigsten Falle nacharbeiten, und hätte so die Möglich- keit, noch nach einem guten Abitur zu streben.
Des Weiteren ist es auch wichtig, den Ruf der Hauptschu- len zu verbessern, denn heutzutage möchte keiner seine Kinder zur Hauptschule schicken, da sie dann meist kaum noch Chan- cen auf dem Arbeitsmarkt haben. Es ist überraschend, dass es in Nordrhein-Westfalen Hauptschulen mit nur 13 Neuanmeldungen gibt, jedoch im Gegensatz dazu die Gymnasien überflutet werden mit Bewerbungen. Fakt ist, dass die deutschen Schüler über Nacht nicht schlauer geworden sind. Daher lässt sich diese Veränderung nur durch die Bewusstseinsveränderung der Eltern erklären. Eltern haben erkannt, dass ihr Kind auf einer Hauptschule keine Zukunft- schancen hat, daher versuchen sie mit allen Mitteln den bestmög- lichsten Einstieg für ihre Kinder zu eröffnen und schicken sie zum Gymnasium, denn wechseln kann das Kind später immer noch.
Daher ist es so wichtig, dass wir dieses Bewusstsein verändern,
denn wenn immer mehr Schüler die Gymnasien und Realschulen „überschwemmen“ die eigentlich nicht dem Leistungsniveau ent- sprechen, so senken wir das Leistungsniveau der Realschulen und Gymnasien oder anders gesagt, eröffnen wir viel Platz für ein ge- ringeres Leistungsniveau und schwächen unsere Starken. Es könnte natürlich auch den positiven Effekt haben, dass das Leistungsni- veau steigt nach dem Prinzip „die Starken stützen die Schwäche- ren“, jedoch ist dies nach meiner Meinung unwahrscheinlich, wie es meine Erfahrungen zusätzlich auch bestätigen. Denn wer stark ist, kann jemand Schwächeres stützen, wer jedoch selber schwach ist, braucht meist eher Unterstützung.
Um nochmals auf die Bildung zurückzukommen. Bildung ist so wichtig in Deutschland, wie in keinem Land, da Deutschland nicht über nennenswerte Ressourcen verfügt, wie Öl oder andere Mineralien. Deutschland ist Weltmeister im Exportieren, jedoch wird unser wichtigstes Gut dabei häufig vergessen: Unsere Akade- miker, unsere Auszubildenden, somit auch unsere Dienstleisten- den.
All die Menschen, die Bildung in Deutschland genossen ha- ben, können in eine sichere Zukunft blicken, soweit es in einer globalisierten Welt möglich ist, Sicherheit zu haben. Daher ist es wichtig in dieses Gut zu investieren.
Des Weiteren müssen wir aber auch andere Faktoren berück- sichtigen, wie auf unsere Umwelt zu achten, denn wenn wir das nicht tun, dann brauchen wir uns auch nicht um das Jahr 2050 zu kümmern. Jedoch bin ich der Meinung, dass Deutschland in die- sem Punkt mehr andere Länder wie China und USA dazu bewegen muss, auf die Umwelt zu achten, als sich nur um sich zu kümmern. In Punkto Umwelt ist Zusammenarbeit zwischen allen gefragt und es bringt auch nur etwas, wenn alle mitarbeiten, gemäß dem Satz „Alle für einen und einer für alle“. Es ist z.B. wichtig, jedem einzel- nen Menschen auf der Welt zu verdeutlichen, wie wichtig Recyc- ling ist.
In Anbetracht der aktuellen Lage sehen wir auch, wie wichtig es ist, Entwicklungsländer zu unterstützen. Denn dies sind die Län- der, die uns noch den Luxus, den wir genießen, halten lassen, denn wenn die auf die Idee kommen würden, alle auszuwandern, da sie es nicht einsehen, zu menschenunwürdigen Bedingungen zu leben, hätten wir ein riesen großes Problem. Des Weiteren ist es auch ein- fach ungerecht, dass einem Kind in Afrika nicht die gleichen Lebens- bedingungen gegeben sind, wie Kindern in den Industriestaaten.
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MARCO BÖHME
Student
Auf allen Ebenen gegen menschenfeindliche Praxen
Wir leben im Jahr 2050 in einer Welt, die keine (Staats)Grenzen mehr kennt.
Jeder Mensch kann sich frei bewegen. Die Bewohner der Erde werden alle gleich angesehen und brauchen dementsprechend kei- nen Pass o. ä. mehr. Jeder Mensch kann ohne Angst vor Verfolgung oder Diskriminierung leben. Die Innenstädte sind bewohnt und werden nicht von unzähligen elektronischen Augen beobachtet.
Jeder Mensch lebt auf einem hohen Niveau der sozialen Grundsicherung, ohne einem verknüpften Zwang der Erwerbs- arbeit nachgehen zu müssen. Dafür gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das alte kapitalistische Modell der Lohnarbeit als Lebensberechtigung hat ausgedient.
Das traditionelle Bild der Familie gibt es nicht mehr. Die Menschen werden in großen „Familiengemeinschaften“ zusammen leben, ohne unbedingt verwandt zu sein. Kinder werden von meh- reren Elternteilen mit unterschiedlichen sexuellen Hintergründen behütet. Die Gleichheit des Liebens, egal von welchem Geschlecht, ist auf allen Ebenen festgeschrieben. Daher wurde die Ehe abge- schafft.
Ein reflektierter Umgang und Konsum von Drogen ist in der Gesellschaft eingetreten. Mobile Beratungsteams und Apotheken geben Auskünfte über Inhaltsstoffe und Wirkungen. Die Auswir- kungen von Schokolade, Bier oder Heroin sind den Menschen be- wusst und sie können dementsprechend handeln, ob der erwarten- de Rausch der gewünschte ist.
Der ÖPNV ist für alle Menschen kostenlos und wird durch ausgebaute Rad- und Fußwege ergänzt. Die Städte erwachen wie- der zu neuem Leben, da Autos aus den Städten verbannt wurden. Nun ist viel mehr Platz zwischen den Häusern und die Menschen nutzen ihren Straßenraum aktiv zur Erholung und Freizeit.
Es gibt eine dezentralisierte, regionale Wirtschaftsordnung und einen Energiemix aus regenerativen Energien. Konsumrausch und Verschwendung werden in der Gesellschaft kritisch betrachtet.
Die Schaffung einer Grundhaltung – reelle Partizipation auf allen Ebenen
Wir schreiben das Jahr 2050 … Ein erster Schritt ist erreicht: Kin- der und Jugendliche werden bei allen Entscheidungen mit einge- bunden. Angefangen von der „Problemfindung“ bis hin zur Lö- sungsdurchführung und Reflexion. Partizipation wird in unserer Gesellschaft schon lange als deutlich mehr angesehen, als nur in Dialog miteinander treten. Denn mittlerweile wissen wir, nur wer von Anfang an beteiligt wird, Anerkennung erlebt und sieht, dass man auch als Individuum etwas bewirken kann, übernimmt aktiv Verantwortung und trägt gemeinsam getroffene Entscheidungen mit. Nur so können wir nachhaltig agieren.
Auch im Sinne der Transparenz und Information hat sich ei- niges getan. Politiker/innen, Unternehmen, Kommunen, Organi- sationen… geben von Anfang an Informationen zu Themen, zeigen ihre Sichtweise auf und geben aber auch gleichzeitig Expert/innen und Gegner/innen die Möglichkeit ihre Meinung zu äußern und zu verdeutlichen. So aufbereitet, dass alle Bürger/innen, unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialem Hintergrund etc., Position bezie- hen können. Denn jede/r Einzelne von uns ist wichtig und hat eine Stimme die gehört werden muss. Diese können sie dank geeigneter Plattformen im Jahr 2050 auch gut einbringen und so als aktive Bürger/innen sich an der Weiterentwicklung unserer Welt, sei es auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene, jeden Tag aufs Neue beteiligen.
Als Start für eine Politik, in der jede/r beteiligt wird, könnte ich mir gut eine Kampagne in ähnlicher Form wie die „Du bist Deutschland“-Kampagne vorstellen. „Du bist wichtig! Misch mit!“. Hierbei würde man in Deutschland lebende Menschen mit unter- schiedlichem Alter, Geschlecht, sozialem, kulturellem, etc. Hinter- grund sehen, die ihre Motivation zu aktiver Beteiligung prägnant benennen und erklären, welche Beteiligungsformen sie nutzen.
Denn ob in einem Verband, bei Wahlen, in der Gemeinde etc., es gibt vielfältige Formen, die aber auch noch ausgebaut werden müssen, damit sich jede/r beteiligen kann. Hierbei ist auch die Po- litik gefragt, Möglichkeiten zu schaffen und aufzuzeigen, sowie für adäquat aufbereitete Informationen und mehr Transparenz zu sor- gen.
Dazu rufe ich alle Entscheidungsträger/innen auf!
CLARA LEIVA BURGER
Studentin Soziale Arbeit
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ISABELLE DECHAMPS
Designerin
Was hilft die Theorie ohne Praxis?
Es gibt dieses Bild vom Schnellzug, der immer schneller und ohne Lokführer ins uferlose Nichts rast, ins Schwarze, ins Ungeklärte, wahrscheinlich in die Katastrophe. Dieses Bild ist metaphorisch stark überzeichnet, beschreibt aber treffend das Gefühl der Ohn- macht, das heute viele empfinden, wenn sie an die Zukunft den- ken. Merklich ergibt sich daraus ein Wunsch nach Entschleuni- gung, Kontrollgewinn und mehr Teilhabe, um Route und Tempo mitbestimmen zu können.
Warum verbringen wir so viel Zeit und Energie damit, uns Tragö- dien auszumalen? Wir können die Welt doch so gestalten, wie wir sie uns wünschen! Wir müssen es nur machen. Theorie und Praxis gehören dabei zusammen. Die Theorie kommt aus der Praxis und entwickelt neue Praxis.
Das Ganze ist ein Puzzle aus vielen kleinen Stücken. Was ist mein Puzzleteil? Ich bin Designerin an der Schnittstelle zur Kunst. Ich setze mich damit auseinander, wie die Dinge, die wir konsu- mieren, entstehen. Es gibt nicht schwarz oder weiß, sondern vie- le unterschiedliche Schattierungen. Aus diesem Grund kann man nicht pauschal von gutem oder schlechtem Konsum sprechen. Un- terschiedliche Blickwinkel produzieren grundverschiedene Bilder. Fest steht jedoch: Die Art wie unsere Gesellschaft und unser Wirt- schaftssystem mit Ressourcen umgeht, mit endlichen, menschli- chen, fremden, eigenen, nachwachsenden und recycelbaren, ist völ- lig aus dem Gleichgewicht geraten und alles andere als nachhaltig.
Ich möchte meinen Arbeitskontext dazu nutzen, die Bedeu- tung und die Konsequenzen unseres heutigen Konsumverhaltens greifbar und erfahrbar zu machen. Ich würde gern meine Mitmen- schen dazu anregen, gemeinsam mit der nötigen Unterstützung von Experten, neue, nachhaltige Lebensmodelle und Konsummuster zu entwickeln. Von der Praxis im Jetzt, zur Vision für Morgen und zurück zur Praxis, zur Vision von Übermorgen… Selber Machen/ Produzieren hilft dem Verständnis von komplexen, vielschichtigen Zusammenhängen. Es erleichtert, komplexe Prozesse und Verhal- tensmuster zu durchschauen und dient der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Dinge. So komme ich zu neuen Verhaltenswei- sen und Kompetenzen.
In meiner Vision für 2050 sind ethische Arbeitsbedingungen all- gemein selbstverständlich, Ressourcen, die der Natur entnommen wurden, laufen entweder in einem parallelen Kreislaufsystem ohne Verluste oder werden in den biologischen Kreislauf zurückgeführt. Konsumgüter werden für ihren tatsächlichen Wert gehandelt und Konsumenten kennen die Geschichte der Produkte, die sie konsu- mieren.
Zukunft sicher(n)!
Meine Vision ist ein Gefühl: Sicherheit trotz Eigenverantwortung. In meiner Vision haben wir es bis 2050 geschafft, fast alle Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und sie sind glücklich damit, weil sie unter humanitären Arbeitsbedingungen ein anständiges, existenzsicherndes Gehalt bekommen und auf Dauer damit kalku- lieren können, weil es keine Jobs mehr gibt, die das nicht garan- tieren. Gleichzeitig sehen sie ihre Arbeit als Selbstverwirklichung, oder zumindest in der Kosten-Nutzen-Abwägung als vorteilhaft. Dabei haben Menschen bis dahin aufgehört, sich nur noch um sich selbst und ihren Erfolg zu drehen, ihre Bestätigung nur im Job zu suchen, sondern auch im Privaten. Familie hat wieder einen hö- heren Stellenwert und sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer erkennen, dass es einfach zum Leben dazu gehört, für beides ge- nug Zeit aufzubringen. Dann brauchen wir uns auch keine Sorgen mehr um genügend Nachwuchs zu machen.
Für diesen gibt es 2050 ein qualitativ hochwertiges institutio- nalisiertes Betreuungssystem ab dem 6. Monat. Bildung hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, wird von jedem als wichtig zur Chancengleichheit erkannt. Jeder weiß, dass er seines Glückes Schmied ist und strebt von selbst nach Bildung, um für sich das Beste rauszuholen. Menschen führen insgesamt ein ausgewogenes Leben aus Arbeit, Individualismus und Familie, während der Staat dafür die notwendigen Bedingungen schafft, ohne machtbesessen und streng kontrollierend zu agieren.
Die Zivilgesellschaft bestimmt sich selbst, der Staat strukturiert die Gesellschaft dabei nur minimal. Der Großteil der Bevölkerung ist
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ANNA DIETRICH
JAKOB DOHSE
Student Maschinenbau
willig und qualifiziert genug, um sich in das politische Geschehen einzumischen und hat dabei nicht nur sein eigenes Wohl im Sinn. Das Gemeinwohl steht im Mittelpunkt, während dem Einzelnen ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein für sich und für an- dere anerzogen worden ist, was sich auf zukünftige Generationen überträgt.
Konsum wird weniger wichtig, weil die Menschen erkannt ha- ben, dass emotionale Stabilität erfüllender ist, solange ein gewisser Lebensstandard erreicht ist. Wirtschaft wird vom Menschen für den Menschen gemacht, ohne grenzenloses Streben nach Gewinn- maximierung. Gewinn mit Sinn ist die neue Handlungsmaxime und größtmögliche Zufriedenheit jedermanns – das Primat jeder Handlungen. Somit sind die Menschen glücklich, ausgeglichen, abgesichert und zufriedener.
Dadurch werden Gesellschaften insgesamt friedhaft und kön- nen sich altruistisch um ihre Umgebung kümmern, bis irgendwann (2100?) vielleicht alle Länder diese Realität teilen. Menschen sind früher zufrieden und dadurch glücklich!
Und glücklich sein, ist das Ziel allen Strebens und höchstes Gut des menschlichen Lebens.
Wer hätte das gedacht…
Wer hätte das gedacht, dass es die Weltgemeinschaft mit nun knapp 10 Mrd. Erdenbürgern soweit gebracht hätte. Als ich jung war, dachte ich, wir stehen vor dem Aus: Mit Fukushima hatten wir Menschen gerade eine weitere nukleare Krise hinter uns gebracht und die zahlreichen neuen Kohlekraftwerke, die damals hierzulan- de gebaut wurden, ließen nicht unbedingt auf eine Verzögerung des damals andauernden Klimawandels hoffen.
In meinen jungen Jahren musste ich damals auch noch durch mein Studium des Maschinenbaus von der Entropie erfahren. Ich hoffte, ich hätte von diesem Tatbestand, der besagt, dass Energie nur in andere Energieformen umgewandelt oder vernichtet werden kann, nie etwas gehört. Meine Hoffnungen auf eine einfache Lösung im
Kampf gegen den Klimawandel und die Energieknappheit hatten sich damals über Nacht zerschlagen.
Doch irgendwann fand damals in der Weltgemeinschaft ein Umdenken statt. Das Unglück in Japan könnte ein früher Auslö- ser gewesen sein. Schnell wurde klar, dass weder Atomkraft, noch der einfache Umstieg auf Biokraftstoffe, eine Lösung für unsere Ressourcenknappheit sein könnten. Die zunehmende Verknappung des Erdöls und der steigende Strompreis hatten einen zusätzlichen positiven Effekt auf diese Entwicklung.
Die Regierung erkannte, dass nur massive Investitionen in Bildung, Forschung und öffentlichen Personenverkehr Besserung schaffen konnten.
Neben der Grundsteinlegung für die Transrapid Strecke Hamburg – München (2 1⁄2 Std.) 2022, folgte schnell eine Verbindung von Berlin nach Paris (in 4 Std.) 2026. Schnell spannte sich ein ganzes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen und guten Nahverkehrsan- bindungen durch ganz Europa. Diese Angebote wurden von vie- len Menschen gerne genutzt, da sie die Vorteilhaftigkeit gegenüber Auto und Flugzeug sahen. Ich weiß noch genau, dass ich dem Kon- kurs von Ryanair damals wenig hinterher geweint habe, eine der wenigen Fluggesellschaften, die nicht in Kraftstoff aus Algen inves- tiert hatten. Ich kann mich noch wage an meinen Urlaub in Neu- seeland 2035 erinnern, Lufthansa flog damals schon komplett mit den neuen Kraftstoffen. 2035 war auch das Jahr in dem Deutsch- land erstmals ohne Stromimporte und Vernichtung von fossilen Energieträgern seinen Primärenergiebedarf decken konnte. Ein his- torisches Jahr, das ohne die Ausnutzung von Energiesparpotenzia- len und den Bau riesiger Windparks in der Nordsee nicht möglich gewesen wäre. Deutschland ist nicht mehr der größte Exporteur von Autos, sondern von Windkraftanlagen. „Made in Germany“ ist Synonym für Energieeffizienz und Ressourcenschonung geworden. Wer hätte das gedacht?
Aber auch die Entwicklung in der Bevölkerung hat mir da- mals Mut gemacht, so setzte bald darauf ein wahrer Wettstreit um Nachhaltigkeit ein. Große Autos und Motoryachten verloren an Aufmerksamkeit gegenüber praktischen CityBikes und schicken Segelyachten. Prunk und Protz haben gegenüber hanseatischer Zu- rückhaltung und Maßhaltung an Bedeutung verloren. Unsere Weg- werfgesellschaft wandelte sich zu einer Gesellschaft die die Wert- haftigkeit von langlebigen Produkten und Gütern wieder schätzen
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MARTIN EBERLE
Abiturient
gelernt hatte. Ich weiß noch genau, dass viele 1€-Läden damals schließen mussten und sich viele neue Dienstleistungen entwickel- ten die sich mit der Reparatur und Aufarbeitung beschäftigten. Das Credo „möglichst viel und möglichst billig“ wandelte sich zu „mög- lichst gut und langlebig“. Ja selbst im Sport wurde darauf geachtet: Bei den Olympischen Sommerspielen 2024 wurden alle Stadien und Verkehrsanlagen von vornherein vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit geplant.
Eine Veränderung, die kaum einer von uns für möglich gehal- ten hätte. Ja, in allen Bereichen buhlen die Menschen mittlerweile um Nachhaltigkeit – Nachhaltigkeit ein ganz neuer Wert in unserer Gesellschaft 2050!
Zukunftswunsch
Visionen über 2050 sind auf momentane Probleme gestützte Ver- mutungen, wie die Zukunft aussehen könnte. Niemand von uns vermag vorherzusagen, wie die Zukunft aussieht, wir können nur spekulieren und selbst Hand anlegen und aktiv unsere Zeit und die Zeit, die darauf folgt, gestalten.
Meine Vision von 2050 stützt sich auf fünf Säulen. Politik, Energie, der Bürger, Konsum und Mobilität.
Im Jahre 2050 ist die internationale Politik zu einer Politik der Ver- ständigung und des gegenseitigen Austauschs geworden. NATO, EU und andere politische Bündnisse zwischen Staaten sind zu wichtigen Instrumenten der Sicherheits- und Umweltpolitik ge- worden. Die Welt hat sich zu einer Welt der Multilateralität und Multipolarität gewandelt. Gegenseitige wirtschaftliche und politi- sche Beziehungen und alternierende Abhängigkeit sorgen für besse- re Kontrolle untereinander und bessere Einflussmöglichkeiten der Kontrollgremien, wie der UN.
Die Energiepolitik ist strikter geworden mit CO2-Ausstoß und Atomenergie. Die Atomenergie als Brückentechnologie hat ausge- sorgt und befindet sich auf einem absteigenden Ast. In Deutsch- land werden in den kommenden Jahren die letzten, noch verbliebe- nen Meiler vom Netz genommen. Regenerative Energien sind auf
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einem hohen Entwicklungsstandard und können zur vollständigen Energieversorgung genutzt werden.
Kohle und Erdöl sind als Energielieferanten nicht mehr not- wendig, fossile Brennstoffe werden nicht mehr verschwenderisch genutzt.
Der Bürger, also der Konsument, hat gelernt, mit Energie, Rohstof- fen und Konsumgütern verantwortungsvoller umzugehen. Diese Entwicklung ist gestützt auf bessere Information, mehr Verständi- gung und ein erweitertes Verständnis auf Seiten des Konsumenten. Dies geht nicht ohne Einschränkungen, die momentane Luxusver- wöhntheit und die ungeheure Dekadenz unserer Gesellschaft hat sich einem „normalen“ Level angenähert und der Reichtum der Welt wird nicht nur von einigen Wenigen genutzt.
JONAS EICHER
Kundenberater Wohnungsbaugesellschaft
Der Konsum, vor allem im Lebensmittelbereich hat sich zu einer lokaleren Versorgung hin entwickelt. Somit entfallen kosten- und energieaufwendigeTransport-undLagerkostenunddieCO2Bilanz des Endprodukts wird deutlich verbessert. Der technische Fort- schritt hat uns effizientere Produktionsprozesse beschert, durch die ein geringerer Energie- und Rohstoffverbrauch erzielt wird. Auch mit der Müll- und Abfallverwertung haben wir gelernt, effizienter zu arbeiten. Recyclingprozesse haben eine enorme Wirtschaftlich- keit erreicht und versorgen uns vor allem im Kunststoffbereich mit beinahe rohstoffneutralen Produkten.
Im Bereich der Mobilität wird sich viel in Richtung ÖPNV verändert haben. Die öffentlichen Verkehrsmittel gewinnen an Wichtigkeit und tragen zur Einsparung fossiler Brennstoffe bei. Fossile Rohstoffe sind durch die Elektrotechnologie auch aus dem motorisierten Privatverkehr beinahe vollständig verdrängt. Dies ist nur möglich durch verbesserte Technik und Forschung, vor allem im Bereich der Speichermöglichkeiten von elektrischem Strom. In der Stadt der Zukunft beschränkt sich die Entwicklung auf Ver- bannung des motorisierten Privatverkehrs aus den Innenstädten, auf die Beschleunigung des Fahrradverkehrs und den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
Natürlich ist dies ein „best-case Szenario“. Ich gehe nicht davon aus, dass jeder der genannten Punkte genau so eintritt, doch wie schon unser alter Bundeskanzler Willy Brandt (1913-92) sagte: „Der bes- te Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ Deshalb treffen wir uns am 23.03.11 und dafür müssen wir kämpfen. Unser aller Leben und das unserer Kinder hängt davon ab, welchen Weg wir jetzt einschlagen.
Nachhaltiger Lebensstil 2050
Meine Vision: Der Begriff der Nachhaltigkeit wird 2050 nicht mehr diskutiert. Er steht nicht mehr im Mittelpunkt der Medi- en, der Wissenschaft oder Institutionen. Nachhaltigkeit ist längst angekommen! Wo? Im Mittelpunkt menschlichen Handels. Jeder Mensch hat Entscheidungsspielräume, mit seinem eigenen Han-
deln einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Im Jahr 2050 sind wir uns darüber bewusst und treffen unsere Ent- scheidungen gezielter und bewusster.
Wirtschaftliche, soziale und ökologische Gesichtspunkte werden dabei gleichwertig betrachtet und in idealer Weise verknüpft. Ein entsprechender gesellschaftlicher Wandel, der ein Nachhaltigkeits- bewusstsein mit entsprechenden Werten und Einstellungen hervor- gebracht hat, wäre der Idealfall.
Wir hinterfragen unsere Art der Fortbewegung. Wie viel Auto fahre ich? Wie hoch ist der CO2-Ausstoß? Welche Strecken gehe ich zu Fuß, fahre mit dem Fahrrad oder nutze die öffentlichen Ver- kehrsmittel?
Wir hinterfragen unser Konsumverhalten. Bevorzuge ich lang- lebige energieeffiziente Produkte? Gehe ich kritisch mit der Beur- teilung der Herstellung des Produktes um? Verzichte ich auf über- flüssige Produkte?
Wir hinterfragen unsere Wohnform. Nutze ich Strom und Wärme aus regenerativen Energiequellen? Ist eine Wärmedäm- mung vorhanden? Welche Heizungsform wird verwendet?
Ein möglicher Weg:
Im Jahr 2050 wird der eigene Lebensstil überprüft und kann transparent dargestellt werden. Es wäre z.B. möglich, alle Daten einer Person zu deren Fortbewegung, zum Wohnen, zu Konsum und Ernährung, zum Reisen u.v.m. auszuwerten. Wird beim Woh- nen auf den Energiebedarf, bei der Wahl der Fortbewegung auf den CO2-Ausstoß und beim Konsum auf nachhaltige Produkte etc. geachtet, macht sich dies im Ergebnis bemerkbar. Jeder kennt seine eigene „Nachhaltigkeitsbilanz“ und ist bemüht, diese stets ausge- wogen zu halten.
Die Möglichkeiten, aus diesem quantitativen Ergebnis Anreizsys- teme zu konstruieren, sind vielfältig. Es ergibt sich außerdem Po- tenzial für die Aufklärungs- und Bildungsarbeit, sowie die gezielte Stärkung des Bewusstseins der Menschen.
Nachhaltige Lebensstile werden gefördert und jeder bekommt die Ziel Möglichkeit, zu erfahren, wie er persönlich dazu beitragen kann,
Zukunft nachhaltig zu gestalten! Betrachtet man alle Lebensberei-
che wird daraus ein ganzheitlicher Ansatz, der alle gesellschaftli-
chen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte einbezieht.
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DIMITRI EISENMEIER
Biolebensmitteleinzelhandel
Am Markt werden 2050 demnach nur noch nachhaltig agierende Teilnehmer eine Chance haben. Produkte müssen über ihre gesamte Wertschöpfungskette hinweg nachhaltig sein und die Unterneh- men müssen faire Bedingungen geschaffen haben.
Vision 2050
Diese Vision 2050 kann gesehen werden als eine Art Beschreibung des Soll-Zustandes. Es werden nur partielle Aspekte der Bereiche „Individuum – Unternehmen – Gesellschaft“ abgedeckt. Die Be- schreibung des Weges zur Erreichung der Vision bedarf weiterer Betrachtung und Ausarbeitung.
2050 – Bei den Menschen ist ein Bewusstsein über Nachhaltigkeit vorhanden. Nachhaltigkeit ist Selbstverständlichkeit in nahezu al- len Bevölkerungsschichten. Es ist nicht mehr notwendig, dass Ka- tastrophen geschehen, sondern die Menschen wissen, was sie zu tun und zu lassen haben, um den Planeten zu retten.
Eine veränderte Medienlandschaft trägt dazu bei. Die Medien ha- ben sich längst der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit verschrie- ben. Die Reichweite der Medien und ihr Einfluss auf die Menschen werden positiv und im Sinne der Nachhaltigkeit eingesetzt.
Das Bedürfnis, nachhaltig zu konsumieren, wird durch ent- sprechende Informationsübermittlung ermöglicht. Auf lange Sicht ist nachhaltiger Konsum in allen Gesellschaftsschichten angesagt.
Der Kunde erkennt am Produkt, ob es nachhaltig ist. Durch eine neue Preisgestaltung werden auch nicht nachhaltig denken- de Menschen, die durch Bildungsimpulse nicht erreicht werden, dazu bewegt, ihren Konsum nachhaltig auszulegen. Bei dieser neu- en Preisgestaltung können Folgekosten der Produktion, Transport und Recycling in Hinblick auf die Dimensionen Soziales und Um- welt mit einbezogen werden. Berücksichtigt werden kann auch die Langlebigkeit eines Produktes. Menschen konsumieren gezielt und mit Bescheidenheit. Die Anzahl der konsumierten Güter geht zu- rück. Gleichzeitig reduzieren die Menschen auch die Verschwen- dung von Gütern.
Das menschliche Miteinander hat sich verändert. Menschen hören einander und achten den Anderen auf einer vernünftigen Ebene. Im Kleinen, wie auch weiter unten genannt, im gesamtge- sellschaftlichen Kontext.
Im Wirtschaftsleben wird ein Nachhaltigkeitskodex von allen Unternehmen akzeptiert und befolgt. Die Produkte und Dienst- leistungen werden gekennzeichnet. Nicht nachhaltige Unterneh- men haben sich zum Teil selbst aufgelöst bzw. befinden sich in der Umbruchphase, ihr Geschäftsfeld in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen.
Die Unternehmen folgen den Interessen der nachhaltigen Konsumgesellschaft und folgen ihrem eigenen Verantwortungsbe- wusstsein gegenüber der Natur, der Menschheit sowie deren lang- fristiger Entwicklung.
Es wurden durch verschiedene Experimente neue Staatsformen zur Weiterentwicklung der Demokratie erprobt. Erkenntnisse dar- aus werden umgesetzt. Diese ermöglichen der Regierung, sich auf die Arbeit des Regierens zu konzentrieren und sich nicht ständig den Medien gegenüber verantworten zu müssen. Die Menschen vertrauen der Regierung, da sie transparent arbeitet.
Die nationale Sicht insbesondere auf Budgets (Haushalt) und Unternehmen befindet sich in der Aufhebung. Der Gedanke „un- sere Nation muss wirtschaftlich wachsen“ weicht zugunsten einer gesamtglobalen Betrachtung. Budgets werden global vergeben. Gelder werden somit international aufgeteilt. Dadurch ist auch der Gedanke „wir sind reich, ihr seid arm“ nicht mehr so stark im Vor- dergrund. Die Perspektive auf die Entwicklung des eigenen Staates im Vergleich zu anderen Staaten, ist dem Blick auf die globale Ent- wicklung gewichen.
Der Rückgang der Geburtenrate in einigen Industriestaaten wird nicht als Nachteil gesehen. Im Gegenteil. Aufgrund des großen ökologischen Fußabdruckes wird es als notwendig empfunden, dass in den Wohlstandsnationen die Gesellschaft schrumpft. Modelle zum Ausgleich der negativen Folgen (z. B. Wohlstandsballung) sind entwickelt und finden Anwendung.
In der Gesellschaft findet eine Durchmischung der Völker statt. Die Menschheit sieht sich als Weltbürgertum mit individuell unterschiedlichen, kulturellen Wurzeln. Diese werden gegenseitig gewürdigt und geschätzt. Dadurch ist ein konstruktives Miteinan- der gewährleistet
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JAN MATHIAS ENGMANN
Student Politik- und Verwaltungswissenschaften
Menschen in Industrie- und Wohlstandstaaten sorgen gezielt für eine Verbreitung ihres Wissens in die Entwicklungsländer. Wobei darauf geachtet wird, dass die Verbreitung unter der Maxime der Nachhaltigkeit stattfindet. Dadurch können die Produktions- und Wirtschaftsweisen um ein deutliches Maß nachhaltiger gestaltet werden. Das bedeutet aber auch ein Abgeben von wirtschaftlicher Macht. Dies steht in Einklang mit der Aufhebung der national- staatlichen Betrachtung von Wirtschaftserfolg. Nicht nur das Geld und der Wohlstand haben eine Entzerrung über den Globus erfah- ren – auch das Wissen.
Globalisierung im Kleinen, Abgrenzung im Großen
Wenn ich darüber nachdenke, wie die Welt und das öffentliche sowie private Leben im Jahr 2050 aussehen wird, fällt mir zuerst auf, wie müßig so ein Unterfangen eigentlich ist. 2050 ist unglaub- lich weit weg und die Geschichte zeigt, dass in knapp 40 Jahren sehr viele, unvorhersehbare Dinge geschehen können. Doch das Schöne an Visionen ist, dass sie einen gewissen realitätsgenerieren- den Charakter besitzen und somit visionieren wir nicht nur, wir gestalten ganz konkret! Wie „gestaltet“ sich also meiner Meinung nach die Welt von jetzt + 40? Im Jahr 2050 bin ich 61. So würde ich wohl die Welt beschreiben und die Entwicklung seit 2011 zu- sammenfassen:
Global sind die Folgen der sich bereits 2011 abzeichnenden Verän- derung der Macht- und Ressourcenverteilung deutlich spürbar. Der Anstieg des Wohlstandes in China und Indien sowie die Knappheit und Ungleichverteilung von wertvollen Rohstoffen (seltene Erden, Öl und Gas), haben über die Jahre zu intensiven Verteilungskonflik- ten geführt, immer vor dem Hintergrund eines Konflikts zwischen den „westlichen“ postindustriellen Ländern und den asiatischen Ländern, die inzwischen zur Gruppe der postindustriellen Natio- nen zählen. Die Welt bietet nicht genug Ressourcen, um sowohl den asiatischen Nationen, als auch den westlichen Industrieländern den gleichen Wohlstand zu bieten, den Menschen in den USA, Japan, Frankreich und Deutschland im Jahr 2011 noch genossen
haben. Ein Anstieg des Wohlstandes in den ostasiatischen Ländern hatte ein Absinken des Wohlstandes in Europa und Nordamerika zur Folge – die beiden Regionen glichen sich an. Absehbar war das schon 2011, die Frage damals war, ob diese Angleichung konflikt- frei ablaufen würde. Wie zu erwarten, empfingen weder die eu- ropäischen noch die amerikanischen Bürger Einschnitte in ihren Lebensstil mit purem Altruismus und Weltbürgerdenke. Es kam zu Konflikten: viele in kleinem Rahmen, Verteilungskonflikte und „Stellvertreterkriege“, die sich vor allem um Ressourcen drehten. Die Befürchtungen vor dem Potenzial und den Folgen eines großen Konflikts, z.B. zwischen den USA und China, das 2025 den USA den Titel der führenden wirtschaftlichen und militärischen Welt- macht abgenommen hatte, wurden zwar oft bedrohlich ausgeführt, stellten sich aber glücklicherweise nie in der Realität zur Probe.
Die Rolle Europas in den nächsten 40 Jahren hing Anfang des Jahr- hunderts davon ab, ob die Staatengemeinschaft es schaffen würde, an einem Strang zu ziehen. Den Nationen der EU blieb jedoch mit Blick auf die geopolitische Entwicklung keine andere Wahl, als weiterhin nationalstaatliche Kompetenzen und Einfluss an die EU abzugeben, wollten sie durch die EU als globale Wirtschafts- und Militärmacht auftreten und zwischen China und den USA einen stabilisierenden Faktor darstellen. Die EU wandelte sich von einem Wirtschaftsbündnis hin zu einer Werte- und Identitätsgemeinschaft mit einer gemeinsamen und repräsentativen Regierung. Das bedeu- tet, dass die Welt sich in 40 Jahren in drei Zentren aufteilte: China/ Indien, Europa und ein von den USA geführtes panamerikanisches Wirtschaftsbündnis. Russland ist heute als privilegierter Partner an die EU gebunden. Afrika wird weiterhin als der abgehängte Konti- nent bezeichnet, obwohl sich die wirtschaftlichen und humanitären Bedingungen dort seit 2011 deutlich gebessert haben. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Produktion in Billiglohnlän- dern, wie China, aufgrund gestiegener Löhne, bereits 2035 keinen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der heimischen Produktion er- bracht hat. Diese Auslagerung von Herstellungskapazitäten hat sich nach Afrika verschoben und dort gleichzeitig zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Struktur geführt (wie es im 20. Jahrhundert in ehemaligen Entwicklungsländern passiert war).
Eine weitere Vernetzung und Zusammenarbeit der führenden Re- gierungen der Erde in den Institutionen, die im Jahr 2011 bekannt
Internationale Beziehungen
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Welche Rolle spielen in dieser tripolaren Welt die alten inter- nationalen Institutionen und Strukturen?
Mobilität
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waren (WTO, Weltbank), hat leider nicht stattgefunden. Nach einer schweren Krise in den 30er-Jahren hat es einzig die UNO geschafft, bis ins Jahr 2050 zu überleben. International binden- de Vereinbarungen werden in Ermangelung einer unabhängigen Durchsetzungsmacht immer noch nicht geschlossen. Zahnlos wie eh und je, können policy-entrepreneurs in der UNO nur darauf hoffen, dass ihr Vorhaben in den anderen beiden Blöcken der Welt, China/Indien und den USA auf Gegeninteresse stoßen. Die Frage über die Zusammensetzung des Weltsicherheitsrates, die 2030 zu den starken Spannungen geführt hatte, die die UNO in eine schwe- re Identitäts- und Akzeptanzkrise stürzten, ist inzwischen geklärt. Ein neuer Weltsicherheitsrat, der immer noch nach dem Einstim- migkeitsprinzip agiert und nun mit 20 demokratisch gewählten Sitzen alle Länder der Welt vertritt, ist zwar an die Stelle des al- ten Rates getreten. Seine Beschlüsse haben jedoch nur auf kleine Länder einen Einfluss. Bei Problemen zwischen den drei führenden Weltmächten ergeht es dem Weltsicherheitsrat wie der UNO – er ist ein zahnloser Tiger. Die Stabilität zwischen den großen drei ist jedoch kaum gefährdet, da durch die gestiegene globale Vernetzung von Wirtschaft und Bildung die Abhängigkeit der einzelnen Syste- me voneinander zu groß ist, als dass sich eine Seite unilateral von der anderen entfernen könnte. Jeder regionale Hegemon wird da- her in seiner „pareto-optimalen“ Position verharren.
Mobilität ist heute eine der Hauptanforderungen, sowohl des pri- vaten Alltags als auch des Berufslebens. Es ist praktisch nicht mehr nötig, für ein Meeting, eine Präsentation oder einen Vertragsab- schluss für einen Tag oder wenig mehr in eine entfernte Stadt oder sogar ins Ausland zu fahren oder zu fliegen. Was 2011 seinen An- fang nahm mit dreidimensionalem Kino hat heute viele Bereiche der Kommunikation erobert: für ein Meeting setzen sich die Teil- nehmer eine Brille auf. Spezielle Räume in allen Unternehmen, die dieses standardisierte System verwenden, ermöglichen dann den Teilnehmern der Konferenz, mit den anderen Teilnehmern zu in- teragieren, als befänden sie sich in einem gemeinsamen Raum.
Das ist ein Grund, warum der nationale und internationale Fernverkehr abgenommen hat. Ein anderer ist, dass sich Fliegen zuerst durch staatliche Preisregulierung und später aufgrund des Treibstoffmangels enorm verteuert hat. Die großen Fluggesellschaf- ten haben es verpasst, sich rechtzeitig auf alternative Antriebsme- chanismen einzustellen und in der Übergangsphase hat sich die
Wahrnehmung der Menschen hinsichtlich des Fliegens geändert: Geflogen wird nur noch, wenn es unbedingt notwendig ist. Der Fernverkehr hat sich vor allem auf die Schiene verlegt. Da die Öko- bilanz hier schon immer die beste aller Verkehrsmittel war, trifft dieses Verkehrsmittel auch die Wertevorstellungen der Verbraucher. In deren Bewusstsein hat nach den großen humanitären Katastro- phen und Klimakatastrophen der 20er Jahre, klimaneutrales Han- deln als zentraler Wert Einzug gefunden.
Wettbewerbsstärkende Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Anbieter von Mobilität auf der Schiene sich neuen, starken Kon- kurrenten (vor allem auf der Straße: Busunternehmen) gegenüber- sehen.
Zukunft — Die ganz große Chance
Heute die Schritte für morgen machen. Wir müssen präventiv handeln!
Meine Vision ist, dass wir in einem Land leben werden, in dem die Chancengleichheit einen größeren Stellenwert hat. Frauen wie Männer werden 2050 nicht gleich, jedoch gleichberechtigt und gleichwertig sein. Genauso wird es 2050 in Deutschland kein Leben mehr nebeneinander geben, sondern viel mehr miteinander. Der Mensch erkennt die Wichtigkeit des Miteinanders und wird nicht mehr wie ein „Homo Oeconomicus“ handeln. Durch die Vielfalt der Menschen wird Deutschland bereichert werden. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich bestmöglich zu integrieren. Deshalb wird es 2050 ein Netzwerk geben, das auf lokaler Ebene die Hilfe unter- einander vernetzt. Meine Vorstellung von Integration ist, dass alle gleich behandelt und vor allem gleich akzeptiert werden.
Bis 2050 wird man dem demographischen Wandel der stetig sin- kenden Kinderzahl entgegen gewirkt haben – durch optimale Staatsförderung derjenigen, die Kinder haben. Es wird die Mög- lichkeit für jeden geben, die Kinder kostenlos in Kindertagesstätten unterzubringen. Dort ist für sie optimal gesorgt. Der Staat und die
CHARLOTTE ERASMUS
Schülerin Wirtschaftsgymnasium
Unsere Zukunft
Unsere Gesellschaft
Individuum Mensch
Betriebe werden sich diese Kosten teilen; unter Kostenbeteiligung der sehr gut Verdienenden. Die Betriebe können ihre qualifizierten Mitarbeiter behalten und gleichzeitig die Innovationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter stärken, da diese wissen, dass ihre Kinder gut versorgt sind. Dies wiederum ist nachhaltig positiv für den Staat, da da- durch der Nachwuchs gefördert wird, der für jede Gesellschaft eine tragende Säule ist.
Die Gesellschaft braucht Kinder. Sie sind es, die einem Land Auftrieb und neuen Schwung verleihen!
Gesellschaftlich gesehen wird Deutschland die Möglichkeit haben, durch transparente Aufklärungspolitik, nachhaltig zu handeln. Die wichtigste Voraussetzung, um eine Gesellschaft zum nachhaltigen Handeln zu bewegen, besteht für mich in der Prävention. Dabei denke ich an Aufklärung über nachhaltiges Handeln von Kindes Beinen an.
Der Mensch ist allgemein zufriedener, da die Betriebe sehr gute Vo- raussetzungen geschaffen haben, um die Menschen als Individuum optimal zu fördern. Sie fördern sie ganzheitlich. Damit sind zusätz- liche Angebote durch den Betrieb zur Förderung der Gesundheit, der Fitness sowie kulturelle Angebote gemeint. Durch regionale Mahlzeiten in der Kantine wird die Ökologie gestärkt. Somit kann der individuelle Mensch vor Ort regional nachhaltig und bewusst leben. Diese Veränderung wird dazu führen, dass der Mensch im Allgemeinen ausgeglichener ist und somit ein optimales Arbeitskli- ma für die Arbeitnehmer geschaffen ist.
Assoziatives Wirtschaften steht im Vordergrund der Betriebe. Dies ermöglicht ein optimales Miteinander von Konsumenten, Händ- lern wie Produzenten. Somit ist für ein gutes Einkommen für alle gesorgt.
Wie aber kommen wir zu einer gesamt-gesellschaftlichen Visi- on? Es muss ein generationsübergreifender Dialog stattfinden, aus dem starke, mündige und verantwortlich handelnde Bürger hervor- gehen.
Das Ausschlaggebende hierfür ist, „die Menschen dort abzuho- len, wo sie stehen“. Alte wie Junge müssen motiviert werden, über die Zukunft – und wie man sie nachhaltig gestalten kann – nach- zudenken. Dabei denke ich an bereits lokal vorhandene Netzwerke. Diese sollen die Menschen in der Region durch Kampagnen dazu
bewegen, sich aktiv ins Geschehen einzumischen. Unter Jung und Alt soll ein Austausch stattfinden, durch den sich eine lokale Vision herauskristallisieren wird. Die lokalen Visionen werden zu regiona- len Visionen zusammengefasst usw. bis hin zu einer Gesamtvision für Deutschland, Europa und weltweit. Dadurch, dass die Men- schen dazu angestoßen worden sind, über die Zukunft nachzuden- ken, werden sie ihr Wissen und ihre Tatkraft verbreiten. Somit wird die ganze Sache zum „Selbstläufer“ und es entsteht eine „Gesamt- gesellschaftliche Vision“. Dabei wurde das Individuum beachtet. Eine Gesamtgesellschaftliche Vision braucht Kraft, wie eine Pflan- ze. Man muss sie gut pflegen, dann wird sie vom anfangs kleinen Keimling zur kräftigen und voll blühenden Pflanze. Dies benötigt zwar etwas Zeit, doch der Aufwand lohnt sich. Denn wie möchte man etwas voran bringen, wenn die Mehrheit nicht mitzieht? Des- halb sollte das Prinzip Bottom-up statt Top-down lauten.
Die soziale Großfamilie ersetzt die genetische Familie
Ich wünsche mir für 2050, dass die Menschen auf der Erde bis dahin ein starkes Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt haben, bezie- hungsweise die Dringlichkeit nachhaltiger Politik und nachhaltigen individuellen Handelns realisiert haben, da es bis dahin schon zu spät sein könnte. Meine größte Angst ist, dass die Menschen in den Industrieländern, die der Klimawandel bis 2050 voraussichtlich am wenigsten getroffen haben wird, weiterhin egoistische Interessen in den Vordergrund stellen und so Konsequenzen verursachen, die im Endeffekt am meisten ihren eigenen Kindern schaden.
Vor diesem Hintergrund beinhaltet meine Vision zwei Haup- taspekte:
Erstens, die Rückbesinnung zur Wichtigkeit von Familie, ge- rade im Hinblick auf Themen wie Generationengerechtigkeit und effizientere Altersvorsorge. Die Menschen auf der Erde müssen ver- stehen, dass wir trotz all der modernen Technologie, die uns nur scheinbar die Gesetze der Natur aushebeln lässt, weiterhin den Re- striktionen der Natur unterliegen: Ein Hauptzweck unserer Exis- tenz ist die Fortpflanzung, das Kinderkriegen. Dies hat scheinbar
Nachhaltiges Wirtschaften
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MARIUS FABER Student Volkswirtschaftslehre
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stark an Stellenwert eingebüßt mit dem historisch gesehen exorbi- tanten Wirtschaftswachstum im letzten Jahrhundert. Dabei erfüllt das Kinderkriegen einen ganz pragmatischen Zweck: Den der Al- tersversorgung. Es gibt keine effizientere Lösung der Altersversor- gung, als die Rückbesinnung zu familiären Pflichten.
Zweitens hängt mit dem Aspekt des Kinderkriegens ein ande- res wichtiges Thema zusammen. Ich denke, dass das Bewusstsein für den Klimawandel und die Bereitschaft, etwas dagegen zu un- ternehmen, stark damit zusammenhängt, ob man Kinder hat oder nicht. Daher führt eine Entwicklung hin zur Familie und weg vom autonom lebenden Karriere-Single zwangsläufig zu einem erhöhten Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung. Dadurch könnte erreicht werden, dass die ärmsten Menschen auf der Welt, die zwangsläufig am härtesten vom Klimawandel getroffen werden, mehr Unterstüt- zung aus der entwickelten Welt erfahren.
Es geht mir zusammenfassend darum, Anreize für egoistisch han- delnde Menschen in Industrieländern zu schaffen, sodass im End- effekt die Menschen in ärmeren Teilen der Welt heutzutage und unsere Kinder und Enkelkinder in Zukunft, davon profitieren kön- nen.
Um dieses Ziel zu erreichen müssen wir es schaffen, den Wunsch des Kinderkriegens in Deutschland zu fördern und wer- denden Eltern eine Perspektive zu bieten, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen. Heutzutage ist es nicht mehr so, dass die verschiedenen Generationen einer Familie unter einem Dach leben und sich so gegenseitig helfen können. Die Rolle der Großeltern ist jedoch sehr wichtig, wenn es darum geht, den Eltern, die noch mitten im Berufsleben stehen, gewisse Aufgaben bei der Betreuung des Kindes abzunehmen. Ich wünsche mir daher eine Kultur der „sozialen“ Familie, die die „genetische“ Familie komplementieren kann. Es sollte gefördert werden, dass verschiedene Generationen in einem Haus leben, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die „frem- den“ Großeltern können so auf die Kinder aufpassen, während die Eltern arbeiten; im Gegenzug können die jüngeren Generationen im Haus die körperlich anstrengenden Aufgaben übernehmen und so die ältere Generation unterstützen. Dieses Prinzip hat sich über Jahrhunderte bewährt und sollte in unserer mobilen und globali- sierten Welt nicht untergehen. Daher ist es wichtig, sich auf das Prinzip der Großfamilie zurückzubesinnen, um nachhaltiger und effizienter zusammen leben zu können.
Energie — woher soll diese 2050 kommen?
Unsere Visionen sind ganz persönliche Visionen, Visionen, die unrealistisch sein können, aber ebenso gut sehr realitätsnah. Das hängt unter anderem vom Thema ab. Ich wähle ein Thema, das mir persönlich sehr realistisch und durchsetzbar erscheint.
Zunächst möchte ich meine Zukunftsidee eingrenzen bzw. klassi- fizieren. Meine Vision ist sehr real und vor allem notwendig. Sie betrifft mein Leben aber genauso das Leben vieler Milliarden Men- schen. Es ist nicht nur für eine spezielle Gruppe in unserer Gesell- schaft, sondern es betrifft jeden Menschen auf diesem Planeten. Ohne eine radikale und rasche Änderung in der Energieversorgung geht unsere Welt zugrunde. Das jedenfalls ist meine Befürchtung. Nicht nur meine eigene Angst, sondern auch der Anspruch, etwas zu ändern, gaben mir dieses Thema. Meine Vision ist nicht uto- pisch, sondern realistisch.
Es ist schwierig, eine Idee zu entwickeln, die schon viele vor mir aufgestellt haben. Es wird schwer sein, etwas Neues hinzuzufügen. Meine Vision zielt mehr darauf ab, etwas Bestehendes zu unterstüt- zen und meine Ideale zu verfolgen.
Meiner Meinung nach sind die regenerativen Energien das Nonplusultra für die Zukunft. Dennoch gibt es immer wieder Ge- genargumente. Häufig genannte Kritikpunkte sind die fehlende Speichertechnik oder auch die umweltschädigende Herstellung von Photovoltaik Modulen. Dem kann ich nur entgegen setzen, dass dies alles verschwindent gering ist, betrachtet man die Risiken der Atomenergie oder den CO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken. Die Erneuerbaren sollten sich nicht beweisen müssen. Sie können noch gar nicht alle Fragen beantworten und alles erfüllen, zuerst muss investiert werden und die neue Energienutzung durchgesetzt wer- den.
Es gibt bereits genügend realistische Konzepte und Ideen zur Verwirklichung dezentraler Energieversorgung. Diese verschiede- nen Ansätze sollten auf Wirtschaftlichkeit, Machbarkeit etc. ge- prüft werden und dann politisch durchgesetzt werden. Das Know- How ist da, es dürfte also keine Zweifel mehr geben. Dies kann nur durch das Sprachrohr der Politik geschehen und durch die Einbin- dung neuer Gesetze ähnlich wie das EEG.
MAREN FLOHREN
Messe- und Ausstellungs- organisation bei einem Solarhersteller
Unsere Zukunft 100% Erneuerbare: Deutschland und die Welt
„Ich bin mir absolut sicher, der Zeitpunkt wird kommen, zu dem auf dieser Erde nur noch die Energien der Sonne genutzt werden und keine andere“ (Zitat Dr. Hermann Scheer).
ANNA GERLACH
Studentin Betriebswirtschaftslehre
Atomare und fossile Energie wird es irgendwann nicht mehr ge- ben. Ich hoffe, dass das schon im Jahr 2050 so ist und möchte meinen Anteil dazu beitragen. Daher ist Partizipation, Informati- on und Kommunikation unabdingbar. Jede/r von uns kann sich engagieren, eine Wartehaltung an die Politik ist inakzeptabel und führt nicht zu Veränderung. Wie wir gestern gehört haben, muss die Partizipation von unten kommen. Wir können uns nicht nur beschweren und erwarten, dass die Bundespolitik das durchsetzt, wofür wir stehen. Eigeninitiative ist gefragt und je mehr Leute diese zeigen, desto besser. Das kann auf ganz einfachem Wege geschehen: das Unterschreiben von Petitionen, die Teilnahme an einer Demo oder die Kommunikation im Freundeskreis.
Meine Vision ist eine bessere Welt mit sauberer Energie ohne Kriege um Öl oder andere endliche Ressourcen. Das sollte bis 2050 realisiert sein!
Verständnis für Nachhaltigkeit aller Wirtschaftssubjekte
2050 wird eine nachhaltige Denkweise und das damit verbundene Handeln aller Wirtschaftssubjekte fest in deren Denkmuster veran- kert sein. Dies ist das Ergebnis einer klaren und kontinuierlichen Vermittlung und Integration des Themengebietes der Nachhaltig- keit in den Bildungssystemen, denn die Kinder sind die Entschei- der von Morgen. Deshalb müssen sie in ihrer Lern- und Prägungs- phase mit dem Nachhaltigkeitsgedanken vertraut gemacht werden. Es muss also das langfristige Denken bzw. eine Weitsicht und die damit verbundene Erkenntnis, dass zur Sicherung der eigenen Le- benssubstanz die Beziehung zur Umwelt kontinuierlich geprüft und hinterfragt werden muss, gefördert werden.
Wobei Themen der Nachhaltigkeit nicht nur Umweltbelange einschließen, sondern auch soziale und ökonomische Gesichts- punkte aufgreifen und diese gleichbedeutend und nicht-substitu- ierbar nebeneinander stellen sollten.
Im ökonomischen Bereich werden Unternehmen Strategien entwickeln, die auf der Erkenntnis und dem Bewusstsein beru- hen, dass neben der Zweckverfolgung auch der Erhalt der über-
betrieblichen Ressourcensubstanz und damit die langfristige Be- standssicherung des Unternehmens von entscheidender Rolle ist. Zielsetzungen der Unternehmen werden sowohl den effizienten Ressourcenverbrauch, als auch den Einsatz für den Ressourcen- nachschub umfassen. Hierzu wurden Themen wie Recycling, Stoffwirtschaft, umweltfreundliche Produkte und erneuerbare En- ergien weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang wird 2050 der Großteil von Unternehmen in sogenannten Eco-Industrial Parks (ökologische Gewerbegebiete) angesiedelt sein. In solchen ökolo- gischen Gewerbegebieten kooperieren die dort angesiedelten Un- ternehmen eng zusammen. Sie erhalten ihre benötigten Energien aus gemeinschaftlichen, aus erneuerbaren Energien bestehenden, Energiezentren. Zudem haben die Unternehmen ein gemeinsames Abfallmanagement. Der Abfall eines Unternehmens ist der Input eines anderen Unternehmens, sodass ein Stoffkreislauf entsteht.
Die Erkenntnisse und das Know-How der Industriestaaten auf diesen Gebieten wurden an die Entwicklungsländer weitergeben, sodass diese Länder in ihrer Entwicklung und ihrem Wachstum Prinzipien der Nachhaltigkeit verfolgen.
2050 wird nachhaltiges Handeln nicht mehr nur Nebenpro- dukt und Alibimaßnahme sein, sondern gleichberechtigt neben anderen Rationalitäten von Unternehmen und anderen Wirt- schaftssubjekten stehen.
Nachhaltigkeit als Lebenseinstellung
Ausgangspunkt für meine Vision ist das Umdenken der Gesell- schaft: Nachhaltiges Handeln als Lebenseinstellung aller Men- schen. Das ist meines Erachtens der zentrale Faktor auf dem Weg in eine nachhaltige Welt.
Denn erst wenn sich jeder Einzelne für seine Mitmenschen und das Zerstören unserer Welt verantwortlich fühlt und sich unmit- telbar bewusst ist, wie sein/ihr Verhalten die Umwelt positiv oder negativ beeinflusst und sein/ihr Verhalten danach ausrichtet, kann sich wirklich etwas ausschlaggebend ändern. Von klein auf müssen wir mit dieser Wahrheit konfrontiert werden. Sie darf nicht mehr Nebensache sein, die uns selbst nichts angeht. Nachhaltig darf aber
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KATHARINA GOETZELER
Schülerin
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nicht bedeuten, die Lebensqualität der Menschen deutlich einzu- schränken.
Wichtig ist auch, dass die sozialen Unterschiede in der Welt berücksichtigt werden. Das heißt, entwickelte Länder müssen in ihrer eigenen Verantwortung mehr Beitrag zur Nachhaltigkeit leis- ten und Schwellen- und Entwicklungsländer sollten sich mit Un- terstützung der anderen von Anfang an nachhaltig entwickeln.
In meiner Vision für 2050 sehe ich eine Welt, in der Nachhaltig- keit neben Deutsch und Mathematik ein wichtiges übergreifendes Schulfach ist. Schon früh wird Kindern die Wichtigkeit des Um- weltschutzes und der friedlichen und interkulturellen Zusammen- arbeit nahegelegt. Jedem Kind wird die Möglichkeit gegeben, seine Stärken zu entdecken und diese werden während seiner Schullauf- bahn aktiv gefördert und unterstützt. Dadurch kann jeder in seiner späteren Aufgabe optimal zu einer nachhaltigen Welt beitragen. Durch größtenteils selbständiges Lernen statt Frontalunterricht wird den Schülern viel Verantwortung übertragen. Die hauptsäch- lich individuelle Gestaltung des eigenen Stundenplans nach seinen eigenen Interessen führt zu hoher Leistungsmotivation.
Nachhaltigkeit ist in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Jeder Einzelne hat Verantwortung für sein Handeln übernommen. Niemand schiebt sie mehr von sich mit den Worten: „Was kann ich allein schon erreichen?“. Das Erhalten unserer Erde ist das zentrale Bestreben der gesamten Menschheit geworden.
Das führte zu einem höheren Bewusstsein im Konsum von Gütern sowie Nahrungsmitteln. Da jedes Produkt zum Beispiel verpflichtend auf seiner Verpackung die Größe seines CO2-Fuß- abdruckes angibt, konnten Verbraucher sich bewusst gegen nicht nachhaltige Produkte entscheiden und machten diese so unrenta- bel.
Außerdem hat das neue Verantwortungsbewusstsein der Bevöl- kerung zur Folge, dass man bei Fahrten in der Umgebung das Elektroauto benutzt oder für Kurzstrecken grundsätzlich auf das Fahrrad steigt, sich zu Fahrgemeinschaften zusammenschließt und ansonsten größtenteils den ÖPNV nützt. Das Smart Grid opti- miert den privaten Energieverbrauch u.a. für Haushaltsgeräte, oder Elektroautos.
Soziales Engagement hat einen viel höheren Stellenwert in der deutschen Gesellschaft als noch im 20. Jahrhundert. Es wurde in
der Schule, Universität sowie in der Arbeitswelt Raum für soziales Engagement geschaffen. Jeder will sich in die Gesellschaft einbrin- gen und sie durch Eigeninitiative unmittelbar verbessern. Um dies zu erreichen ist jeder informiert und politisch aktiv, um so an der Gestaltung unserer Zukunft mitzuwirken.
Sternzeit 205003241530
Berlin, Sternzeit 205003241530, Potsdamer Platz. Die Sonne scheint auf mein Gesicht. Gerne blicke ich zurück in das Jahr 2011, als ich noch mit einem visionären Blick in die Zukunft geschaut habe. Nicht, dass ich das jetzt nicht auch noch tun würde, doch so manch eine Vorstellung von Technologien etc. bleibt einem in meinem Alter verwehrt. Sogleich ist eine der wichtigsten Diszipli- nen, die ich gelernt habe, dass man sich nicht um alles kümmern kann. Eine Vision von allem, ein europäisches oder gar Weltmo- dell der Zukunft … wer hätte das nicht gerne. Übrig bleibt eine Entwicklung, bei der man sich nur allzu gerne vorstellen würde, dass allein unsere Visionen damals dafür ausschlaggebend gewesen wären. Doch so funktioniert das System nicht. Der Druck muss von der Gesellschaft kommen, hieß es damals so schön, wer hätte geahnt wie recht wir mit dieser Aussage hatten. Allein dass äußere Umstände die Menschen erst bewegen diesen Druck auszuüben, schmälert die Tatsache, dass sich wirklich was verändert hat. Inte- grationsproblematik haben wir das damals genannt, was heute ohne Probleme funktioniert. Im Berufs- sowie im Alltagsleben befinden wir uns heute in einem vielfältigen Mischmasch aus Kulturen. Die drei chinesischen Wörter, die ich mir damals über einen Sprachkurs mühsam eingeprägt habe, sind mittlerweile Bestandteil jedes Kin- dergartenbuchs. Was nicht zuletzt daran liegen mag, dass China oder vielmehr der ganze asiatische Raum viel mehr an Bedeutung für die heutige Welt gewonnen hat. Nicht, dass das früher nicht so gewesen wäre, an jedem technischen Gerät stand „Made in China“ oder „Made in Taiwan“, aber die Machtkonstellationen haben sich dennoch deutlich verschoben. Nicht zuletzt aufgrund der Weltkli- makonferenz, in der beschlossen wurde, allen Staaten das gleiche Stimmrecht zu geben und sich die Inselstaaten eine Strategie ha-
SARAH GÖTTLICHER
Trainee im Klimaschutz- programm eines Logistik- konzerns
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ben einfallen lassen, die selbst die damals mächtigsten Wirtschafts- mächte zu einer einheitlichen CO2-Steuer, sowie der Errichtung eines Klimafonds bewegt haben. Mit diesem Fond versucht die europäische Regierung momentan die Wasserproblematik in den Griff zu bekommen. Nachdem in den drei „burning years“ nach 2020 die Süßwasserreserven auf der Welt deutlich zurückgegangen sind, bezahlen wir einen so hohen Preis für Wasser, dass es schon fast als Luxusgut gesehen wird, sich im Haus eine Badewanne ein- bauen zu lassen. Immerhin wird die Umsetzung der so genann- ten „Smart Houses“ mittlerweile staatlich begünstigt. Mit meinen privatinvestorischen Anteilen an den Technologieherstellern sowie den Einbauern freut mich das natürlich besonders.
Heimat. Sternzeit 205003251120, Wohnzimmer. Ein Blick aus meinem Fenster sagt mir, dass ich das Wasser nachfüllen muss. Es ist fast wie damals bei meinen Großeltern zu Hause. Wir fan- gen Regenwasser auf, um es anschließend durch die hauseigene Reinigungsanlage von allen möglichen Keimen und Bakterien zu befreien. Wenn nicht ständig ein wenig Wasser in den Wassertanks vorhanden ist, kann es mitunter passieren, dass man über einen längeren Zeitraum kein eigenes Trinkwasser mehr produzieren kann, was zu erheblichen Kosten führt. Doch genug davon. Ich will lieber noch ein wenig von meiner Vision erzählen. Ich denke, dass wir viele der damaligen Probleme heute durch Kommunikati- on gelöst haben. Natürlich haben wir auch heute noch Probleme, sind zum Teil nicht mit den Entscheidungen unserer Regierungen einverstanden, usw. Dennoch hat es zu einem großen Verständnis beigetragen, in der Politik wie in der Wirtschaft eine Quote in den Aufsichtsgremien einzuführen. Eine Quote die besagt, dass aus al- len Bevölkerungsschichten und Altersklassen jeweils Vertreter ein- gebunden werden müssen, um die Stimme des Volkes einzufangen. Das, was wir damals in Berlin vorgelebt haben, würde ich heute fast schon als Referenzmodell bezeichnen. Die Öffnung der Wirtschaft sowie der Politik der Gesellschaft gegenüber, hat viele Einsichten verbessert. Homo oeconomicus steht heute in Geschichtsbüchern. Nicht dass die Wirtschaft nicht nach Gewinn streben würde, denn wenn sie das nicht tun würde, wo sollte sie dann hinwachsen, allein dass dieser Gewinn heutzutage anders definiert wird, das macht den Unterschied. Schade allerdings, dass die Menschheit erst durch ver- schiedene Naturkatastrophen wieder auf ihre ursprünglichen Sinne des Mit- und Füreinander aufmerksam gemacht werden musste. Hoffentlich werden wir in der Zukunft das niemals vergessen!
40 Jahre Zeit für eine bessere Welt!
Meine Vision für das Jahr 2050 muss etwas Realistisches haben, aber auch etwas nicht so Realistisches, gar etwas Utopisches. Denn nur große, fast schon übermütig wirkende Visionen haben das Zeug dazu, real zu werden. Nur wer anders denkt als andere, höher und weiter, der wird es schaffen.
Denn in Zeiten von Atomkraftwerken, Naturkatastrophen und Hungersnöten muss auch uns klar sein, dass wir keine Zeit mehr haben, tief zu stapeln. Wir müssen anfangen einzusehen, dass nicht wir die Welt regieren, sondern die Welt bzw. Natur uns. Es ist die Zeit etwas Größeres zu wollen, etwas Besseres für die nach- folgenden Generationen unserer Erde. Deswegen setze ich mich besonders ein für:
(1.) Nachhaltige Politik – Nachhaltige Politik muss sich vor allem gegen Ungleichheiten von Arm und Reich, extreme Armut, Chan- cenlosigkeit, Chancenungleichheit, mangelndes Bildungsangebot, Ungerechtigkeiten jeglicher Art, Rechtsextremismus auflehnen und nicht die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer werden las- sen. Denn diese Probleme unserer Gesellschaft führen zu Resigna- tion und Frustration, zu Wut und Hass und somit zu einer Gefahr für die Demokratie.
(2.) Nachhaltige Studienbedingungen – Nachhaltige Studienbedin- gungen sollten in Zukunft Mindeststandards in der Arbeitsgesetz- gebung und geänderte Arbeitszeitgesetze leisten können. Eine op- timale Förderung der Studenten muss gewährleistet werden, denn diese jungen Menschen sind unsere Zukunft.
(3.) Nachhaltige Energien – Wir sollten, um uns und unsere Erde zu schützen, endlich beginnen, all unsere Überzeugungen in re- generative Energien zu setzen, wie Solarenergieerzeugung, Wind- energieerzeugung und Wasserenergieerzeugung. Was Atomkraft- werke mit unserer Erde und uns Menschen anrichten kann, muss ich wahrscheinlich in Anbetracht des schrecklichen Ereignisses in Japan nicht mehr erklären. Ein Restrisiko ist nun mal auch ein Risi- ko, was uns alle vernichten kann. Also gilt für meine Vision: Atom- kraftwerke abschalten und Konzentration der Atomforschung auf eine sichere Verwahrung des vorhandenen Atommülls.
MAREIKE GRAF
Studentin Anglistik und Politikwissenschaften auf Lehramt
(4.) Weltfrieden – Weltfrieden muss unser aller Ziel sein. Wir müs- sen für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung sorgen, Völkerrechte durchsetzen, bessere und friedliche Diplomatie betreiben und die Bundeswehr nicht für Kriegseinsätze stellen. Wir müssen es schaf- fen, den Frieden herzustellen, zu bewahren und zu sichern. Ein erster Schritt, wie ich finde, war, dass Deutschland sich aus den Kriegsgeschehnissen in Libyen raushielt, aber ein umso ungeheuer- licherer Schritt war es, dass die Alliierten sich für einen Kriegsein- satz ausgesprochen haben.
Als angehende Lehrerin liegt mir natürlich die Bildung unserer Kin- der besonders am Herzen. Wir müssen es schaffen, soziale Gleich- heit aufzubauen und Ungerechtigkeiten zu minimieren. Das Ziel – auch für meine berufliche Karriere – ist, Chancengleichheit zu schaffen. Nur wenn wir bei unseren Kindern anfangen, können wir die Schere zwischen der Ober- und Unterschicht schließen und so vielleicht irgendwann in Einklang mit unseren Mitmenschen und der Natur leben.
Vision_2050_Nachhaltigkeit als Selbstverständlichkeit
Das Jahr 2050 ist zum heutigen Zeitpunkt noch eher diffus und weit in der Ferne liegend. Natürlich würde ich mir für 2050 eine gerechtere und umsichtigere Welt wünschen. Parallel dazu sollte unserer Gesellschaft bewusst sein, dass aktuelle Entscheidungen und die Umsetzung dieser sowohl lokal als auch global Auswirkun- gen auf die Zukunft nachfolgender Generationen haben.
Was bedeutet es eigentlich eine Vision zu haben? Ist eine Vision per se etwas Gutes, Positives und Optimistisches oder finden sich darin nicht ebenso negative, pessimistische Perspektiven wieder?
Denn würde ich den heutigen Ist-Zustand weiter schreiben, dann „visioniere“ ich nichts Gutes: Der demographische Wandel hat 2050 seine Spuren in der Gesellschaft merklich hinterlassen. Ländliche Regionen sind verwaist, Häuser verfallen, Straßen leer – Städte dagegen überbevölkert. Alte Menschen sind sich vielfach selbst überlassen oder müssen in überfüllten, anonymen Pflegeein- richtungen ihre letzte Lebenszeit verbringen. Viele sind verarmt und finden sich am Rande der Gesellschaft wieder.
Durch die wahnsinnige Ressourcenausbeutung nehmen Kli- maerwärmung und Klimakatastrophen zu, sodass ganze Landstri- che verwüstet und nicht mehr bewohnbar sind.
Die (Welt-)Gesellschaft hat sich zu einer Zwei-Klassen-Gesell- schaft entwickelt. Soziale Ungleichheit zeigt sich in vielen Berei- chen des Lebens. Wer über finanzielle Möglichkeiten verfügt, kann sich Bildung, Kultur und eine gesicherte Existenz (u.a. Sozialversi- cherung) leisten. Viele andere hingegen leben weltweit sozial ver- armt am Existenzminimum und haben aufgrund ihrer Herkunft kaum Chancen und Möglichkeiten einen Weg daraus zu finden. Diskriminierung und Marginalisierung prägen das gesellschaftliche Miteinander – Vorurteile, Terrorismus, Angst und Abschottung sind gegenwärtig. Diese Vision ließe sich auf diese Weise wohl noch weiter denken.
Doch da ich die Hoffnung habe, dass Menschen selbstbestimmt handeln und sich wandeln können, hoffe bzw. erwarte ich Verän- derung; denn aus dem gegenwärtigen Zeitpunkt betrachtet, muss ein Wandel erfolgen.
THERESA GRAPENTIN
Studentin Erziehungswis- senschaften
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So setze ich Erwartungen an mich, an unsere Gesellschaft, an die Politik und insbesondere auch an die Wirtschaft.
Folglich schließt das Wort Vision für mich etwas Traumhaftes, Phantastisches, aber auch ein wenig Ängstlichkeit bzw. Unsicher- heit ein – etwas, was zum momentanen Zeitpunkt noch nicht greif- bar erscheint und dennoch eine schöne, optimistische Wunschvor- stellung in sich birgt.
Es ist der Weg, der Prozess, der diese Vision umsetzbar bzw. gestaltbar macht. Wie das Leben, so wird sich auch die Vision wan- deln und andere Schwerpunkte entwickeln. Und dennoch ist es wichtig in kleinen Schritten gemeinsam zu beginnen.
Nun befinden wir uns im Jahr 2050 und werfen einen Blick auf die vergangenen Jahre. Die kleinen Schritte wurden zu großen und so hat sich vieles verändert.
Nachhaltigkeit spielte bei der Umsetzung dieser Vision eine tra- gende Rolle. Um Kinder für das Thema und den Gedanken der Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, wurde Bildung für nachhaltige Entwicklugn (BNE, sozial, ökonomisch und ökologisch) in der Erzieher- und Lehrerausbildung, aber auch im Wirtschaftsbereich, inhaltlich involviert. Transparenz und eine einheitlichere (weltwei- te) Definition wurden damit notwendig. Es ging dabei um die Be- wusstmachung, was der Mensch im Alltag für sich und seine Um- welt im weitesten Sinne tun kann.
Der Idealfall ist eingetreten: Der Gedanke der Nachhaltigkeit hat sich im Jahr 2050 selber abgeschafft, da er zum Selbstverständnis, zur Realität geworden ist. Die Grundforderungen des Prinzips der Nachhaltigkeit sind nicht mehr primäres Thema, sondern ein Grundsatz, nach dem die Menschen weltweit handeln.
Im Jahr 2050 gibt es ein lebenslanges staatlich-finanziertes Bil- dungskonto, welches Kindern von Beginn an Bildungs- und Chan- cengleichheit garantiert. Dieses Konto wird dann u.a. auch durch die Benutzer selbst refinanziert.
Die deutsche Politik investierte verstärkt in Bildung und ist nun nicht mehr nur „Wirtschaftsriese“, sondern auch „Bildungsriese“. Demnach wurde erkannt, dass Bildung Wissen, Partizipation und Innovation schafft. Dies führte auch zu einer Wiederbelebung der demokratischen Strukturen mit einer stärkeren Bürgerbeteiligung.
Gleichzeitig wurde so sozialer Ungleichheit entgegengewirkt. Dabei wurde aber im Blick behalten, dass nicht schon im Kindesal- ter „Höchstleistungsmaschinen“ herangezogen werden.
Menschen leben in Mehrgenerationenhäusern und den unter- schiedlichsten Familienformen zusammen – die Jungen lernen von den Alten und umgekehrt. Sie werden in ihrer kulturellen und ethnischen Vielfalt anerkannt und akzeptiert. Der „Andere“ macht keine Angst, sondern wird als Teil des Eigenen bzw. als Chance begriffen. Von Integration spricht heute niemand mehr.
Zudem gibt es ein Grundeinkommen, welches den in Deutsch- land lebenden Menschen ein würdiges Leben ermöglicht. Da- mit ging ein Paradigmenwechsel einher: Eine Identifikation bzw. Selbstverwirklichung über die Erwerbsarbeit entfiel zunehmend. Ehrenamtliche Arbeit, bürgerschaftliches Engagement und gesell- schaftliche Verantwortung spielen nun die Hauptrolle und erfahren größere Anerkennung (z.B. bei der Pflege und Erziehung).
In den Regionen, die stark vom demographischen Wandel betrof- fen sind, wurden die existierenden Ressourcen erkannt und genutzt, sodass einer Abwanderung entgegengesteuert werden konnte und sich neue bzw. nachfolgende Generationen ansiedelten.
Hier wurde bspw. ein vermehrter regionaler Austausch unter- einander geschaffen: Betriebe, Schulen und Dienstleister vernetzten sich, um voneinander zu „profitieren“ und miteinander zu lernen. Interkulturalität und Internetkommunikation stellten dabei wich- tige Impulse dar.
2050 leben wir von erneuerbaren Energien – der Atomausstieg ist geschafft, die CO2-Emissionen reduziert. Regionale Produkte fin- den sich in den Supermärkten und werden von uns selber wieder vermehrt angebaut. In den Städten gibt es zunehmend – wie sie im Jahr 2011 schon beispielhaft in China existierten – Dachgärten, die zur Luftverbesserung beitragen und landwirtschaftlich genutzt werden. Wir bewegen uns mit Fahrzeugen, die wenig Energie benö- tigen (Beschleunigung durch Magnetkraft) und sind wieder mehr auf das Fahrrad umgestiegen. Der öffentliche Nahverkehr ist um- weltverträglich ausgebaut und ländliche Regionen besser erschlos- sen.
Der Mensch hat gelernt, sich nicht mehr über die Natur zu er- heben. So hörte beispielsweise schon vor 25 Jahren die Abholzung des Regenwaldes auf.
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Die Finanzmärkte richten sich heute nach einer realen Wirtschaft- sentwicklung und nicht mehr nach den Spekulationen weniger einflussreicher Finanzanalysten. Nachhaltiger Konsum hat eine vordergründige Bedeutung: Produkte werden in einem natürlichen Kreislauf hergestellt und wiederverwertet. „Abfälle“ gibt es nicht mehr, da sie wieder aufgearbeitet und in den Konsumkreislauf zurückgeführt werden.
Demnach konsumieren die Verbraucher bewusster, da sie die „Geschichte“ der Produkte kennen. Weltweit geltende Arbeitsbe- stimmungen haben dazu geführt, dass die Ausbeutung von Men- schen unter unwürdigen Arbeitsbedingungen aufhörte.
Zu guter Letzt bin ich froh, dass nicht Avatare o.ä. unser mensch- liches und persönliches Miteinander ersetzten oder beeinflussten; technische Fortschritte bzw. Möglichkeiten sowohl in der Informa- tionstechnik als auch der künstlichen Intelligenzforschung ließen den Gedanken 2011 jedoch leider nicht abwegig erscheinen.
Internet bzw. Cyberspace hat heute zwar eine zunehmende Bedeutung im menschlichen Miteinander und der Kommunika- tion. Dennoch ist uns die direkte soziale Kommunikation gewahr geblieben; denn nur diese zeigt, damals wie heute, wahrhaftige interpersonelle Reaktionen und Emotionen im weltgesellschaft- lichen Miteinander.
Gerechtigkeit — ein Thema für Generationen
In meiner Vision gehen Menschen rücksichtsvoller und respektvol- ler mit ihren Mitmenschen und der Erde um. Ihr Handeln ist von der Überzeugung bestimmt, dass heute, aber auch junge, künftige und in weiter Zukunft lebende Menschen Rechte haben – Rechte, deren Reichweite zeitlich neutral ist.
Doch was brauchen unsere Nachfahren? Wie müssen die schon jetzt wirkenden Rechte zukünftiger Generationen aussehen?
Mindeststandards elementarer Rechte, die eine Versorgung mit Luft, Trinkwasser und Nahrung gewährleisten, bieten Orien- tierung und stellen Fragen nach der Verteilung von Ressourcen, der Lebensqualität und den Lebenschancen in den Vordergrund. Das Schaffen und Erhalten möglichst guter Lebensbedingungen wird zu einer Pflicht, wenn das Recht auf genau diese Bedingungen nicht mehr auf heute Lebende beschränkt ist, sondern auch für künftige Generationen gilt.
Die jetzt lebenden Menschen müssen sich Gedanken machen, wie sie heute handeln, damit zukünftige Generationen eine lebens- werte und intakte Welt vorfinden. Das Potenzial und die Konflik- te zwischen Jung und Alt, zwischen Heute und Morgen müssen deswegen stärker thematisiert werden. Demographischer Wandel, finanzielle Probleme, ökologische Herausforderungen – kämpferi- sches Gegeneinander oder Solidarität, Koexistenz oder Dialog?
Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, ist es notwendig, alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren. Der teilweise zwischen den Generationen empfundene Kampf muss sich in eine solidarische Gemeinschaft wandeln, die über Generationen und Kulturen hin- weg in einen Dialog tritt.
Gegenseitige Unterstützung, gemeinsames Wohnen mit Jung und Alt, sowie die Chance vom Anderen zu lernen und von seinem Wissen zu profitieren sind erste Schritte in diese Richtung. Gene- rationennetzwerke, Großelterndienste, Zeitzeugenarbeit, bürger- schaftliches Engagement – Handlungsmöglichkeiten gibt es viele.
Diese Möglichkeiten müssen zu einem festen Bestandteil des alltäglichen Handelns werden, denn unterschiedliche Potenziale und Erfahrungen, Stärken und Schwächen können zusammen von großem Nutzen sein.
NELE GROHER
Studentin Politische Theorie
LENA MARA GROSS
Referentin Strategischer Einkauf Non Food
Nur gemeinsam sind wir stark und können für uns und unsere Nachfahren eine lebenswerte Welt gestalten. Das Recht eines jeden in einer derartigen Welt zu leben, muss nicht nur das Handeln der Menschen bestimmen, sondern es bedarf darüber hinaus der For- mulierung einklagbarer Rechte:
Nachhaltigkeit als ein Menschenrecht!
2050 – Bis dahin werden wir die Gesellschaft von Nachhaltigkeit begeistert haben.
Meine Vision ist es, dass wir bis zum Jahr 2050 unsere Gesellschaft an das Thema Nachhaltigkeit herangeführt und begeistert haben, ihr einen persönlichen Bezug zu diesem Thema ermöglicht und somit den nachhaltigen Grundstein bei jedem gesetzt haben.
Ein Informationskonzept, mit dem man die Menschen einfach er- reichen kann, ist als wichtiger Grundstein zu sehen.
Dieses Konzept muss in den Kindertagen jedes einzelnen ge- legt werden und uns das ganze Leben begleiten.
Diese Information sollte nicht nur seitens der Politik in die Gesellschaft gestreut werden, sondern auch von Unternehmen, NGOs und jedem einzelnen kommen.
Die Informationen sollten objektiv und transparent verfasst sein und nicht auf eine bestimmte Gruppe hin zielen.
Einfach von komplizierten Ausarbeitungen hin zu klaren und verständlichen Aussagen.
Die Art der Informationen soll einfach jeder – vom 9-jährigen Kind bis hin zur 78 Jahre alten Großmutter – verstehen.
Wichtig ist, dass wir mit unserem Informationskonzept den Informationswillen jedes Einzelnen aktiviert haben.
Wenn jeder nun diese wichtigen Informationen kennt, fängt er an sich Gedanken zu diesem Thema zu machen und auf sich selber diese Themen zu reflektieren.
Diese Reflektion wird dazu führen, dass man merkt, dass Nachhaltigkeit jeden etwas angeht und man auch mit kleinen Din- gen etwas bewirken kann.
Es wird sich daraus eine Begeisterung für viele verschiedene The- men bei jedem Einzelnen entwickeln.
Mit dieser Begeisterung können dann die großen Themen ge- meinsam angegangen werden und man schafft es leichter, dass ge- gebenenfalls jeder Einzelne bewusst auf etwas verzichtet.
Dann ist Nachhaltigkeit in der breiten Gesellschaft angekommen und jeder kann sich damit identifizieren und gemeinsam mit ande- ren viel bewegen.
Die Macht des Wirtschaftskonzeptes
Zu Beginn der 20er Jahre wurde in Deutschland eine wundervolle Zukunftsvision entwickelt, auf die man sich verständigte gemein- sam hinzuarbeiten. Es wurde versucht den repräsentativen Mei- nungsdurchschnitt zu verwenden. In dieser Zukunft sollte kein Mensch mehr durch soziale und wirtschaftliche Raster fallen, Bil- dung sollte frei und für alle zugänglich sein. Hierdurch, sollte eine starke, mündige Gesellschaft heranwachsen, die umsichtig Politik betreibt und sich ein technisch und wirtschaftlich hoch entwickel- tes Lebensumfeld erschafft. Energieeffizientes und ökologisches Handeln sollte die priorisierte Maßgabe sein. Diese Gesellschaft sollte ein weltweites Mustervorbild darstellen und ihr Know-How in andere Gesellschaften tragen.
Heute, 2050, erzähle ich etwas über die Entwicklung der Wirt- schaft.
Anfang der 20er Jahre wurden die großen Finanzhaie geschockt: Es war einem mittelständigen Öko-Fashionlabel gelungen sich erfolg- reich gegen einen heimlichen Verkauf zu wehren. Eine anfangs klei- ne Gruppe an Widerständlern gründete eine Genossenschaft und scharte nach und nach genug Anhänger um sich, um alle anderen Bieter zu übertrumpfen und das Unternehmen zu retten. In diesem Zusammenhang staunte die Finanzwelt nicht schlecht, welchen Einfluss eine winzige Personengruppe durch die neuen Medien ge- nerieren konnte.
MIRIAM GÜCKEL
Ausbildung zur Kauffrau
für Marketingkommunikation
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(Ich erinnere mich noch, dass die genauen Einzelheiten des Modells in 2012 bekannt wurden.)
„Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als über die große Dunkelheit zu kla- gen.“ (Laotse / Mt22,37ff).
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Das durch die Genossenschaft neu strukturierte Firmenmodell gilt heute 2050 noch als vorbildlich: Das Unternehmen ist hauptsäch- lich darauf ausgelegt, seinen Mitarbeitern den Lebensunterhalt zu sichern und darüber hinaus einen Mehrwert in die Gesellschaft zu tragen, die Welt zum Positiven hin zu entwickeln.
Noch immer ist es ein Ziel Gewinne zu erwirtschaften, jedoch werden Ökologie, Innovationen, Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung und Wertigkeit im gesamten Prozess, intern wie ex- tern, immer berücksichtigt und mit priorisiert. Das Unternehmen ist so transparent, dass interne Strukturen öffentlich einsehbar und so über das Unternehmen hinaus nutzbar sind.
Einige andere Firmen haben diesem Beispiel nachgeeifert und die riesigen Finanzkonzerne damit ein Stück weit an Macht einbüßen lassen. 2018 kam es zu einer erneuten Wirtschaftskrise: In vielen Ländern, auch in Deutschland, wurde daraufhin so starker Druck auf die Regierung ausgeübt, dass erste einschränkende Gesetze über weltweite Finanzspekulationen erlassen wurden.
Seitdem sind Banken und Private Equity Konzerne in ihrer Vorgehensweise stark eingeschränkt. Um den Wert eines Unterneh- mens zu berechnen, werden die realen wirtschaftlichen Leistungen herangezogen. Träumerische Zinsversprechungen werden seit dem letzten Zusammenbruch kritisch bewertet.
Ein Umdenken fand damals statt: Strategisch-wirtschaftliche Pla- nungen unter 20 Jahren wurden als spekulativ angesehen. Mehr und mehr Firmen entschlossen sich, ihre Produktionsketten genau- er zu durchdenken. Der größte Anteil an verwendeten Rohstoffen stammt heute aus recycelten Materialien. Es wird darauf geachtet, die Umwelt zu nutzen und gleichzeitig zu erneuern. Das Energie- problem, das zu Beginn des Jahrhunderts noch herrschte, ist fast vollkommen gelöst worden.
Es werden schon seit längerer Zeit energieneutrale Gebäude gebaut, zudem alte nachgerüstet. Darüber hinaus gibt es Technik, die es erlaubt, den aus umweltfreundlichen Mitteln gewonnenen Strom langfristig zu speichern und über weite Strecken hinweg zu nutzen.
BIOLANDWIRTSCHAFT
Biolandwirtschaft – eine reale Vision
In meiner Vision (betreffend auch mein Leben) für das Jahr 2050 gibt es in Deutschland (Europa, in der ganzen Welt) nur noch bio- logisch wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe. Selbstverständlich verzichten diese auf jede Art der Gentechnik und besinnen sich auf die alten Gedanken des biologischen Landbaus (Müller, Rusch) zu- rück. Hierbei sollte die regionale und saisonale Vermarktung durch den Endverbraucher wieder mehr unterstützt werden. Durch op- timale Fruchtfolgen und den Erhalt/ Steigerung der Bodenfrucht- barkeit können die Erträge in Größenordnungen kommen, welche das Ernährungsproblem auf der Welt beseitigen. Nicht nur die Stei- gerung der Erträge helfen das Ernährungsproblem zu lösen, son- dern die Menschheit muss ihre Ernährungsweise umstellen (von Fleisch hin zu Getreide, Obst, Gemüse und Fisch aus Aquakul- turen). Durch sein optimales Futter-Zuwachsverhältnis bietet sich Fisch als Eiweißträger der Zukunft an. Die weiteren Tierrassen, wie z.B. Rinder, Schweine und Schafe werden in extensiven Systemen gehalten (z.B. Mutterkuhherden, extensive Milchviehhaltung mit Weidegang). Auch die nachwachsenden Rohstoffe (für z.B. E10, Biogasanlagen und Kurzumtriebsplantagen zur Hackschnitzelge- winnung) können sinnvoll in die Fruchtfolge eingebunden werden und somit geht kein Boden für die Nahrungsmittelproduktion ver- loren und es stehen genug Flächen zur Verfügung, um auch das Erdölproblem zum Teil zu kompensieren. Weiterhin sollen auf nicht landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, welche weit entfernt von Siedlungen sind, Energieparks jeglicher Art entstehen. Für die Mobilität der landwirtschaftlichen Maschinen bietet der Elektro- antrieb sicherlich die beste Lösung. Auch die Forstwirtschaft sollte nachhaltiger betrieben werden. Dies bedeutet die Umstellung aller Wälder auf Mischwälder mit Arten, welche mit den neuen Klima- bedingungen zurechtkommen.
Die Subventionen, wie wir sie heute kennen, gibt es nicht mehr. Die Lebensmittel kosten was sie wert sind! Agrarsubventio- nen werden nur noch für die Förderung alter Rassen, Naturschutz, Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeitserhalt und Biodiversitätsprojekte ausbezahlt. Auch sollten sich die Landwirte wieder mehr trauen mit den Naturschutzorganisationen zusammenzuarbeiten. Land-
ARMIN GÜNTER
Biolandwirt
CHRISTINA HAEGER
Schülerin
wirte, als größte Landbesitzer, sind in der Zukunft die perfekten Umwelt- und Naturschützer und Landschaftspfleger. Sie sollten auf ihren Flächen möglichst viele Umweltschutzmaßnahmen (z.B. Benjeshecken, Blühstreifen, Wildschutzhecken, Baumreihen und Agroforstwirtschaft) realisieren und somit dem Artenverlust in der Natur entgegenwirken.
Um eine perfekte und nachhaltige Produktion von Lebensmittel zu gewährleisten, muss natürlich auch die weiterverarbeitende Indus- trie nachhaltig produzieren. Dies bedeutet, dass eine CO2-Bilanz oder ein Biodiversitätsfaktor auf jedem Endprodukt aufgedruckt ist.
Meine Vision 2050
Gestern Schule, heute Spaß
Heute haben wir den 24.3.2050: Dies nenne ich an dieser Stelle so deutlich, denn schließlich saß ich genau vor 39 Jahren in Ber- lin und machte mir mit anderen „Visionären“, wie wir uns damals nannten, Gedanken über den damaligen Zustand unserer Erde, aber vor allem auch darüber, wie es in 39 Jahren aussehen würde. Welche Entwicklungen würden die Welt revolutionieren? Welche Innovationen könnten sich als effektiv und zukunftsorientiert he- rausstellen?
Jetzt nach 39 Jahren, kenne ich die Antworten auf unsere damali- gen Fragen. Es ist viel passiert.
Es hat sich viel entwickelt und verändert. Die für mich wich- tigsten Veränderungen, da ich mich nun selbst Mutter nennen darf und für meine Kinder, meine zukünftigen Enkel und Urenkel nur das Beste möchte, betreffen die Rubrik „Bildung“.
Ich weiß es noch ganz genau, so als wäre es erst gestern gewesen. Die Erinnerungen an meine furchtbar schlechte Laune und an mei- ne Wut mit der ich die Haustür zuschlug als ich von der Schule kam, sind immer noch hautnah zu spüren. Jeden Tag musste ich
in dieser mit einem ständigen Konkurrenzkampf und dem stetig steigenden Leistungsdruck umgehen, der mir jeglichen Spaß an der Schule zu rauben schien.
Der Unterricht war meiner Meinung nach völlig überholt, denn es wurde nicht auf aktuelle Ereignisse oder Interessen der Schüler ein- gegangen. Dem bedingungslosen Lehrplan wurde allerdings ohne wenn und aber nachgeeifert. Ich kannte also als damalige Schülerin die Schwächen des Bildungssystems. Heute nach 39 Jahren bin ich froh, dass sich meine Kinder nun mit anderen Problemen ausein- andersetzen können.
Die Veränderungen also kamen und waren gravierend. So beschloss die Bundesregierung im Jahre 2015 die Auflösung des dreiglied- rigen Schulsystems. Alle Bildungszweige wurden in einem multi- funktionalen zusammengeschlossen, wodurch man sich eine höhe- re Chancengleichheit, ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl und ein generell erhöhtes Bildungsniveau versprach. Aufgrund des demo- graphischen Wandels konnte der Unterricht in kleineren Klassen durchgeführt werden. Dies hat nicht nur zum Vorteil, dass die Lehrkräfte erheblich entlastet werden, sondern trägt ebenfalls dazu bei, dass die Schüler individueller, gezielter und effektiver betreut und gefördert werden können. Nach dem Prinzip „Einer für Alle und Alle für Einen“ helfen sich die Schüler untereinander. Soziale Kompetenzen können an dieser Stelle mit Leichtigkeit erworben werden.
Das Einführen diese Systems wurde den Verantwortlichen an- fangs nicht leicht gemacht, denn Gegner sprachen laut von Förde- rungseinbußen, Motivationsverlust für Leistungsstärkere und von einer drohenden Überfüllung der Schulen. Der Staat jedoch ver- mied die Entstehung dieser Kritikpunkte, indem er fortan 6% des BIPs in die Bildung investierte. Diese Investitionen erlaubten allen Schulen eine hochtechnologisierte Grundausstattung, die Lernen attraktiver machte, den Schülern den Umgang mit der Technik und dem Internet näher brachte, und den Schülern vor allem das Gefühl gab, dass auf ihre Bedürfnisse geachtet wird. Des Weiteren werden stetig Lehrerfortbildungen bezahlt, die einen „Entwicklungsstan- dard“ gewährleisten sollen.
Der Lehrerberuf hat sogar mittlerweile den Beamtenstatus verloren, da hierdurch vermieden werden kann, dass sich diese „zurücklehnen“ und ihre Aufgabe als lehrendes Vorbild vernachläs-
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SABRINA HAVLITSCHEK
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Landtagsabge- ordnete
sigen. Neue Fächer wie, „Nachhaltige Lebensformen“, „Partizipati- onsmöglichkeiten im gesellschaftlichen Leben“ und „Vermittlung von Diskussionsmethoden“ sind heutzutage ebenfalls elementare Grundbausteine des täglichen Schulalltags. Diese Fächer stellen somit seither für die Schüler eine Möglichkeit der Bewusstseinsbil- dung dar, wodurch sie ihre Lebensentscheidungen begründen und ihr Konsumverhalten rechtfertigen können. Die „Schülermeinung“ hat im heutigen Schulalltag eine höhere Stellung, denn die Schüler können hier über einen Rat demokratisch an Schulentscheidungen aktiv teilnehmen.
Die Entscheidung über Bewertungssysteme und die allgemei- nen Lehrpläne liegt also auch in ihren Händen. Hierdurch soll die Motivation der Schüler und die Attraktivität der Schule gesteigert werden.
Schließlich ist man auch dazu übergegangen Ganztagsschulen mit anschließendem Nachmittagssport einzuführen, denn hierdurch wird nicht nur das Gemeinschaftsgefühl gestärkt, sondern eben- falls die Gesundheit gefördert. Jugendliche geraten so weniger in kriminelle Kreise.
Diese Veränderungen haben also zusammenfassend meiner Meinung nach zu einer überaus positiven Identifikation mit der Schule, zu hoher Motivation und somit zu guten Lernerfolgen ge- führt.
Heute nach 39 Jahren bin ich sehr glücklich darüber, dass meine Kinder nicht die Haustüre zuschlagen, sondern mit Begeisterung sagen: „Mama, die Schule hat heute wirklich Spaß gemacht!“
Selbstbestimmte Lebensgestaltung
Im Jahr 2050 leben wir in einer Gesellschaft, die individuelle Le- bensentwürfe deutlich besser ermöglicht, als dies vor vierzig Jahren der Fall war, und diese schätzt.
Die Menschen in Deutschland sind frei von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen, die ihrer Selbstverwirklichung im Wege stehen. Erreicht wurde das durch folgende „Bausteine“:
(1) Die Abschaffung des Bildungsföderalismus und die kostenfreie Bildung von der Kinderkrippe bis zur beruflichen Weiterbildung vermittelt den Menschen heute das Rüstzeug für ein selbständiges Leben. Schon seit Jahren tendiert die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss gegen Null.
(2) Umfassende Reformen des Wirtschaftssystems führten dazu, dass Gewinnstreben nicht mehr oberste Maxime ist. Arbeitnehmer heute haben deutlich mehr Einkommen und haben dennoch eine deutlich geringere Wochenarbeitszeit als 2011, was ihnen Engage- ment in anderen Bereichen ermöglicht.
(3) Diese Umwälzungen in der Arbeitswelt führten dazu, dass die Vielfalt der Interessen und Fähigkeiten der Menschen höher ge- schätzt und auch unterstützt wird. Zeiten für die Pflege kleiner Kinder oder Angehöriger sind kein Karrierehindernis mehr. Ehren- amt neben dem Beruf ist keine Überforderung mehr, Burn-Outs und andere psychische Erkrankungen des Arbeitslebens sind sig- nifikant zurückgegangen, da Arbeit und Freizeit individuell so in Einklang gebracht werden können, dass auf unterschiedliche Be- lastungsniveaus (die u.a. auch vom Alter abhängen) eingegangen werden kann.
(4) Der Sozialstaat wurde nicht nur verteidigt, sondern fortentwi- ckelt. Es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Risiken des Lebens solidarisch, paritätisch und öffentlich abgesichert blei- ben müssen.
Um unsere Sozialsysteme langfristig finanzierbar zu halten, wurde das Steuersystem dahingehend reformiert, dass die Einnah- mebasis verbreitert wurde.
Alle Einkommensarten wurden einbezogen und der Spitzen- steuersatz erhöht. Privatisierung (wie z.B. in der Krankenversiche- rung) wurde abgeschafft, so dass alle in einen Topf einzahlen. Auch wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, führt ein menschenwürdiges Leben. „Kinderarmut“ gilt als ausgestorbener Begriff.
(5) Hetero, homo, bi, traditionelle Ehe, wilde Ehe, offene Bezie- hung – die Art, wie Menschen lieben veranlasst niemanden mehr dazu, sich auf der Straße empört umzudrehen. Das liegt auch dar- an, dass die Vielfalt der privaten Lebensentwürfe bewusst ins Licht
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LARS HEINEN
Innovationsingenieur im Bereich Forschung und Entwicklung bei einem Unternehmen der Heiz-, Klima- und Lüftungstechnik
der Öffentlichkeit gerückt wurde. Vorbei sind die Zeiten, in denen Werbung nur mit jungen, schönen, gesunden, weißen, heterosexu- ellen Menschen gemacht wurde und alles andere als „unnormal“ oder wenigstens „untypisch“ vernachlässigt und diskriminiert wur- de. Auch dass Frauen in Vorstandsetagen sitzen, ist nichts Unge- wöhnliches mehr und keiner bezeichnet diese Frauen als Raben- mütter oder unweiblich.
Die Anfang der 2010er Jahre eingeführte Frauenquote in Vorstän- den und Aufsichtsräten konnte bereits Ende der 20er Jahre wieder abgeschafft werden. Eine umfassende Sensibilisierung in Gender- fragen führte auch dazu, dass Sexismus passé ist.
Vision 2050
Aus meiner beruflichen und persönlichen Sicht denke ich in meiner Vision zunächst an die zünftige Energieerzeugung und den Ener- giebedarf. Ich bin überzeugt, dass im Jahr 2050 die fossilen Brenn- stoffe als Energiequelle für Wärme bzw. Strom und Antrieb nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Abgesehen von der Verknappung wird die notwendige CO2-Ausstoßminimierung zur Treibhauseffekt-Reduzierung, die wesentliche Ursache für ein Umdenken gewesen sein.
Aus diesem Grund wird es Entwicklungen geben, die in der Lage sind, nahezu 100% der Energie aus den restlichen fossilen Brenn- stoffen umzusetzen (Wirkungsgrade ca. 100%). Zum anderen wird die regenerative Energieernte optimiert sein. Sowohl Solarthermi- sche-, als auch Wind- und Erdwärmeenergien werden nahezu 90- 100% der benötigten Energie bereitstellen.
Auf der anderen Seite werden benötigte Energien, der Bedarf für Industrieprozesse, den Automobilverkehr und die Haushalte, auf ein Minimum reduziert sein. Prozesse werden dabei derart ge- führt, dass eine Vernetzung zwischen den Verbrauchern und Erzeu- gern zu einer optimalen Bedarfs- zu Verbrauchsdeckung gelangt. Die notwendige Energie z.B. zur Gebäudeheizung wird durch Dämm- und Wärmerückgewinnungsmaßnahmen minimiert.
Im Automobilbereich wird Forttriebstechnologie derart ausgereift sein, dass der regenerative Anteil nahezu bei 100% liegt (Elektro- und/oder Brennstoffzellenautos).
Die notwendige Entwicklung von Speichertechnologien für elektrische und thermische Speicherungen, zur Harmonisierung der erzeugenden, nicht stetig vorhandenen, regenerativen Quellen (Sonne, Außenluft, Wind), werden entwickelt sein.
Energieeinsparung und Bedarfssenkung sind nur zwei der Punkte, die in dem gesamtheitlichen Ansatz des Nachhaltigkeits- gedankens enthalten sind. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Kommunikation. Hier wird 2050 eine Kommunikationsebene ge- funden sein, die es ermöglicht, jeden nachhaltig zu erreichen, die Eigenverantwortlichkeit gegenüber Umwelt und Gesellschaft klar zu machen und zum Handeln zu bewegen. Das Bewusstsein zum nachhaltigen Denken, im ökonomischen, ökologischen und sozia- len Sinne in der gesamten Bevölkerung und durchweg durch alle sozialen Schichten, wird dadurch derart verinnerlicht sein, dass es möglich geworden ist, die unterschiedlichsten, nachhaltigen Ansät- ze aus allen Bereichen zu platzieren und entsprechend erfolgreich umzusetzen.
In meiner Vision ist es gelungen, so rechtzeitig der demogra- phischen Entwicklung, der Alterung der Gesellschaft, entgegenzu- wirken, indem Anreize gesetzt wurden, dass geburtenstarke Jahr- gänge diese bereits kompensieren. Vorrausschauende Strategien, wie tolerante und bewusst „kinderfreundliche“ Arbeitgeber, Kin- derbetreuung etc. sind etabliert.
Akteur ist und wird die Politik sein, welche durch die entspre- chenden Fachgremien (Experten aus Wissenschaft, Industrie) bera- ten, die Spielregeln im sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereich festlegen wird.
Durch diese Fachgremien wird die Politik im Idealfall in der Lage sein, möglichst objektiv die unterschiedlichen Fragestellungen ein- zuschätzen, ohne dass die latente Gefahr besteht, Blickrichtungen durch vorgeprägte inhaltliche und interessengesteuerte Meinungen und Interessen zu übersehen.
Die Politik ist dadurch in der Lage die Ziele zu formulieren und entsprechende Strategien auf den Weg zu bringen, gesetzlich vorzuschreiben und zu verankern und diese auch durchzusetzen. Als legislative, judikative und exekutive Gewalt konnte die Politik einen gewissen Druck aufbauen, der in allen Bereichen nachhalti- ges Handeln zur Pflicht machte.
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GABRIEL HEISSENBERG
Zentrale Personalbetreuung bei einem Hausgerätehersteller
Nur durch diese Verpflichtung, einhergehend mit der breiten Kommunikation, konnte der nachhaltige Ansatz platziert und aufgebaut werden. Dadurch konnten z.B. die trägen markwirt- schaftlichen Anpassungsgeschwindigkeiten beschleunigt werden. Die Mechanismen zur nachhaltigen Entwicklung z.B. diese über die der ökonomische Entwicklung zu stellen (CO2-Handel), haben sich durchgesetzt und zum Umdenken geführt und sind aus öko- nomischer Sicht kein Wettbewerbsnachteil mehr, da alle an dieser Entwicklung teilgenommen haben.
In 2050 wird gelungen sein, nachhaltiges Handeln nicht nur kos- tengünstig , sondern auch attraktiv und für jeden umgänglich und verständlich zu gestalten.
Der Weg ist das Ziel
40 Jahre Zukunft in 40 Zeilen widerzuspiegeln – eine fast schon unmöglich anmutende Aufgabenstellung. Wie soll ein so komple- xer Zustand in irgendeiner Form auf so begrenzte Weise auch nur hinreichend beschrieben werden? Und lassen unsere Denkschemata eigentlich zu, etwas dessen Vergleichbarkeit mit dem Heute völlig ins Leere läuft überhaupt in Worte zu fassen?
Eine konkrete Darstellung der Zukunft macht in meinen Augen wenig Sinn. Ob point-predictions am Ende eintreffen oder nicht – das ist mehr Sache des Zufalls als weiser Voraussagung. Und ähn- lich der Überzeugung der Europäer bis ins 17. Jahrhundert, dass alle Schwäne weiß sind, wie lassen sich heute Faktoren in Prog- nosen mit einbeziehen, die man überhaupt noch nicht kennt? Oft schon hat die Geschichte bewiesen, dass mit dem Eintreten des als unmöglich Erachteten stets gerechnet werden muss (Mauerfall, 11. September 2001).
Für mich liegt der Schlüssel nicht in der möglichst genauen Vorhersage eines Endzustandes X, sondern im Prozess selber, dem Visionieren. Das stetige Reflektieren aktueller Veränderungen, sei- en sie politischer oder sozialer Natur, halte ich für wesentlich wich- tiger als das sture Hinarbeiten auf ein irgendwann (zwangsweise?)
überholtes Ziel. Konkrete Maßnahmen oder Strategien auf globa- ler oder lokaler Ebene ergeben sich so automatisch. Und auch hier halte ich das Verfolgen von kleinen Schritten jedes Einzelnen für essentiell. Nur ein Ziel, das auf Basis einer breiten Masse an Visio- nären gründet, hat in meinen Augen Bestand (auch über kurzfris- tige Strukturen in Politik (Wahlkampf) und Industrie (Bilanzen) hinweg).
Oft höre ich als Grundvoraussetzung für Visionen den Ruf nach ei- nem dringend nötigen „Wertewandel“ – beispielsweise in der Wirt- schaft durch Aufgeben des Gewinnstrebens. Das sehe ich anders: Sicherlich verhindert der nachhaltige Umgang mit Ressourcen den einen oder anderen Rekordumsatz – aber mit hochenergieeffizien- ten Geräten lässt sich (heute schon!) gutes Geld verdienen. Außer- dem müssen Unternehmen mehr und mehr dem hohen Anspruch diverser Stakeholder-Gruppen gerecht werden. Und dies schließt rücksichtsloses Wirtschaften einfach aus.
So mag die Kapitulation vor der großen Aufgabe, 40 Jahre in die Zukunft zu blicken sehr verlockend sein. Aber ich bin froh, der Versuchung nicht nachgegeben zu haben und freue mich in den nächsten Jahren mit kleinen und großen Schritten an der Gestal- tung einer erstrebenswerten Zukunft teilzuhaben.
Vision 2050
Am ersten Januar 2050 wache ich ein wenig matt in einem Ho- tel in Rom auf. Von meinem Bett aus sieht der Strand des Mit- telmeers im morgendlichen Sonnenschein herrlich einladend aus. Leichte Kopfschmerzen erinnern mich an den wunderbaren Barolo aus Südschweden, den ich am Vorabend genossen habe. Auf dem Weg zum Bad tauchen die Bilder eines unglaublich bildhaften, ein- drücklichen Traumes in mir auf.
Es sind die dramatischen Szenen einer vollständigen Evakuierung von Paris. Der Meeresspiegel war über vierzig Jahre um etwa sech- zig Meter gestiegen und Paris somit Küstenstadt geworden. Nun
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DAVID HISS
Student International Affairs
bedrohte eine Sturmflut unbekannten Ausmaßes die Stadt. Nach einer zwölfstündigen Krisensitzung beschloss die Regierung der Europäischen Union, dass auch Paris zu dem zehn Kilometer brei- ten Streifen gehöre, der innerhalb von drei Tagen geräumt werden müsse.
Mir war klar, dass der Traum dieser Nacht grausame Wirklich- keit wäre, wenn nicht vor vierzig Jahren, aus dem Kraftakt einiger großer Visionäre, eine globale Aufklärungswelle ausgegangen wäre. Auf dem Hintergrund eindeutiger Prognosen, etwa der Explosion und des folgenden Einbruchs der Weltbevölkerung, ähnlich des Industrieoutputs und der Nahrungsmittelproduktion, beeindruckt durch die Finanzkrise ab 2007 und erste Unregelmäßigkeiten des Klimas, entstand ein neues, globales Verantwortungsbewusstsein. In diesen gesellschaftlichen Spielraum konnten Menschen stoßen, die seit vielen Jahren die notwendigen Konzepte entwickelt hatten und lange an der kollektiven Angst vor Veränderungen und festen Meinungsfronten gescheitert waren. So konnten ab 2010 in der Landwirtschaft, in der Industrie, im weltweiten Handel und vielen weiteren Bereichen entscheidende Veränderungen auf den Weg ge- bracht werden.
Die Bilder für den Traum von heute Nacht brauchte ich mir nicht auszudenken. Seit etwa fünfzehn Jahren werden rund um den Glo- bus täglich kleinere und größere Gemeinden in Küstennähe eva- kuiert, viele endgültig, einige liegen schon unter Wasser. Dank der beschriebenen Veränderungen im globalen Bewusstsein ist dies bis jetzt allerdings in einem Ausmaß geblieben, mit dem die Weltge- meinschaft umgehen kann.
Deshalb müssen wir dieses Jahr wahrscheinlich Rom evakuieren, nicht aber Paris.
AUTO_MOBILITÄT, eine bewegte Diskussion…
Mobilität war bereits vor Jahrhunderten ein heiß diskutiertes The- ma und es wurden unterschiedlichste Modelle und Visionen ent- wickelt, wie wir uns in Zukunft fortbewegen könnten. Gezeigt hat
sich, dass ausgesprochen wenige Menschen in der Lage waren Visi- onen zu präsentieren, die der heutigen Realität entsprechen.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage wie man das ändern kann? Viel- leicht durch das Zusammenspiel aller unserer für das Jahr 2050 verfassten Visionen? Im Folgenden stelle ich meine persönlichen Gedanken und Ideen zum Thema Mobilität der Zukunft für das Jahr 2050 dar.
Eine flexible, geistige sowie auch physische Mobilität sehe ich als Voraussetzung und Medium für ein qualitativ hochwertiges Leben an.
Fortschreitende gesellschaftliche Entwicklungen stellen die Auto- mobilität regelmäßig in Frage und es ist meiner Meinung nach un- bedingt notwendig, mögliche Alternativen zu diskutieren. Räum- liche Automobilität hat vor allem die Aufgabe aktives Bindeglied zwischen dem Privat- und Berufsleben zu sein, um unser Leben ein wenig komfortabler und auch selbstbestimmter zu gestalten. Zerlegt man das Wort Automobilität in seine ursprünglichen Be- standteile (griech. autos~selbst, lat. mobilis~beweglich), bedeutet das soviel wie selbstbestimmte Fortbewegung, ein Sinnbild für Un- abhängigkeit, Lebensqualität, und auch Komfort.
Für das Jahr 2050 wünsche ich mir flexible Möglichkeiten, jeder- zeit entscheiden zu können, wann und wo ich welches Medium der Mobilität nutzen möchte.
MENSCH. MOBILITÄT. MÖGLICHKEITEN.
„Es wird Wagen geben, die von keinem Tier gezogen werden und mit unglaublicher Gewalt daherfahren.“ (Leonardo da Vinci, 1452-1519)
ANJA CAROLIN HOFMANN Doktorandin im Forschungsbereich eines europäischen Automobilunternehmens
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Zur wöchentlichen Yogastunde nutze ich den öffentlichen Perso- nennahverkehr oder auch mein Fahrrad. Auf Automobilität kann ich vor allem dann nicht verzichten, wenn ich Einkäufe nach Hause transportiere, ein Geschäftstermin ansteht oder eine größere Reise geplant ist. Das Ziel ist, zeit- bzw. wetterunabhängig mobil zu sein und Zugang zu einem einsatzbereiten und gereinigten Auto zu ha- ben. Dabei spielt es für mich keine Rolle, ob ich alleiniger Besitzer eines Automobils bin oder eine Clubmitgliedschaft mit Mobilitäts- option besitze. Schlichte Praktikabilität und Benutzerfreundlich- keit übertrumpfen das Statusempfinden in der Alltagsmobilität.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die meine persönliche Le- bensqualität mit 66 Jahren ganz entscheidend beeinflussen, dazu gehören z.B. geistige und körperliche Gesundheit. Ich stelle mir die Frage, ob ich im Jahr 2050 noch immer mit den nötigen mo- torischen Fähigkeiten ausgestattet bin, um mich selbstbestimmt fortzubewegen? Es stellt sich auch die Frage, wo und wie ich im Alter wohne? Im städtischen Umfeld z.B. kann ich viel leichter am kulturellen und sozialen Leben meiner Umgebung teilhaben und den Alltag aktiv und erfüllt gestalten. Unabhängig davon, möchte ich mir aber sicher sein, den Großteil meiner Freunde und Familie jederzeit erreichen zu können.
In meinem Stadtteil wohnen Menschen verschiedenster Generati- onen und Kulturen. Das gegenseitige Helfen bei Alltagsproblemen ist selbstverständlich. Ich übernehme regelmäßig Botengänge für meinen Nachbarn, während mich dieser abends in einer Fremd- sprache unterrichtet oder auch kocht.
Unter der Voraussetzung, weitgehend finanziell abgesichert zu sein, habe ich richtig viel Spaß daran, mit einer Gruppe von Gleich- gesinnten eine soziale Geschäftsidee zu entwickeln. Das Konzept regt den Austausch von häuslichen Leistungen und Reparaturen im lokalen Umfeld an, aber auch eine generationsübergreifende Kin- derbetreuung. Von dieser Arbeit verspreche ich mir, physisch und geistig mobil zu bleiben und eine erfüllende Aufgabe in der Gesell- schaft zu besetzen.
Fragmente einer Zukunft. Meine Vision.
Wenn ich auf die vergangenen 40 Jahre zurückschaue, dann bin ich auf den erlebten Bewusstseinswandel besonders stolz. Wir haben ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Werte verinnerlicht. Ich bin heute Teil einer Ge- sellschaft, die vorausschauend handelt und zukunftsfähige Ent- scheidungen trifft.
Wir haben gelernt, dass der Sinn der Wirtschaft nicht die Vermeh- rung von Kapital, sondern die Befriedigung menschlicher Bedürf- nisse ist. Die Aufgabe des Handels ist nicht länger die Anhäufung von Vermögen, sondern nunmehr Ausgleich zwischen einem Über- schuss auf der einen Seite und einem Bedarf auf der anderen Sei- te zu schaffen. Heute erhalten alle Menschen ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Dieses Grundeinkommen sichert nicht nur die Existenz auf einem lebenswerten Niveau, sondern hat auch große Auswirkungen auf gesellschaftliche Denkstrukturen. Arbeit wird durch die Trennung von Einkommen zu einer sinnstiftenden Le- bensaufgabe. Wenn wir heute in einem Arbeitsverhältnis stehen, dann tun wir das aus dem Wunsch, dort tätig zu sein. Das zusätzlich erwirtschaftete Einkommen ist nicht lebensnotwendig, sondern frei verfügbares Vermögen. Jeder Mensch hat die Freiheit zu tun, was er
LARISSA LETIZIA HOLZKI
Freie Journalistin
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für richtig erachtet. Ganz gleich welcher Arbeit wir nachgehen: wir investieren dafür unsere unwiederbringliche Lebenszeit. Diese Ein- sicht hat zu einer neuen Wertschätzung von Fähigkeiten geführt, die wir in die Gesellschaft einbringen. Die Arbeitsbedingungen sind durch diese Veränderung im Bewusstsein der Menschen deut- lich besser geworden.
Durch die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkom- mens ergibt sich auch ein neues Verständnis der Bildung. Als ich damals zur Schule ging, besuchten die meisten Jugendlichen Bil- dungseinrichtungen nicht um zu lernen, sondern um im Leben eine Chance auf Wohlstand zu haben. Um die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Schulen und Universitäten, genannt Zentralabi- tur, zu erlangen, praktizierten viele Mitschüler das „Bulimie-Ler- nen“: Friss es in dich rein und spuck es wieder aus. Abgesehen von guten Bewertungen hatte dieses Prinzip keine langfristig positiven Auswirkungen. Wer mit den gängigen Methoden nicht zurechtkam, der wurde Schritt für Schritt auf das gesellschaftliche Abstellgleis gestellt. Ein dreigliedriges Schulsystem der Selektion teilte Kinder in Kategorien ein. Dieses System ist heute dunkle Vergangenheit. Die nun üblichen Gemeinschaftsschulen bieten Kindern aus je- dem Elternhaus individuelle Förderung ihrer Fähigkeiten. Schulen sind demokratische Einrichtungen, die von Schülern, Lehrern und Eltern gemeinsam gestaltet werden. In den Stundenplänen ist die musikalische, kulturelle, künstlerische und handwerkliche Bildung ebenso wichtig wie Naturwissenschaften und Sprachunterricht. Das selbstbestimmte Lernen wird durch vielseitigen Projektunterricht ermöglicht, in denen die Kinder ihre Handlungsfähigkeit erpro- ben können. Insbesondere in der Oberstufe partizipieren die He- ranwachsenden bei der Konzeptgestaltung der Schule. Es ist nicht unüblich, dass begabte Jugendliche ihre Mitschüler gelegentlich unterrichten – wir haben schließlich keine Ellenbogengesellschaft mehr, in der es töricht war sein Wissen mit anderen zu teilen. Von- einander und miteinander lernen, um gemeinsam und für alle zu handeln ist selbstverständlich geworden. Ein guter Oberstufenleh- rer muss nicht fachlich kompetenter sein als seine besten Schüler, sondern versteht es den gemeinschaftlichen Lernprozesses zu leiten. Er bewertet nicht die Leistung seiner Schüler, sondern schätzt ihre Fähigkeiten wert!
Das Ziel des Schulbesuches ist nicht mehr eine kleine schwarze Nummer auf einem weißen Blatt Papier. Unsere Kinder lernen aus Begeisterung an der eigenen Entwicklung. Was sie dafür brauchen,
wissen sie am besten selbst. Ihre intuitive Motivation wird durch das Bildungssystem nicht gebremst, sondern gefördert. Schulen sind Orte lebendiger Entwicklung geworden.
Trotz des hervorragenden Bildungssystems haben wir eingese- hen, dass auf die Erziehung, die Entwicklung und das Leben in den eigenen Familien nicht verzichtet werden kann. Ganztagsbetreuung wird nicht mehr als Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Karriere verkauft, wie es noch vor 40 Jahren der Fall war. Heute müssen sich nicht die Familien den Arbeitsbedingungen der Eltern anpassen, sondern die Arbeitsbedingungen sind so geschaffen, dass ein Familienleben möglich ist.
Dadurch sind die Menschen viel ausgeglichener geworden, der Stressfaktor ist gesunken und die Zahl der am Burnout-Syn- drom leidenden Menschen ist verschwindend gering. Um Karriere zu machen, muss man heute nicht mehr 24 Stunden für den Job opfern, wenn man eine Familie hat. Die Aufgaben von Menschen in Führungspositionen können auf mehrere Schultern verteilt wer- den. Frauen können Kinder bekommen und arbeiten – diese Un- gerechtigkeit bleibt leider bestehen, liebe Männer!
Es war einmal, da war die Ausländerfeindlichkeit hier zu Lande noch weit verbreitet. Damals dachte man, dass junge Türken, Polen und Russen deutschen Jugendlichen ihre Arbeits- bzw. Einkom- mensplätze wegnehmen würden. Irgendwann in den vergangenen 40 Jahren sind wir aufgewacht und haben unsere Lehren aus dem demografischen Wandel gezogen. Die Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen mussten, haben wir mit offe- nen Armen empfangen (wobei wir uns nicht als gütige Retter in der Not empfunden haben, sondern uns unserer Schuld an den klimatischen Veränderungen durchaus bewusst waren). Die Globa- lisierung hat die Welt zu einem globalen Dorf werden lassen und uns vor Augen geführt, dass keine Hälfte der Welt ohne die andere Hälfte der Welt überleben kann.
Heute spricht niemand mehr von einer ersten, zweiten und dritten Welt, es gibt keine pauschale Einteilung in entwickelte und unterentwickelte Länder mehr. Partnerschaftliche Zusammenarbeit unterschiedlicher Kulturen ist die Basis für eine neue Weltgemein- schaft, auf die sich die veränderte Werteorientierung in Deutsch- land allmählich ausbreitet.
Das kulturelle Miteinander bereichert das Leben aller Weltbür- ger und erweitert den Horizont für andere Religionen, Sitten und
„Letzten Endes werden alle gesellschaftlichen Verände- rungen, zumindest die, die mit der großen Gesellschaft zu tun haben, am Anfang als Utopie angesehen.“ Götz W. Werner, Die Herausforderun- gen der Globalisierung
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Bräuche. Das wechselseitige Kennenlernen der Menschen unter- schiedlicher Herkunft bildet die Basis für ein gegenseitiges Verant- wortungsempfinden.
Dass die Natur nicht unerschöpflich ist, das weiß heute jedes Kind. Umweltbewusst füllen wir unseren Einkaufswagen mit bi- ologischen Produkten aus regionalem Anbau. Waren aus Übersee sind selbstverständlich mit Gütesiegeln versehen, die den fairen Handel dokumentieren. Ob in Deutschland, in Südamerika oder in Asien: die von uns gekauften Güter werden umweltschonend und ressourcensparend angebaut und produziert. Menschen und Natur werden nicht länger ausgebeutet.
Angesichts der vielen verbliebenen Atomendmülllager können wir nur hoffen, dass die vorangetriebene Forschung irgendwann einen Weg finden wird, die radioaktiven Stoffe abzubauen. Die aktuelle Energieversorgung basiert vollständig auf regenerativen Quellen.
Der gesellschaftliche Wandel spiegelt sich natürlich auch in der Politik wider. Das Hauen und Stechen und die Kultur des kon- tinuierlichen Gegeneinanders hat in den letzten Jahren ein Ende gefunden. Politiker sind nunmehr zuerst ihrem Gewissen und nicht länger ihrer Partei gegenüber am stärksten verpflichtet. Die zwi- schenparteiliche Zusammenarbeit einzelner Politiker an gemein- samen Schwerpunktthemen ist keine Seltenheit mehr und bringt große Erfolge ein.
Die zunehmende Zahl an parteilosen Politikern auf kommu- naler Ebene regt zum Nachdenken über die Abschaffung des her- kömmlichen Parteiensystems an.
Auch im Jahr 2050 bleiben noch viele Aufgaben auf dem Weg zu einer Weltbevölkerung, die mit Rücksicht auf zukünftige Ge- nerationen friedlich und im Einklang mit der Natur lebt, zu be- wältigen. Aber ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel legt die Grundlage, um bestehende und kommende Herausforderungen zu bewältigen.
Wenn sich meine Vision 2050 erfüllt, werde ich glücklich und stolz auf meine vergangenen 60 Lebensjahre zurückblicken und hoff- nungsfroh meiner zweiten Lebenshälfte entgegensehen.
Hat sich diese Vision nicht erfüllt, dann werde ich froh sein, dass der medizinische Fortschritt mir noch viele weitere Lebens- jahre beschert, die ich zu größtmöglichem Engagement für eine nachhaltige Entwicklung nutzen kann.
2050 – Vision, Utopie, Fantasie
Im Jahr 2050 werde ich gekämpft haben. Meine jetzige Wut an- gesichts des Zustands der Welt werde ich umgesetzt haben in Handlungen zur Verbesserung dieses Zustands. Enttäuschung und Hoffnung paarten sich zu einem hartnäckigen Antrieb gegen die Verlockungen der Bequemlichkeit unserer Gattung.
In diesen vierzig Jahren war die größte Herausforderung, mei- nen Kampf für eine gesündere, friedlichere und glücklichere Welt mit meinen musischen und lebenssichernden Bedürfnissen in Ein- klang zu bringen, was mir glücklicherweise unverhofft oft gelungen ist. Wenn ich die Welt betrachte, wie sie sich in diesen vierzig Jah- ren entwickelt hat, so stelle ich Fortschritte auf dem Weg zu meiner Vision unserer Gesellschaft fest.
In meiner Heimat Deutschland ist es alltäglich geworden, Men- schen auf der Straße zu sehen, die heute noch stigmatisiert sind. Meine Nachbarin wird auf ihrer Arbeit als Sekretärin geschätzt, dass sie das Down-Syndrom hat, ist kein Hinderungsgrund für ihre Arbeit, sondern wird als Teil ihrer Persönlichkeit angenommen. Dass ich mir weiblich markierte Kleidung anziehe, die für andere nicht zu meinem männlich eingeschätzten Körper passt, regt nur noch selten Menschen auf, denn die Normen haben sich verscho- ben. Mein Geschlecht ist nicht in meinen Papieren festgehalten, auch ohne Festschreibung bin ich rechtsfähig. Mein Joggingpartner ist Tunesier, er leitet ein mittelständisches Unternehmen. Seit sei- ner Ankunft mit seiner Familie vor fünfunddreißig Jahren hat es eine starke Einwanderungsbewegung aus Afrika gegeben, was die deutsche Gesellschaft dankbar aufgenommen hat. Im Gospelchor singe ich mit Kamerunern, Kongolesen und Ghanaern mit Euro- papass, die ihr Liedgut und ihren Performancestil gerne mit mir teilen. Deutschland und Europa haben ihre Grenzen geöffnet, die europäische Staatsbürgerschaft eingeführt und sich verjüngt.
Jeder junge Mensch lebt ein Jahr in einem anderen Land unserer Welt und knüpft dort jenes dichte Netzwerk aus freundschaftli- chen Banden, das über Jahre bestehen bleibt und zur Verständigung unserer Völker so sehr beiträgt. Die Bundeswehr ist abgeschafft, es gibt nur noch nicht-militärische staatliche Organisationen zur technischen und kulturellen Zusammenarbeit. Die Wissenschaft hat einen starken Anteil an diesem interkulturellen Austausch,
RENÉ HORNSTEIN
Student Psychologie
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denn seit die Zugangsbeschränkungen an den Universitäten gefal- len sind, sind die Hälfte aller deutschen Europabürger mit einer Bildungseinrichtung ihrer Umgebung verbunden, über die sie alle paar Jahre an Bildungs- und Forschungsaufenthalten und kulturel- len Kooperationen in anderen Ländern teilnehmen oder Menschen von anderswo bei sich aufnehmen.
Unsere Gesellschaft hat verstanden, dass die Künste und Wis- senschaften zu ihrem Frieden und Glück notwendige Voraussetzung sind, daher ist das Bildungssystem gebührenfrei, regional ausgebaut und jedem Interessierten offen. Ein Beispiel für diese Umwälzung ist die Musikalisierungsrate der Gesellschaft: Wie früher viele Ta- gebuch führten, heimlich Gedichte oder Geschichten schrieben, sowie eigene Blogeinträge und E-Mails, so komponieren heute vie- le Menschen Musik für sich selbst und andere, zu Geburtstagen, Hochzeiten und Beerdigungen und führen diese in ihren Familien- verbänden sogar meist selbst auf.
Die verschiedenen Bildungseinrichtungen sind eng miteinan- der vernetzt und unterstützen die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Bildungswilligen, indem sie sie weitersenden, wenn ihre Bedürfnisse nach neuen Ufern und Herausforderungen verlangen. Das Gesicht dieser Bildungseinrichtungen ist nicht zentralistisch, bürokratisch und managerial-autoritär zerfurcht. Stattdessen sind sie von unten organisiert, auf Bekanntschaft und Beziehungen hin strukturiert, ohne an Transparenz zu mangeln.
Die Menschen organisieren sich in regionalen Versammlungen, auf denen sie ihre politischen Belange diskutieren und selbst entschei- den. Es gibt noch von diesen Versammlungen beschäftigte Büro- kraten und Politiker, denn wer sich dem öffentlichen Leben mit Heißblut verschreibt, wird wertgeschätzt. Doch die Distanz zwi- schen professionellen und nichtprofessionellen politisch Aktiven ist geschrumpft, der Wechsel zwischen beiden Bereichen häufig.
Ähnlich ihrem politischen Regionalbezug leben die Menschen auch in überschaubaren Stadtvierteln und Dorfgemeinschaften. Auch wenn die Einwohnerdichte und die Größe der Städte zuge- nommen hat, sind die Lebensräume anders organisiert, die Men- schen leben und arbeiten in Gruppen, die sich kennen, und einsa- me, isolierte Wohnformen sind selten geworden.
Es gibt überregionale Organisationen und mit politischer Legi- timität ausgestattete Organe für die internationale Repräsentation in diesem Deutschland, doch ihre Anbindung an die regionalen
Einheiten ist enger, die Bürger entscheiden direkter mit, die Macht dieser Organe, ins Innere des Landes hinein zu entscheiden, ist ge- ringer als früher.
Ähnlich ist die Wirtschaft von Bürgern und Gesetz so sehr einge- hegt und eingebunden, dass Skandale der Entfremdung und Ab- gehobenheit, wie man sie noch um die Jahrtausendwende kannte, seltener geworden sind. Weitreichende Entscheidungen von größe- ren Wirtschaftsunternehmen, ebenso wie Entscheidungen überre- gionaler Staatsorgane werden von den Beteiligten gemäß den strikt überprüften Gesetzesvorgaben auf ihre Verträglichkeit mit den Be- dürfnissen der Natur und jetziger wie zukünftiger Generationen abgestimmt.
Design, Architektur und Städteplanung orientieren sich an Prinzipien, die Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Ver- meidung unnötigen Energieverbrauches garantieren und gleichzei- tig den Menschen als soziales und kommunikatives, nach Auto- nomie und Verbundenheit strebendes Wesen berücksichtigen. Die Menge erworbener Gegenstände pro Person ist gesunken, Gegen- stände sind langlebiger entworfen, werden eher repariert als ersetzt. Produkte, die lange Transportwege mit sich bringen, werden durch regionale Pendants ersetzt oder weniger nachgefragt, denn die Men- schen entscheiden bewusster, was sie einkaufen.
Die Mobilität der Menschen wird unterstützt von umwelt- freundlichen, weit ausgebauten und finanzierbaren öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie die Bildung jedes Menschen kostenfrei und von der Gemeinschaft gefördert wird, so auch seine Mobilität. Nur noch wenige Menschen besitzen eigene motorisierte Bewegungs- mittel, die weiterhin genutzten sind meist in der Gemeinschaft ge- teilt.
Der Energiebedarf der heutigen Gesellschaft ist gegenüber der Jahrtausendwende stark geschrumpft. Gleichzeitig wird die Ener- gie regional in kleinen Einheiten produziert und über intelligente Stromtransportsysteme dort verbraucht, wo sie benötigt wird. Die Energieproduktion verzichtet auf Großkraftwerke, die endliche Ressourcen verwenden, also Atom-, Öl-, Gas- und Kohlekraftwer- ke. Die einzigen Großproduzenten, die es noch gibt, sind Wind- und Solarparks. Die Häuser produzieren die geringe Wärme und Kühlung, die sie trotz der optimierten Bauweise noch benötigen, oft selbst. Der Häuserbau ist staatlich so massiv reguliert worden,
KERSTIN HÖTTE
Studentin Internationale Volkswirtschaftslehre
dass es bis auf manch denkmalgeschütztes Bauwerk, keine Häuser mehr gibt, die Energie verschleudern.
Die Ernährung der Menschen ist fleischärmer geworden, Fisch und Fleisch werden als seltene Genüsse geschätzt. Eine große Min- derheit der Menschen lebt jedoch, ohne Fisch und Fleisch zu essen oder Milchprodukte zu verzehren. Dementsprechend hat sich die Lebensmittelindustrie in ihrem Speisenangebot gewandelt. Gleich- zeitig hält sie viel öfter jüdische und islamische Speisegebote ein, weil staatlicherseits eine Schulung der entsprechend beteiligten Be- rufsgruppen in diesen Geboten Pflichtbestandteil der Ausbildungen ist. Die bei uns lebenden religiösen Gruppen fühlen sich dadurch noch wohler und weniger in ihrer Religionsausübung behindert als noch vor Jahrzehnten.
Unsere Zeit ist gekennzeichnet durch Achtung der Würde und des Willens jeden einzelnen Menschens. Zwangsbehandlungen in Krankenhäusern und Psychiatrien sind durch eine starke Patien- tenvertretung in diesen Einrichtungen sehr zurückgegangen. Viele vormals stationär behandelte Fälle sind tagesklinisch oder ambu- lant in Betreuung und leben sonst in ihren Heimatwohnorten und Wohngemeinschaften weiter. Es gibt noch stationär behandelnde Einrichtungen, aber sie sind weniger geworden und nur den be- sonders notwendigen Fällen vorbehalten. Die Ächtung von sozialer Ausgrenzung und die Anerkennung des menschlichen Bedürfnis- ses, in Gruppen verbunden zu sein, und zu leben hat unsere Ge- sellschaft auf ein Fundament gestellt, dass Glück und Frieden zu alltäglichen Erfahrungen in der ganzen Welt werden konnten.
Small is smart
Meine Vision 2050? Ich sehe eine Welt, in der wir uns endlich der Grenzen unseres eigenen Wissens und Könnens gewahr geworden sind und unsere Brötchen kleiner backen: Im Regionalen und Klei- nen wirken wir global. Und alle sind hieran beteiligt!
Wir haben uns verabschiedet von Technologien, deren Wir- kung wir nicht auf Dauer beherrschen: Atomkraft und systemati- sche Überwachung sind tabu!
Über den Einsatz intelligenter Software (Liquid Feedback) können alle, die interessiert und engagiert sind, ihr Wissen einbringen und effektiv an politischen Entscheidungen mitwirken bzw. es denen überlassen, auf deren Entscheidungskompetenz sie hinsichtlich ei- nes Themas vertrauen. Weil ein ausreichendes Grundeinkommen für alle gesichert ist, das durch Arbeit individuell aufgestockt wer- den kann, geht jeder der Tätigkeit nach, die er für sinnvoll und richtig erachtet: sei es die Pflege der kranken Mutter, sei es die Er- ziehung der Kinder, seien es Musik oder Kunst, sei es durch einen Beitrag zu einer Wissenschaft, die sich nicht durch monetäre Ver- wertbarkeit definiert, sondern das beinhaltet, was den Menschen wirklich bewegt.
Güter, wie Wissen und Musik, stehen jedem zu den realen Kos- ten ihrer Vervielfältigung zur Verfügung: nämlich umsonst. Open Source ist das Schlagwort!
Wir haben es geschafft, die Gewinne aus den Potenzialen gestei- gerter Effizienz endlich dahin zu lenken, wo sie hingehören: in das Wohlbefinden aller!
Weil wir Autos gemeinsam bzw. eigentlich sowieso fast nur noch Massenverkehrsmittel nutzen, macht es richtig Spaß, auf leeren Straßen an sauberer Luft Fahrrad zu fahren. Wir haben es geschafft, die Ressourcen unseres eigenen Landes so auszuschöpfen, dass wir gar nicht gierig auf Afrika blicken brauchten. Weil wir fast alles selbst herstellen können und sehr viel recyceln, konnten wir uns von globalem Wettbewerbsdruck befreien. Natürlich haben wir auch erkannt, dass wir nicht viel mehr zum Leben brauchen als etwas zu essen und eine kleine Wohnung mit schönem Balkon, die aufgrund der guten Isolierung kaum beheizt werden muss (manch- mal reicht auch der dickere Pulli).
Wir haben erkannt, dass Zeit und eine intakte Umwelt viel höhe- ren Wert besitzen als ein neues Handy, riesige Fernseher und dicke Autos!
Außerdem wünsche ich mir: Eine Schule für alle (Keine Trennung nach der 4. oder 6. Klasse, sondern gemeinsa- mes Lernen in der Schulzeit); Endgültiger Ausstieg aus Atomenergie!! (nicht nur auf Deutschland begrenzt, vor allem jetzt nach Fukushima); Mehr Investitionen in die Bil- dung (von KiTa bis zur Hoch- schule, die Bildung ist unsere Zukunft);
Soziale Gerechtigkeit.
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ERKAN INAK
Meine Vision für 2050
Meine Vision für 2050. Es sind noch 39 Jahre hin. Doch auch wenn es so lange aussieht, vergeht die Zeit dann doch schneller als man denkt. Ich bin der Auffassung, dass wir bis dahin sehr viel schaffen können!
Wir leben heute im Jahre 2011, dieses Jahr ist besonders, denn es ist das Jubiläum der Einwanderung: 50 Jahre Einwanderung in Deutschland.
Doch reden wir leider weiterhin über Integration.
Ich wünsche mir, dass dieser ganze „Integrationsprozess“ bis 2050 endlich abgeschlossen ist. Dass es kein „wir“ und „ihr“ gibt, son- dern dass wir alle in Deutschland ständig lebenden Menschen zu einem gemeinsamen „wir“ schmelzen. Denn wir brauchen gar kei- ne Brücken, wir leben schon so lange zusammen, wir müssen nur über unsere Schatten springen.
Die politische Partizipation ist sehr wichtig, daher wünsche ich mir bis 2050, dass nicht nur EU-Bürger und Deutsche aktiv und passiv an der Politik teilnehmen dürfen, sondern alle in Deutsch- land ständig lebenden Menschen, die sich für diese Gesellschaft einsetzen. Es ist traurig, wenn ich Menschen sehe, die seit 40 Jahren hier leben, immer arbeiten, ihre Steuern gezahlt haben, letztendlich dann aber aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit gar nicht politisch mitwirken dürfen.
Vielleicht hat unser Bundeskanzler oder unsere Bundeskanzlerin in 2050 einen Migrationshintergrund.
Keine Frage, dass es auch viele aktive Jugendliche gibt, die auch schon das Recht haben, aktiv oder passiv mitwirken zu dürfen. Wenn ich auf die Teilnehmerliste unserer Konferenz schaue, sehe ich nur sehr wenige Namen mit Migrationshintergrund. Für mich spiegelt das nicht unsere Gesellschaft wider, deswegen wünsche ich mir, dass bei der nächsten Konferenz mehr Jugendliche mit Migra- tionshintergrund nominiert werden, damit auch deren Ansichten vertreten werden können und die Gesellschaft widergespiegelt wer- den kann.
Skizzen einer Welt von morgen – Vision 2050
Heute im Jahre 2050 leben wir in einer pluralistischen Gesellschaft, in der trotz unterschiedlichster Lebensentwürfe ein gesamtgesell- schaftlicher Konsens darüber herrscht, die Grundsätze der Nachhal- tigkeit im eigenen Leben zu verwirklichen. Eine Ethik der Nachhal- tigkeit findet allgemein Ankerkennung und dient uns als normative Grundlage gesellschaftlicher Werteorientierung. Eines der zentra- len Gebote lautet Genügsamkeit. Eine wichtige Frage, die sich ein jeder von uns in diesem Zusammenhang zu stellen hat, lautet: Was brauche ich wirklich um ein sinnerfülltes und glückliches Leben zu führen? Viele Menschen haben sich in den vergangenen Jahren dar- auf besonnen, ihr eigenes Wohlergehen in Einklang mit dem ihrer Mitmenschen und der Natur zu bringen. Wohlsein im Augenblick des gelebten Lebens ist für viele von uns wichtiger geworden als die Mehrung materiellen Wohlstands. Außerdem sichert ein Bedin- gungsloses Grundeinkommen die Existenz eines jeden Bürgers auf einem lebenswerten Niveau. (Jedes zusätzlich erwirtschaftete beruf- liche Einkommen ist frei verfügbares Vermögen.) Arbeit hat damit ihre primäre existenzsichernde Funktion verloren und ist zu einer sinnstiftenden Lebensaufgabe geworden – ein jeder hat die Freiheit, das zu tun, was er selbst für nötig und für richtig hält. Viele Men- schen nehmen diese Chance zur Selbstentfaltung wahr, besinnen sich auf ihre Talente und Potenziale und verbinden ihr Tätigsein mit der Frage, wie sie sich mit ihrem Wissen und Können in ein gelingendes wirtschaftliches und gesellschaftliches Zusammenleben einbringen können. Insbesondere die gesellschaftliche Mitgestal- tung ist für uns Bürger längst zu Selbstverständlichkeit geworden, ein jeder von uns trägt mit seinem persönlichen Engagement zu einem starken Gemeinwesen bei. Wir leben in einer bürgernahen Demokratie, in der die Teilhabe eines jeden Bürgers an politischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen durch eine Vielzahl von Beteiligungsverfahren gefördert und gesichert wird. Vor allem auf lokaler Ebene beteiligen sich viele Bürger aktiv an der Gestal- tung politischer Prozesse.
Unsere gelebte Kultur der Inklusion garantiert, dass jeder Mensch in seiner Individualität und Ethnizität von der Gesellschaft akzep- tiert wird und im vollen Umfang an ihr teilhaben kann. Menschen, denen dahingehend Unrecht widerfährt, können auf schnelle und
LUKAS JAEGER
Student Management Sozialer Innovationen
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unbürokratische rechtliche Hilfe vertrauen. Kulturelle Vielfalt prägt das gesellschaftliche Zusammenleben, allerorts laden multikulturel- le Begegnungsstätten und Bürgerhäuser zum aktiven interkulturel- len Austausch und zu gesellschaftlichem Miteinander ein. Unser offenes und kostenloses Bildungssystem garantiert zudem chan- cengleiche Bildungszugänge für jeden. Wir haben längst begriffen, dem Menschen ist das Lernen eigen, man braucht es ihm nicht durch Leistung aufzwingen. Das Resultat dieser Erkenntnis lässt sich wunderbar in unseren generationsübergreifenden Bildungs- zentren beobachten. Kitas und Gesamtschulen sind heute Orte des selbstbestimmten und lebendigen Lernens. Bildungsinhalte und Lernziel werden gemeinsam mit den Heranwachsenden erarbeitet. Ein jeder hat das Recht auf individuelle Lernwege, die dem eigenen Entwicklungstempo entsprechen. Eine gelebte Alltagsdemokratie ermöglicht Kindern und Jugendlichen eine Vielzahl von Beteili- gungschancen, somit werden gesellschaftliche Teilhabe und soziale Verantwortung schon früh erlernt.
Dem Wachstumsparadigma der vergangenen Jahrzehnte, das immerwährenden technischen Fortschritt und ökonomisches Wachstum propagierte, um Wohlstand zu mehren, steht heute eine nachhaltige Wirtschaftsweise gegenüber, die neben Effizienz- ebenso Suffizienzziele verfolgt. Über den Verkauf von Emissions- und Naturverbrauchsrechten wurden in den vergangen Jahrzehn- ten die notwendigen markwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Anreizsysteme für ein nachhaltiges Wirtschaften geschaffen. Seither sind Unternehmen stark darum bemüht emissionsneutral und ressourcenschonend zu produzieren.
Unsere Ökonomie des späten 21. Jahrhunderts ist eingebun- den in ein Referenzsystem, das die marktwirtschaftliche Logik der reinen Nutzen- und Gewinnmaximierung durchbricht und neben dem Finanzgewinn, als Kriterium für unternehmerischen Erfolg, ökologische und soziale Wertschöpfung als Ziel unternehmerischen Handelns implementiert. Seit einigen Jahren wird jedes Unterneh- men im Sinne einer Gemeinwohlbilanz auf seine ökologische Ver- träglichkeit, seine sozialen Standards und sein gesellschaftliches En- gagement hin überprüft. Kapitalanleger und Investoren legen heute großen Wert auf einen möglichst hohen ökologischen und sozialen Marktwert eines Unternehmens, insbesondere börsennotierte Un- ternehmen bemühen sich daher um eine hohe Gemeinwohlbilan- zierung. Seit der Einführung des Bedingungslosen Grundeinkom- mens wurden unzählige Social Businesses gegründet, mit dem Ziel
soziale/ gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen zu lö- sen. Statt Gewinnmaximierung streben sie einen möglichst hohen Social Value an. Mögliche Gewinne werden daher in den Grün- dungszweck des Social Business reinvestiert. Finanzierungsquelle sind in der Regel Investoren, die mit ihrem Kapital eine soziale Rendite erzielen wollen, sie erhalten nämlich keinerlei Dividende für ihre Einlagen.
Aufgrund der immer knapper gewordenen natürlichen Res- sourcen haben wir begonnen diverse Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens als Gemeingüter miteinander zu teilen. Außer- dem kaufen wir als kritische und bewusste Konsumenten weitest- gehend ökologische und fair-gehandelte Produkte. Die meisten von uns legen sehr viel Wert auf langlebige und qualitativ hochwertige Produkte. Regionalität und Saisonalität stehen hoch im Kurs – wir haben erkannt, wie wichtig die Stärkung regionaler Wirtschafts- kreisläufe ist, um eine nachhaltige Wirtschaftsweise voranzutreiben. Unsere Lebensmittel kommen daher meist aus der umliegenden Region, sind zu 100% biologisch und werden absolut ressourcen- und umweltschonend produziert. Ein weiteres Beispiel wäre unsere Energieversorgung, die ausschließlich auf regenerativen Energie- quellen basiert und in weiten Teilen unseres Landes regional und dezentral organisiert wird. Nachhaltige Mobilitätskonzepte setzen auf öffentliche Verkehrsmittel und ein gut ausgebautes Schienen- netz. Das Reisen mit der Bahn ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden, ebenso wie das Fahrrad, mit dem wir uns vor allem in Städten fortbewegen. Es ist in den vergangen Jahren zum Symbol eines nachhaltigen urbanen Lifestyles geworden. Das Auto hinge- gen ist in den Städten praktisch von der Bildfläche verschwunden und mit ihm die unzähligen Parkplätze – an ihrer Stelle befinden sich nun urbane Gemeinschaftsgärten und Grünanlagen. Wer dann doch einmal ein Auto benötigt, geht zur nächsten E-Carsharing- Station und leiht sich dort eins aus.
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MELANIE JURTHE
Meine Welt
Was ist eine Vision? – Ein Wunschgedanke? Eine Unwirklichkeit? Ein Zukunftsszenario? Eine Halluzination? Eine Idee? Eine Vorstel- lung? Eine spirituelle Erscheinung? Eine Utopie? Eine Phantasie? Ein Wunschbild? Eine Illusion? Eine Erfindung? Eine Anschauung? Ein Schein? Ein Irrlicht? Eine Seifenblase? Eine Konstruktion? Eine Fiktion? Eine Ansicht? Ein Bild? Ein Einblick? Ein Geist? Eine Schöpfung? Eine Kreation? Eine Welt?
In 40 Jahren bin ich 65. Eine 65 Jahre ALTE Frau. Nur lang- sam kann ich mich mit diesem Gedanken anfreunden. Ich werde noch für Lohn arbeiten. Rente? Abgeschafft. Wir arbeiten bis wir umfallen. Für jede Krankheit gibt es die „richtige“ Pille, die die Symptome unterdrückt. Ich wohne auf 20qm und zahle kalt 900 €. Von meinem vierten Mann habe ich mich gerade scheiden lassen – das macht man halt so. Wir sind die Kinder der Postmoderne – flexibel, wendig und schnelllebig. Wir glauben, dass nichts ewig hält.
In 40 Jahren bin ich 65. Eine 65 Jahre alte Frau. Ich bin ehren- amtlich aktiv, da ich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen sehr gut leben kann. Ich kann mir meine Zeit und Energie nach meinem Empfinden einteilen. So bin ich viel belastbarer und ge- sünder. Das Gesundheitssystem befürwortet alternative Heilmetho- den und Präventionsmaßnahmen. Die Pharmaindustrie hat keinen Einfluss mehr auf die Gesellschaft. Die Menschen sind aufgewacht und wir sind in einer klima- und umweltfreundlichen Zukunft. Wir verbrauchen nicht mehr massenhaft Ressourcen und belasten unsere Welt nicht mit Unmengen an Abfall. Langsam erholt sich der Planet von unserer Beanspruchung. In der Politik können wir echt partizipieren. Die Wirtschaft strebt nicht mehr nur nach dem Kapital und beeinflusst die Politik nicht.
Durch ein liebevolles Miteinander sind die Menschen weltweit dabei immer mehr in Frieden und Harmonie zu leben. Wir akzep- tieren und schätzen die Pluralität auf unserem Planeten – in allen Bereichen. Wir haben entschleunigt und leben ruhiger und gelasse- ner.
Das ist meine Vision. Ein Wunschgedanke. Eine Unwirk- lichkeit. Ein Zukunftsszenario. Eine Halluzination. Eine Idee. Eine Vorstellung. Eine spirituelle Erscheinung. Eine Utopie. Eine Phantasie. Ein Wunschbild. Eine Illusion. Eine Erfindung. Eine
Anschauung. Ein Schein. Ein Irrlicht. Eine Seifenblase. Eine Kon- struktion. Eine Fiktion. Eine Ansicht. Ein Bild. Ein Einblick. Ein Geist. Eine Schöpfung. Eine Kreation. Eine Welt.
Die Zukunft im Jetzt
Menschen, Bilder, Emotionen, im Geist, im Raum, der Zeit, der Zukunft. In meiner Zukunftsvision sind Menschen in ihrem Han- deln so bewusst, dass es ausreicht, wenn eine Art vernichtet wurde, dass es Proteste gibt gegen die menschlichen Instrumente mit der sich die Menschheit selbst vernichtet!
Energie. Die Nachhaltige Gesellschaft – die ökologische und ener- giepolitische Erneuerung: Gestützt auf eine weitgehend dezentrale Energiegewinnung, unterstützt durch größere transnationale Pro- jekte der Energieversorgung mit einer nahezu vollständig vollzo- genen Umstellung auf erneuerbare Energien (vor allem Wasser-, Wind- und Sonnenenergie). Es gibt eine Koexistenz von Desertec und Elep, der Europäischen Lokalen Energieplattform.
Mensch und Gesellschaft. Menschen abholen, wo sie gerade sind, das können wir, indem wir einen kranken Nachbarn besuchen, ei- ner älteren Dame aus unserem Umfeld beim Einkauf helfen, einem Trauernden, den wir kennen, Hilfe anbieten. Kleine Gefälligkeiten können wir als Einzelne zumindest meistens schaffen. Doch was machen wir mit der Masse von Menschen? Wir dürfen unsere Au- gen offen halten, wir dürfen kreativ sein. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an und gehen wir auf die Menschen zu. Warum? Wir werden immer mehr und wenn wir nicht aufeinander zugehen, dann wer- den wir an dieser Vision vorbeigehen
Umwelt, Naturschutz und Umweltbildung. Der Natur- und Umweltschutz wie auch die Umweltbildung sind voll in staatlicher Hand und werden somit gleichgestellt mit den wirtschaftlichen Interessen. Die NGOs haben nur noch eine überwachende Funktion und somit die Möglichkeiten mehr Spektren zu über- wachen und auszugleichen.
Halt! Das ist nicht meine Visi- on. Das ist die Vision der Pes- simistin in mir.
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PATRICK KENTENICH
Unternehmensgründer
Hier ist die Vision:
Weiterdenken ab 2050 Weil wir im Jahr 2050 verstanden haben werden, dass wir unseren Kindern ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir immer nur in Legislaturperioden, Amtszeiten oder auf eine Generation beschränkt denken, werden wir unseren Planungs- horizont erweitert haben. Eine langfristige Aussicht mit konkreten Angaben, wie künftige Generationen vor Belastungen aus der heu- tigen Zeit geschützt werden, wird Bestandteil jeder Regierungser- klärung, jedes Business-Plans und jeder Unternehmensvision sein. Auch in den Köpfen der einzelnen Menschen wird sich die Erkennt- nis niedergeschlagen haben, dass eine kurzfristige Betrachtungswei- se jeglicher intergenerationeller Gerechtigkeit entgegensteht: 2050 wird langfristiges Denken zu einer Normalität geworden sein!
Natürlich Leben!
„Sozial-Ökologische Marktwirtschaft“
Wenn ich die Natur und den Kosmos mit ihren Gesetzmäßigkeiten anschaue, so begegnet mir ein in sich geschlossener Organismus, der mir wunderschön und perfekt erscheint. Der Mensch hat sich über die Zeit zu einem Verursacher von Unregelmäßigkeiten entwickelt, die wiederum zu Unfrieden führen. Auch wenn mir Menschen begegnen, die diesen Unfrieden nur wenig in sich tragen. Es scheint, als ob der ausgeglichene Mensch, der, mit dem was er tut, konsumiert und wie er sich gibt, in Frieden lebt, keinen Unfrieden bewirkt und ausstrahlt. Also nehme ich an, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, Teil einer friedlichen Welt zu sein, vorausgesetzt er folgt seinem natürlichen In- stinkt, seiner Selbsterfüllung, losgelöst von Altlasten und Ängsten.
Der Staat gibt die Sicherheit (Maslowsche Bedürfnispyramide). Beispiel: Ansätze des bedingungslosen Grundeineinkommens. Es bedarf einer langsamen Einführung.
Die Bildung geht auf die individuellen Stärken der Schüler ein und fördert die Selbsterfüllung (Ansätze der Labor Schule Bielefeld, Hartmut von Hentig), Politik trennt sich von der Wirtschaft und steht für die Bedürfnisse des Menschen und seines Lebensraumes. Sie kontrolliert nach den international festgelegten Öko-Sozialsteu- ersätzen sämtlichen Ressourcenverbrauch und Prozesse der Wirt-
schaft, um diese zu erheben, um somit Produkte, die dem Allge- meinwohl schaden, zu bremsen und gute zu fördern.
Die Wirtschaft kalkuliert nach der Kosteninternalisierung und bezahlt auf alles die Öko-Sozialsteuer, welche für die Forschung und die Förderung von regenerativen Energien, zukunftsfähige Mobilität und Landwirtschaft genutzt wird.
Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden nach dem Perma- kultur-Prinzip angebaut und durch den Ansatz von Biodirekt ver- marktet, transparent, direkt, regional, wie global, biologisch und fair. Optimale Ausnutzung der Agrarflächen unter anderem durch „Urban Farming“.
Alt und Jung helfen einander, dies wird z.B. durch Wahlver- wandtschaften und alternative Wohnprojekten gefördert.
Männer und Frauen leben ihre Stärken und akzeptieren sie anein- ander. Sie sind gleichstarke Geschlechter, die sich brauchen. (Chris- ta Wolf, Kassandra)
Eine natürliche und friedvolle Welt, in der Freiheit, das Be- wusstsein und die Liebe großgeschrieben werden.
Dies bis 2050 zu erreichen, hängt von jedem Einzelnen und einem großen Bewusstseinsschub ab.
Meine Vision bis 2050
2050 – die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts liegt hinter uns. Was hat sich alles verändert seit unserer Konferenz, die wir 2011 im März hatten. Wie lange ist das her. Wie alt war ich damals … 17? Was hatte ich mir alles vorgestellt. Ein Leben in einer demokrati- sierten Welt, die in Eintracht und Frieden miteinander lebt. Ein Europa, eine Welt. Und jetzt? Was ist aus meiner Zukunftsvision geworden?
Den Schritt zu einer europäischen Einheit haben wir beina- he geschafft. Wir verstehen uns jetzt schon fast als Europäer, nur noch in manchen Köpfen ist das Wort Deutscher, Engländer oder Franzose verankert. Die Kinder unserer Nationen lernen nur noch, dass sie in einem Staat von Europa leben, welcher Staat das ist, ist irrelevant geworden. Sie lernen auch nicht mehr so wie wir früher. Meine älteste Tochter, geht nicht mehr zur Universität, sie kann
TOBIAS KEYE
Geschäftsführer Biohandel
Hierfür bedarf es an mehr unabhängiger Bildung im Bereich Nachhaltigkeit und z.B. einer bundesweiten Aus- schreibung, bei der jeder Bür- ger seine Vision einbringen darf. Social Media macht es möglich!
LISA KÖNIG
Schülerin
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ihre Professoren im Internet abrufen, ihre Vorlesungen anhören und das Ganze von unserem Balkon aus. Ob ich darüber glücklich bin, na ja…
Es hat sich sowieso sehr viel verändert in der Bildung. Die Grundschule dauert bis zur sechsten Klasse und manche Universi- täten haben die Studiengebühren abgeschafft und werden jetzt von Spenden finanziert. Die Visualität hat stark zugenommen, doch die Motivation der Schüler ist nicht so hoch wie wir sie uns er- träumt hatten. Es gibt, genauso wie zu meiner Schulzeit, in den nun kleineren Klassen knapp zwei Drittel, die einfach keine Lust haben etwas zu lernen. Auch existiert noch keine Chancengleich- heit in Sachen Bildung, es kommt immer noch darauf an, aus was für einem Elternhaus man kommt. Die Studenten, deren Eltern die Universitäten mehr unterstützen sind bei den Professoren sehr beliebt, und die Schwächeren bleiben teilweise immer noch auf der Strecke.
Doch die politische Partizipation ist besser geworden. Die Politiker haben es geschafft die Sprache der Menschen zu treffen, haben ihnen gezeigt, wie wunderbar und schön die eigene Betei- ligung sein kann. Sie waren endlich offen, haben mit den Men- schen gesprochen und nicht über sie. Das war der entscheidende Punkt, der das Blatt zum Kippen gebracht hat. Die Pionierrolle hatte dabei tatsächlich Deutschland und löste damit eine Welle der politischen Mitarbeit aus, die dem Tsunami in Japan von 2011 sehr nahe kommt. Die Menschen fühlten sich wirklich einbezogen und nicht übergangen in den politischen Entscheidungen, das brachte sie dazu wirklich aktiv zu werden. Doch nicht nur Gutes ist in un- serer Welt geschehen.
Der Terrorismus hat nicht abgenommen. Die Probleme sind anders geworden, haben sich verändert, doch die Gewalt ist diesel- be. Die Menschen streiten sich zwar nicht mehr über ihre Religion, über ihre Herkunft oder über Diktatoren, die es Gott sei Dank nicht mehr gibt. Doch nun kämpfen sie um Land, das in einer im- mer größer werdenden Welt immer knapper wird. Der Kampf um Ressourcen hat begonnen, Wasser steht dabei an der obersten Stelle der Begehrtenliste. Die neue Dimension des Terrorismus liegt in dem damaligen Segen, dem Internet. Immer unsicherer werden die Netzwerke, weil Hacker von verschiedensten Gruppen es immer wieder schaffen, in die Internetseiten einzudringen und wertvolle und manchmal auch vertrauliche Informationen zu stehlen, auch in Dokumenten von Regierungen.
Erneuerbare Energien sind weiter auf dem Vormarsch, die Atom- kraft wurde nach einer weiteren Atomkatastrophe in L.A abge- schafft. Sobald es die Amerikaner betraf, wurde sehr schnell gehan- delt. Man hat eingesehen, dass Menschen Dinge, die zu groß sind, um sie voll und ganz zu verstehen, niemals unter eine vermeintliche Kontrolle bringen können und das ist gut so.
Im Großen und Ganzen kann man sagen, die Welt ist noch keine Einheit, doch manche Dinge haben sie zusammengeschweißt und auf einen Weg gebracht, der sicherlich in den nächsten Jahren zu einer Einheit führen wird. Da kann ich sicher sein und aus meinem Fenster schauen, ohne mich für das schämen zu müssen, was ich vor 39 Jahren erträumte…
Leben ohne Öl
Ein großes und immer wichtigeres Thema für unsere Zukunft ist „Wie gehen wir mit der Endlichkeit des Öls um?“
Das Erste was mir bei dieser Frage durch den Kopf geht ist: Wie de- cken wir unseren Energiebedarf ab? Welche Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung?
Das Jahr 2050. Ich blicke aus meiner Wohnung und sehe ringsum eine wunderschöne intakte Natur. Die Häuser in der Umgebung sind gepflegt. Der Baustil verdeutlicht die gelungene Kombination von modernem Design, Nachhaltigkeit und innova- tiver Technik. Große Glasfassaden bringen tagsüber viel Licht und Wärme in die Wohnung, auf den Dächern thronen moderne Solar- und Photovoltaikanlagen. Und das Besondere, keine Schornstei- ne weit und breit. Beim Nachbarn sehe ich, wie sich dieser gerade Erdsonden für seine neue Wärmepumpe bohren lässt. In weiter Entfernung, die Biogasanlage eines Bauern. Noch dahinter lässt sich die Silhouette von mehreren Windkraftanlagen erkennen. Ein Faszinosum stellt die Effizienz dar. Nahezu jedes Haus deckt seinen Energie- und Wärmebedarf vollständig selbst ab. Die Biogas- und Windkraftanlagen liefern die fehlende Energie für die umliegenden Dörfer hinzu.
BENNY KONTOROWITZ
Ingenieur in der Forschungs- und Entwick- lungsabteilung eines Heiztechnik- Systemherstellers
Ein weiterer Aspekt: Wie se- hen die Produkte der Zukunft aus, so ganz ohne Öl und Kunststoffe?
Es ist ein tolles Gefühl: Die Energie- und Wärmeversorgung wird vollständig mit regenerativen Energiequellen gedeckt!
In meinem Wohnzimmer stehen ein Fernseher, ein Laptop, sowie weitere technische Produkte. Allesamt sind sie mit Kunststoffteilen verkleidet. Aber wie das? Ich dachte, das Öl sei seit einiger Zeit für immer versiegt. Im Internet wird mir dies auch auf mehreren renommierten Seiten bestätigt. Nach einer längeren Recherche ist mir klar: Es sind Kunststoffe! Entweder recycelter Kunststoff oder aber auch sogenannter Bio-Kunststoff. Hergestellt aus Stärke von beispielsweise Mais oder Kartoffeln. Selbstverständlich nur aus den Abfällen der Lebensmittelindustrie. Meine Gedanken schweifen weiter. Was ist mit Lacken, Klebern, Schläuchen …? Auch hier eine positive Nachricht. Allesamt werden aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt.
Unsere Welt hat riesige Fortschritte gemacht. Hoch effizient und alles basierend auf regenerativen Energiequellen und erneuerbaren Rohstoffen.
2050 einig, gleich, gerecht
Wir leben in Deutschland, einem Land, das sich auf technische Fortschritte, globale Entwicklungen, sowie Bedürfnisse seiner Be- wohner und den daraus folgenden Konsequenzen für deren Ar- beitsleben, dem Miteinander und den sich ändernden Lebenswirk- lichkeiten angepasst und eingestellt hat.
Ein Land, in dem Menschen arbeiten, da ihre Arbeit einen Beitrag zur Gesellschaft und deren Gelingen leistet! Ein Land, in dem es genug Arbeit für die Bevölkerung gibt, trotz technischer Neuerungen und geringerer zeitlicher Anforderungen.
Ein Land, in dem Bildungsgerechtigkeit nicht nur eine Vision ist, sondern gelebte Praxis. Ein Land, in dem jedem Kind jeder Weg für ein gelingendes Leben offen steht. Ein Land, in dem Leistung und Erfolg nicht an erster Stelle stehen, sondern gutes Miteinander und gute Lebensqualität für alle von der ganzen Gesellschaft ange- strebt und ermöglicht werden.
BJÖRN KRAUSE
Student Geologie, Mineralogie, Geophysik
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Ein Land, das sich auf Änderungen in seiner Umwelt eingestellt hat und Rücksicht auf diese nimmt. Ein Land, das baut, wo natür- liche Gefahrenpotenziale gering sind und ein Zusammenspiel von Mensch und Natur möglich und gewollt ist. Ein Land, das Energie aus regenerativen Quellen bezieht, deren Konsequenzen möglichst gering für ihre Umwelt sind.
Ein Land, dessen Bürger politisch interessiert sind und die am politischen Geschehen mitwirken. Ein Land, das auch weiterhin durch demokratisch gewählte Vertreter regiert wird.
Ein Land, das seinen Bürgern viel bieten kann, aber nur durch deren Mitgestaltung und Tun lebt! Ein Land, in dem es sich lohnt zu leben, ein Land das vom Wandel getragen wird, ein Land das nicht zum Stillstand kommen will, da Weiterentwicklung und In- novation Motor der Gesellschaft sowie jedes Einzelnen sind.
MELANIE KUBSCH
Studentin Kulturwissenschaften
Zwischenmenschliche Kommunikation/ Toleranz / Akzeptanz
Zur nachhaltigen Entwicklung innerhalb der nächsten 40 Jahre zählen für mich verschiedene Aspekte. Neben einem bedachtsame- ren Umgang mit der Natur und der Nutzung ihrer Ressourcen, sehe ich einen Schwerpunkt in der zwischenmenschlichen Kom- munikation. Dabei sind nationale wie internationale Beziehungen von Bedeutung.
Ein jeder Mensch sollte lernen, anderen ein gewisses Maß an Toleranz und Akzeptanz entgegenzubringen. Ein Umdenken inner- halb der Gesellschaft ist die Basis dafür.
Dieses kann mithilfe verschiedener Maßnahmen gefördert werden. Vorurteile können durch Dialog abgebaut werden.
Bildung:
• neben nationalen, internationale Themen einbeziehen (z.B. Geschichte der angrenzenden Länder)
• verstärkt in Diskussionsgruppen über aktuelle Ereignisse weltweit reden
Kultur:
• Austausch der verschiedenen Kulturen, ohne die eigene Identität zu verlieren
• mithilfe der Kenntnis der kulturellen Wurzeln versuchen, das Leben(sbild) des Anderen zu verstehen
• Dialog und verstärkte Ökumene der Religionen; alle mit einbeziehen, Gläubige wie Atheisten, aus allen gesellschaft- lichen Schichten
Soziales:
• Workshops mit Teilnehmern verschiedenen Alters gestalten
• Austausch verschiedener Gruppen & Schichten weltweit
fördern, internationale Partnerschaften ausbauen
• verstärkte Miteinbeziehung verschiedener Bereiche, beispiels- weise des Tourismus und der Bildungseinrichtungen, um die
internationalen Zusammentreffen zu gewährleisten
Technik:
• Weiterentwicklung von technischen Kommunikationsmitteln,
• einfach zu handhabende Videotelefonie/-chat, der auch für die
ältesten und jüngsten Generationen leicht zu handhaben ist
• handschriftliche Texte elektronisch verschicken
Meilensteine zu einer nachhaltigen Zukunft 2050
Die Betrachtung der aktuellen globalen geopolitischen Situation verdeutlicht sehr gut, vor welchen zukunftsweisenden Herausforde- rungen die Menschheit steht. Diese gilt es zukunftsorientiert und nachhaltig zu lösen, um auch ein Leben der nachfolgenden Genera- tionen im Jahr 2050 und darüber hinaus zu gewährleisten.
Zu nennen sind insbesondere die Staatsverschuldungsproble- matik vieler Industriestaaten, die aus dem Ruder zu laufen schei- nen (v.a. Japan, USA und Peripherieeuropa), oder die Umwelt- katastrophen, die sicherlich auch durch anthropogenen Einfluss (Umweltverschmutzung wie CO2- und Treibhausgasausstoß) tan- giert worden sein dürften. Darüber hinaus zeigen z.B. die Kon- flikte im Nahen Osten oder Nordafrika, welches Konfliktpotenzial Unterdrückung und Armut bergen. Diese haben enormen Einfluss auf die gesamte Weltwirtschaft (Börsenturbulenzen, Öl- und Nah- rungsmittelpreisexplosion etc.).
Die Herausforderungen scheinen auf den ersten Blick schier unend- lich und überfordernd. Allerdings ist keine Zeit daran zu verzwei- feln. Noch ist genug Handlungs- und Entscheidungsspielraum für eine tolle nachhaltige Zukunft über das Jahr 2050 hinaus. Jedoch gilt es globale Lösungen zu finden, die es gemeinsam umzusetzen gilt. Nachhaltigkeit ist für mich der Einklang aus Ökonomie, Öko- logie und Sozialem. Und basierend auf dem Brundtland-Bericht sind die Entscheidungen so zu treffen, dass sie ein Leben zukünf- tiger Generationen nicht gefährden und diese ihre Bedürfnisse de- cken können.
Ein wesentlicher Punkt ist das Eindämmen der Neuverschul- dung und darüber hinaus der Abbau der Staatsverschuldung. Denn
Wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Ich wünsche mir für 2050, dass die klaren Grenzen und Linien, die sich durch die Ge- sellschaft weltweit ziehen, verschwimmen. Es ist egal, welchen Alters, welchen Ge- schlechts, welcher Ethnie jemand angehört, welchen Bildungsstandard und welche Position er inne hat. Die Men- schen gehen aufeinander zu. Sie diskutieren miteinander, ohne dabei ihre eigene Iden- tität oder Kultur zu verlieren. Und sie helfen einander.
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PATRICK KÜMMEL
Investment Consulting bei einer Bank
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nur ein gesunder Staatshaushalt bietet den nötigen Handlungsspiel- raum für zukunftsgerichtete Entscheidungen und Investitionen. Es kann und darf nicht sein, dass ein Großteil des Staatshaushalts (speziell in Industriestaaten) zur Finanzierung der Schuldenlast ver- geudet wird. Wie in jedem Unternehmen gilt es auch im Staatsap- parat die Effizienz zu steigern und Sparmaßnahmen einzuleiten, um Investitionsspielraum für zukünftige und zukunftsgerichtete Investitionen zu schaffen. Hier gilt es auch die Bürger über die Notwendigkeit zu unterrichten und nicht ständig Wahlgeschenke zu verteilen oder aus Angst vor Wählerverlust nötige Entscheidun- gen zu verzögern. Hier ist ein gemeinsames Handeln aller Parteien essentiell. Auch darf es nicht sein, dass die Politik zukünftig auf die „alte“ Generation ausgerichtet wird, um Wählerstimmen zu sichern. So kann und darf es nicht sein, dass der Ausbau von Pflegeheimen zu Lasten des Ausbaus von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Bildungseinrichtungen geht. Hier wäre z.B. an eine Wahlstimme je Kind für einen der Erziehungsberechtigten zu denken.
Einen weiteren Konfliktpunkt sehe ich in der weltweiten Armut und Ungleichbehandlung, die ich insbesondere bei meiner Weltrei- se 2009 durch diverse Entwicklungsländer erfahren durfte. Zum ei- nen gilt es demokratische Systeme zu etablieren, die es ermöglichen, jedem Menschen Gehör zu verschaffen und die der Unterdrückung durch diktatorische Regime entgegenwirken (z.B. aktuelle Situati- on in Nordafrika). Zum anderen sehe ich Bildung als entscheiden- des Mittel, um der weltweiten Armut und Bevölkerungsproblema- tik entgegenzutreten. Bereits heute ist es fast unmöglich 6 Mrd. Menschen ein passables und lebenswertes Leben zu ermöglichen, welches frei von Armut und Hunger ist. Wie über das Jahr 2050 mit dann viel höheren Konsumbedürfnissen voraussichtlich 9 Mrd. Menschen auf dieser einen, unseren Erde friedlich leben können, ist mir unter den derzeitigen Bedingungen schier unvorstellbar. Bildung und Toleranz ist hier unabdingbar. Bildung und die Schaf- fung von sozial- und umweltgerechten Arbeitsbedingungen führen zu Wohlstand. Dieser resultiert letztlich darin, dass der Bevölke- rungsdynamik, die insbesondere durch niedrige Bildungsschichten und durch die arme Bevölkerung getrieben wird, Einhalt gewährt werden kann. Denn dadurch sind arme Familien nicht mehr auf sieben und mehr Kinder angewiesen, die wiederum dem gleichen Problem bzw. Schicksal unterworfen sind und wodurch es teufels- kreisartig zu einer exponentiellen Bevölkerungsexplosion kommt
(bereits heute gut ersichtlich), um die Familie zu ernähren und den Lebensalltag der Eltern zu sichern. Hier gilt es eine Umverteilung von Wohlstand zu gewährleisten und die Menschen am Ende der Wertschöpfungskette gerecht für ihre Leistung zu entlohnen. Dies ist derzeit leider meist nicht der Fall. Vielmehr leiden diese und werden sogar allzu oft geschädigt. Zu nennen sind Arbeitsunfälle, die nicht selten zu Verstümmelungen oder sogar zum Tod führen, nur weil die Profitgier größer und scheinbar mehr wert ist als ein Menschenleben, aber auf jeden Fall für diese Menschen ein Leben in absoluter Armut bedeuten (oft Tageslöhne von unter einem USD). Es kann nicht sein, dass der Wohlstand der Industrienati- onen (sicher gibt es auch dort Armut und Ungleichbehandlungen) auf Kosten der Gesundheit und der Umwelt bzw. (Rohstoff-)Aus- beutung der armen Länder und Menschen basiert. Hier ist eine Umverteilung von Wohlstand zu gewährleisten und die Menschen innerhalb der ganzen Wertschöpfungskette (insbesondere die am Ende) gerecht für ihre Leistungen zu entlohnen und zu verhindern, dass die bereits im Überfluss lebenden Menschen (speziell in den Industrienationen) sich den Hauptteil der Wertschöpfung einver- leiben. So können sich auch zukünftig die Menschen der unteren Bildungsschichten und in den Entwicklungsländer ihr Essen leisten und es würde allen ein Leben mit steigendem Wohlstand gewähr- leisten. Dies würde auch für den weltweiten Frieden und Wohlstand von Vorteil sein, da etliche Konfliktpotenziale, die aktuell zu einer Erschütterung der Weltwirtschaft zu führen scheinen (z.B. Libyen, Bahrain oder Indien), obsolet und allen zum Vorteil gereichen.
Herausfordernd ist auch der global stetig steigende Energiebedarf. Einerseits tangiert durch die Bevölkerungsdynamik speziell in den Entwicklungsländern, aber andererseits auch durch den auf Grund des steigenden Wohlstands ansteigenden pro Kopf Verbrauch so- wohl in Entwicklungs- als auch Industrieländern. Zu dessen Lö- sung ist nicht nur der Ausbau von erneuerbaren Energien (Sonne, Wasser, Wind, Geothermie etc.) essentiell. Die Vorfälle in Japan halten uns derzeit alle in Atem und das Ende scheint ein Ende im Grauen zu sein. Man stellt sich die Frage, warum immer erst et- was Schreckliches passieren muss, damit es zu einem Umdenken kommt!? Zumal da es nicht die erste Atomkatastrophe ist. Aller- dings könnte es nun, so hoffe ich, nicht nur in Deutschland son- dern auch in anderen Staaten (selbst Entwicklungsländern wie Chi- na oder Indien) zu einem Umdenken kommen, da nun die Gefahr
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einer Zerstörung der drittgrößten Volkswirtschaft besteht. Es ist den Japanern nicht zu wünschen, aber es ist mit dem Schlimms- ten zu rechnen und es könnte zu einer globalen Kehrtwende in der Energiepolitik kommen. Neben dem in aller Munde befindli- chen Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es allerdings viel ent- scheidendere Stellschrauben, die jeden Einzelnen direkt betreffen. Denn es gilt das eigene Energienutzungsverhalten zu hinterfragen und das Stromsparpotenzial zu nutzen. Muss z.B. eine Gefriertruhe oder ein Wäschetrockner genutzt werden? Oder was ist der Nut- zen der alltäglichen Dinge unseres Lebens, wie Beleuchtungen, wo auch immer das Auge blickt. Ebenso ist der Verbrauch von fossilen Energieträgern zu hinterfragen. Ist ein Auto und vor allem dessen Nutzung für jeden einzelnen Menschen wirklich nötig? Rohöl ist endlich. Hier gibt es einige Energieeinsparpotenziale, die auch ein lebenswertes Leben über das Jahr 2050 hinaus ermöglichen. Zu nennen sind bspw. die Förderung von Energiesparmaßnahmen im Gebäudebau (z.B. Dämmung) oder die Förderung von umwelt- freundlichen Verkehrsmitteln oder auch Car-Sharing.
Dies würde auch den Ausstoß von Treibhausgasen und damit der globalen Erderwärmung entgegen wirken. Deren Folgen wer- den mehr und mehr ersichtlich und führen zu weiteren zukünf- tigen Konfliktpotenzialen wie Umweltkatastrophen, Dürren mit Ernteausfällen, …
Auch der Ausbau bzw. die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser ist ein wichtiges Zukunftsthema. Mehr und mehr Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dies führt zu Krankhei- ten, Hungersnöten etc. Und letztlich gibt es sogar Horrorszenarien, dass zukünftige Kriege nicht mehr um Öl, sondern vielmehr we- gen fehlendem Zugang zu sauberem Trinkwasser geführt werden könnten. Auch hier gilt es einen ressourcenschonenden Umgang zu etablieren und nötige Investitionen zu tätigen (z.B. Meerwasserent- salzungsanlagen).
Im Rahmen dessen gilt es mit (Rohstoff)Ressourcen allgemein viel bewusster umzugehen und die Umwelt zu schützen. Und kei- nesfalls darf es dazu führen, dass wir Gelder verschwenden, um letztlich zu gewährleisten, dass wir auf einen anderen Planeten ent- fliehen können, sobald wir irgendwann unsere Erde herunterge- wirtschaftet haben.
Kurz erwähnt sei auch die Notwendigkeit von Toleranz. Hier gilt es unsere Kinder bereits damit zu konfrontieren, dass es keine
Rolle spielt, ob ich eine weiße, schwarze, gelbe, … Haut besitze oder an Gott, Buddha, Allah, … glaube. Menschen sind alle gleich und jeder Mensch hat das gleiche Recht auf Leben. Hier ist auch ein Austausch zwischen und innerhalb der Kulturen entscheidend. Dies ist neben dem Extremfall einer Weltreise auch mit geringen finanziellen Mitteln möglich. Hier sind in einer multikulturellen Gesellschaft wie bspw. in Deutschland bereits im Kindergarten Kulturevents möglich, bei denen schon im jungen Alter Vorurteile abgebaut werden können.
Abschließend möchte ich auf einen weiteren sehr entscheidenden Einflussfaktor einer zukünftigen lebenswerten Welt, neben einem frei entscheidenden Bürger, dem Gehör und Freiheit gegeben wird (Demokratie), eingehen. Auch ein zukunftsorientierter und nach- haltig agierender Finanzmarkt ist unumgänglich, dessen Akteure von der kurzfristigen, allzu oft nur quartalsorientierten reinen Ge- winnorientierung, auf ein langfristiges und nachhaltiges Denken und vor allem auch Handeln übergehen. Denn der Investor kann und muss sich bewusst werden, dass er nicht nur für das, was er tut, sondern auch für das, was er nicht tut verantwortlich ist. Sowohl der Kreditgeber als auch der Unternehmenseigentümer (Aktionär) haben ein soziales und ökologisches Unternehmertum zu fördern und zu fordern und Ungleichbehandlungen im Unternehmen oder in der gesamten Wertschöpfungskette zu verhindern. Auch den Umweltschutz kann er auf der obersten Unternehmensebene ma- nifestieren. So hat er eine entscheidende Rolle für eine lebenswerte Welt über das Jahr 2050 hinaus, dessen sich leider noch zu wenige Investoren und Unternehmenseigentümer bewusst sind. Zu nen- nen sind nur beispielsweise die Reduzierung von Ungleichbehand- lungen im Unternehmen oder in der Wertschöpfungskette, oder der Schutz der Umwelt durch eine ressourcenschonende Produkti- on. Eine Möglichkeit wäre z.B. die Etablierung eines international anerkannten Nachhaltigkeitskodex in der Finanzwelt und die Ori- entierung am Leitspruch „Gewinn mit Sinn!“.
Die Welt ist voller Herausforderungen, die es bis ins Jahr 2050 und vor allem darüber hinaus zu lösen gilt. Jedoch dürfen wir davor nicht kapitulieren. Durch ein weltweites gemeinsames Handeln ist eine Zukunft über das Jahr 2050 hinaus durchaus möglich, wozu die oben genannten Punkte einen Anstoß bieten sollen und keines- falls abschließend zu betrachten sind. Der Weg zu den Meilenstei-
ANDREA LANG
Kundenberaterin Bank
nen ist fortlaufend zu überprüfen und der Prozess einer nachhalti- gen Zukunft stets dynamisch zu betrachten.
Also packen wir es zum Nutzen aller an! Wir bzw. jeder Einzelne hat es in der Hand! Es ist noch lange nicht zu spät! Es gibt jede Menge Gestaltungsspielraum und die Zukunft ist spannend!
Soziale Anlagemöglichkeiten
Es ist ein wunderschöner Märztag im Jahr 2050. Die Sonne scheint, und ich weiß, dass ihre Energie effektiv genutzt wird.
Noch immer, wie schon im Jahr 2011 arbeite ich für die Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling. Noch immer bin ich in der Beratung tä- tig. Doch es hat sich einiges geändert in den letzten 39 Jahren.
Die vermögenden Kunden, die ihr Geld anlegen möchten, fragen nicht mehr nach Rendite in % sondern nach Rendite in „sinnvoller Verwendung ihres Geldes“.
Das bedeutet, Vermögen wird nicht mehr in Sparbriefe, Zerti- fikate, Fonds, Aktien… angelegt wie im Jahr 2011, sondern in so- ziale bzw. solidarische Projekte. Es gibt Projekte, die speziell gegen die Hungersnot in Afrika investieren, es gibt Anlagemöglichkeiten, die jedem Kind in Deutschland ein warmes Mittagessen gewähren. Es gibt auch Fonds für einen Schulbau in Bolivien. So vielfältig wie die Anlagemöglichkeiten im Jahr 2011 waren, so vielfältig sind sie heute, im Jahr 2050 auch. Aber sie sind nicht auf das eigene Wohl bestimmt, sondern für eine effektive Armutsbekämpfung auf der ganzen Welt.
Die Rendite besteht aus Glück und Freude! Einmal pro Quartal bekommt der Anleger/Investor einen „Kontoauszug“ per Email, in dem der Fortschritt seiner Anlage beschrieben wird.
Mein Job ist es, den Kunden genau zu erklären, was mit ihrer Investition passiert; was mit dem entsprechenden Betrag und der Anlagedauer am sinnvollsten ist. Aber auch wie hoch das Risiko ist. Also ähnlich, wie schon vor 39 Jahren.
Selbstverständlich gibt es weiterhin das gewöhnliche Sparbuch,
auf das die Menschen, vor allem Menschen die nicht so wohlhabend sind, Rücklagen „parken“ können. Die Zinsen hierfür entsprechen der Inflation, und werden wiederum aus einem Anlageprojekt fi- nanziert, in das sehr vermögende Kunden einzahlen.
Ähnlich ist es im Kreditgeschäft. Die Kunden fragen mich nicht mehr wie im Jahr 2011, ob wir ihren neuen Sportwagen finanzie- ren. Sie fragen ob wir ihr neues solar-betriebenes Auto finanzieren. Es werden noch immer viele Kredite für Solar- und Photovoltaik- anlagen vergeben, ähnlich gestaltet es sich mit Windkraftwerken und Wasserkraftwerken. Letztgenanntes sind meistens gewerbliche Finanzierungen. Oder auch der Ausbau eines Bio-Bauernhofs wird unterstützt.
Die Einstellung der Bevölkerung hat sich geändert in den letzten 39 Jahren. Die Menschen sind solidarischer, sozialer und haben be- griffen, dass Geld alleine nicht glücklich macht. „Das wahre Glück besteht nicht in dem, was man bekommt, sondern in dem was man gibt“. Dies ist der Leitsatz der Sparkasse und auch vieler Menschen in der Bevölkerung.
Selbstverständlich stehen wir weiterhin in Konkurrenz zu vielen anderen Banken. Denn es gibt Institute, die noch immer so inves- tieren wie 2011. Aber es werden immer weniger, denn noch immer steuern Angebot und Nachfrage die Märkte.
Doch die Nachfrage an soziale Anlagen steigt und steigt. Und die Armut wird geringer und geringer. Die Menschen sind glück- licher als noch vor 39 Jahren. Ich denke, dass auch diese Banken, die handeln wie vor 39 Jahren, sich dem Wandel bald unterziehen müssen, oder sie werden nicht „überleben“, denn der Staat rettet keine Banken mehr, die nicht nach dem Nachhaltigkeitsprinzip ar- beiten.
Nicht nur die Bankenwelt hat sich verändert, auch andere Bran- chen arbeiten nachhaltiger, solidarischer, weniger gewinnorientiert und mehr „glückorientiert“.
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Auch ich freue mich jeden Tag, dass ich aktiv mithelfen kann, Armut auf der ganzen Welt zu bekämpfen. Fast täglich kommt ein Kunde, zeigt mir seinen Kontoauszug und freut sich, dass er vielen Menschen aus ihrer Not geholfen hat. Ich freue mich mit ihnen und be- daure es sehr, dass ich schon bald in Rente gehen werde.
TOBIAS LANGE
Student Geschichte, Journalistik, Germanistik
Offene Gesellschaft in Europa
Am 24. März 2050 werde ich gerade meinen 65. Geburtstag gefei- ert haben und dennoch zur Arbeit gehen, denn die Lebensarbeits- zeit wird sich verlängert haben. Nach Feierabend werde ich mich in meinen Garten setzen und beim Sonnenuntergang zurückdenken, an das Jahr 2011. Was haben wir in dieser Zeit alles erreicht und wie hat sich die Welt/ Europa/ Deutschland (mit, oder ohne unser Zutun) verändert?
Wir werden uns in erster Linie als Europäer verstehen, da wir es nach mühevoller Kleinarbeit und dem Abbau nationaler Eitel- keiten geschafft haben werden, eine funktionierende und demo- kratisch legitimierte Regierung für Europa einzurichten. Die Men- schen fühlen sich gegenüber dieser Regierung nicht machtlos, da sie durch diverse Mittel Einfluss nehmen können und durch Trans- parenzregeln jederzeit Zugang zu allen Informationen bekommen können. Daten, die geheim bleiben soll(t)en, werden nur als ge- heim eingestuft, nachdem ein demokratisch legitimierter Fachkreis darüber abgestimmt hat. Alle anderen Informationen sind frei. Die Bürger von 2050 können mit diesen Informationen umgehen und sie einordnen, da das reformierte Bildungssystem sie zu selbst- ständigen und zur Reflexion fähigen Menschen erzogen hat. „Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht!“ wurde sozusagen zum Grundsatz der Bildungspolitik. Das Wichtigste ist das Einordnen der Informationen. Damit einhergehend hat sich auch das Selbstbild der Journalisten verändert: Sie sind dafür zu- ständig größere Zusammenhänge zu erklären, aufzubereiten und sie neutral zu vermitteln. Durch vielfältige Formen können Medi- ennutzer Einfluss auf die Medien nehmen und in einen Dialog mit ihnen treten.
Im Laufe der Zeit hatte die Menschheit erkannt, dass nicht jede Technologie, die ihr zur Verfügung steht, auch genutzt werden sollte, besonders, wenn sie nicht wirklich beherrschbar ist. Auch die letzten Skeptiker erkannten, dass so ebenfalls (technologischer) Fortschritt zu erreichen ist. Also lag der Fokus auf der Entwicklung umwelt- und menschenfreundlicher Technologien, mit denen die vielfältigen Probleme unserer Zeit lösbar waren. Dennoch reichte die Zeit nicht aus, um eine „perfekte“ Welt zu erschaffen. Hunger und Zugang zu Trinkwasser sind zum Beispiel immer noch große
Probleme, da die Weltbevölkerung weiter angestiegen ist, aber wir sind auf einem guten Weg. Das liegt auch daran, dass autokratische Regime immer weiter zurückgedrängt wurden. Auslöser dafür wa- ren die Revolutionen in den arabischen Ländern und das Auftreten großer Demokratien als „Global Player“, wie zum Beispiel Indien (als bevölkerungsreichstes Land der Welt) und Brasilien.
Die Sonne ist untergegangen, langsam wird es frisch. Es gäbe noch viel, woran man denken könnte, doch wenn ich damit fer- tig wäre, würde wahrscheinlich schon der Morgen grauen und ich hätte eine Erkältung. Doch ich kann beruhigt schlafen gehen. Wir haben viel geschafft und insgesamt ist die Welt auf einem guten Weg. Nun ist es an meinen Kindern und Enkeln, die Welt weiter voranzubringen.
2050: Viele Herausforderungen und gute Lösungen
Bis 2050 müssen sich einige entscheidende Aspekte unserer Ge- samtgesellschaft verändert haben. Es geht darum, entscheidende Impulse zu geben, um auch zukünftigen Generationen ein ange- nehmes Leben zu ermöglichen.
Wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaft. Die ökologisch- ökonomische Doppelkrise bedeutet für mich eine Weiterentwick- lung der Wirtschaft zu einem nachhaltigen und demokratischen Denken. Derzeit ist die Marktwirtschaft nicht in der Lage, über das tägliche Profitdenken hinaus zu denken. Um aber Wohlstand und eine intakte Umwelt zu ermöglichen, muss sich diese ändern. Wir brauchen eine gerechte Teilhabe an materiellen und ideellen Werten für alle Menschen. Das bedeutet für mich Zugang zu einer guten Gesundheitsvorsorge, Schutz vor Armut und eine umfassen- de Bildung.
Wir brauchen eine nachhaltige und lebenswerte Umwelt. Der Klimawandel verlangt von uns eine umfassende Änderung unseres Verständnisses des Zusammenlebens mit der Natur. Ein komplettes Umsteigen auf regenerative Energie ist genauso notwendig, wie ein Schutz bedrohter Biotope.
Wir brauchen eine starke und demokratische Europäische Uni- on. Die Union ist ein historisch einzigartiges und wichtiges Projekt.
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PHILIP LE BUTT
Student Jura
FEDERICA MAIER
Studentin Kunstgeschichte und Jura
Es sichert den Frieden und das Zusammenwachsen in Europa. Wir müssen aber die Europäische Union demokratisieren, indem wir das Parlament stärken.
Wir brauchen eine friedliche und gerechte Weltordnung. Die Ent- wicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern erfordert Beziehungen auf Augenhöhe.
Fortschritt und Entschleunigung
Ein Sprung ins Jahr 2050…
…eine Vision, wenigstens für ein paar Minuten.
Ich sitze zu Hause und denke über die letzten 39 Jahre nach.
Was ist passiert?
Was hat sich, seit ich jung war, verändert?
Wie habe ich diese Veränderungen wahr genommen?
Ich habe eigentlich 39 positive Jahre hinter mir, muss ich geste- hen.
Aufgrund des medizinischen Fortschritts geht es mir und meiner Familie unglaublich gut. Selbst meine Eltern, die auf die 90 zuge- hen sind noch sehr fit, geistig wie körperlich. Es ist schon erstaun- lich, 2011 dachten wir noch, diese Menschen sind unglaublich alt, 90 wurde ja auch fast keiner. Heute haben diese Menschen noch gut 20 Jahre vor sich. Auch vor Krankheiten fürchten wir uns heute kaum noch. Es gibt für alles medizinische Lösungen, wir können gesund sein, wenn wir uns ein wenig anstrengen und es stirbt fast keiner mehr an Krankheiten. Was hörte man noch vor 39 Jahren ständig von Krebsrisiken oder auch von HIV, besonders in Afrika. Es ist schon unglaublich, wie groß die Fortschritte auf diesem Ge- biet sind.
Am Wochenende war mein Sohn mit Mann und Kindern zu Besuch. Die beiden Kleinen, drei und fünf Jahre alt, sprechen je- der schon zwei Sprachen, im Moment lernen sie im Kindergarten, welchen sie ganztägig besuchen, die dritte Fremdsprache. Es war
schon noch schön, vor noch 20 Jahren, als man seine Kinder mit- tags auch mal zu Hause hatte und auch Freizeitaktivitäten möglich waren. Doch heute ist Bildung ebenso schnell und fortgeschritten, dass dafür leider nur noch wenig Zeit bleibt. Natürlich ist es durch- aus positiv, dass Kinder heute schon sehr früh sehr viel lernen und schneller fertig sind mit ihrer Berufsausbildung. Dennoch wünsche ich mir in dieser Hinsicht manchmal schon, dass meine Enkel auch die Möglichkeit hätten, so wie wir damals draußen zu spielen, ein Instrument zu lernen oder mittags zum Fußball zu gehen.
Gut ist es aber schon auch, dass heutzutage einfach jeder einen Zugang zu Bildung hat und es keine ungebildeten Menschen mehr gibt. Dort ist viel passiert und ich sehe es ja an meinen Enkeln, dass das Wissen des Einzelnen viel größer und umfangreicher ist, als noch vor 40 Jahren.
Unser Leben ist insgesamt sehr viel schneller und fortschrittli- cher geworden. Das hat auf vielen Gebieten durchaus seine Vortei- le, dennoch wünsche ich mir manchmal, dass wir uns wieder mehr Zeit für Dinge nehmen, die uns wirklich wichtig sind. Wir haben uns so rasant entwickelt und vergessen oft die wirklichen Werte, die wir noch vor 40 Jahren so hochgehalten haben. Manchmal wäre mir eben eine Rückbesinnung auf einen etwas traditionellen Lebensstil lieber, aber vielleicht bin ich auch schon etwas zu alt, um das zu beurteilen.
Ich hatte gute 39 Jahre, ich bin glücklich, habe noch 5 Jahre zu ar- beiten und es geht mir außerordentlich gut. Was will man mehr?!? All das ist nur eine Vision, manche Dinge in dieser Vision gefallen mir, manche nicht. Wir werden sehen, was passiert.
Meine Vision, heute Realität
Meine Vision für 2050 könnte bereits heute Realität sein. Ich stel- le mir eine Welt vor, die sich ohne fossile und atomare Energie- träger zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgen kann. Dezentral, ohne radioaktiven Müll, ohne CO2-Emissionen, ohne Verteilungskriege. Gerecht über den Globus verteilt – für alle. Die Technologien und das Kow-How sind da. Unabhängige Studien
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IRJA MARTENS
Producerin und Autorin bei einer Dokumentarfilm- Produktionsfirma
PATRICK NÜSS
Student
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überall auf der Welt beweisen, dass es machbar ist. Ich glaube an unser großes, kreatives und intelligentes Potenzial, aber wie kann es uns gelingen, dieses in die richtige Richtung zu lenken? Die letz- ten 50 Jahre haben wir unsere natürlichen Ressourcen zu größten Teilen „verheizt“ – für immer. Wir haben unsere EINE Welt mit Müll verdreckt und verstrahlt, in Reich und Arm gespalten, und einem Drittel der Weltbevölkerung das Recht auf Energie verwehrt. Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts liegt darin, für all unser wirtschaftliches, politisches und soziales Handeln eine neue Prä- misse zu formulieren und bestehende Prozesse zu hinterfragen. Sich ein Beispiel an der Natur zu nehmen, die Jahrtausende vor uns ei- nen hochkomplexen, in sich schlüssigen Kreislauf geschaffen hat, der keine Abfälle zurücklässt. Könnte uns das auch möglich sein – eine Welt ohne Abfälle? Die Natur bietet uns Lösungen an und schenkt uns jeden Tag Energie, die wir zum größten Teil nicht nut- zen. Ich bin überzeugt, dass es für alle Probleme eine Lösung gibt, wenn man nur die richtigen Fragen stellt. Meine Vision könnte heute Realität sein, wenn jeder bei sich anfängt. Mit kleinen Schrit- ten: Woher beziehe ich meine Energie? Wie viel Energie verbrauche ich? Welche Produkte kaufe ich ein? Wie kann ich mich in meinem ganz persönlichen Umfeld engagieren? In meinem Beruf? Wer kann meine Überzeugungen auf politscher Ebene vertreten? Wenn ich heute in die Zukunft sehe und die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen konsequent weiterdenke, fällt es mir schwer, meine Vision nicht aus den Augen zu verlieren. Da stellt sich mir vor allem eine Frage: Wie kann ich in 40 Jahren meinen Enkelkindern erklären, wie es so weit kommen konnte, wenn die Lösungen doch da waren?
Nachhaltige Industriepolitik
In meiner Vision ist jedem Menschen klar geworden, dass Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt, sondern dass dieser auch produziert werden muss. Wir beziehen unseren Strom aus erneu- erbarer Energie und vernichten dabei keine Nahrungsmittel. Allen Menschen ist klar geworden, dass wir Strom nicht nur in unse- ren Haushalten verwenden, sondern dass dieser für die industrielle
Produktion von Nöten ist. Diese enorme Grundlast decken wir ohne Probleme mit erneuerbarer Energie, da wir viel Geld in die Forschung und Entwicklung neuer großer Batterien gesteckt haben und zudem Stauseen nutzen. Deutschland weist durch staatliche Investitionen ein sicheres, breit aufgestelltes Netz für den Transport und die Lagerung der Energie auf, und es gab bei der Entstehung dieser Netze keine Proteste, da sie Grundvoraussetzung für die erneuerbare Energie sind. Zudem wurde die Bevölkerung bereits im Vorfeld umfassend informiert und sie besaß die Möglichkeit, an der Entstehung der Netze und ihres Verlaufs mitzuwirken.
Zudem haben wir alle den Wert gut ausgebildeter Fachkräfte erkannt, wodurch wir als Staat die Lücke in den Ausbildungsplät- zen füllen, die sich zwischenzeitlich aufgetan haben.
Große Ernten — Großer Hunger
In meiner Vision beschäftige ich mich damit, wie sich die Welt- bevölkerung im Jahr 2050 ernähren wird. Klar ist, dass wir un- seren Lebensstil zurückschrauben müssen. Wir haben schließlich nur diese eine Erde und nicht drei, die notwendig wären, wenn die 9,3 Milliarden Menschen, die 2050 auf diesem Planeten leben und ernährt werden müssen, sich dem Lebensstil der reichen Industrie- länder anpassen würden.
Das Bizarrste an der ganzen Sache ist natürlich, dass die sog. Entwicklungsländer, dort wo die Menschen hungern, die größten Anbauflächen haben, diese auch nutzen, aber nur für den Welt- markt. Durch die Subventionspolitik der EU muss z.B. Getreide zu Spottpreisen in die Industrieländer verkauft werden, um auf der anderen Seite wieder importiert zu werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Industriestaaten nicht diktieren, was auf den Äckern der Entwicklungsländer zu wachsen hat.
Dies ist ein entscheidendes Thema, was ernsthaft bearbeitet werden muss. Sicher ist es nicht besonders hilfreich, wenn Konzerne aus Südkorea oder China gigantische Flächen industriell beackern lassen, um das Getreide auf dem Weltmarkt zu verkaufen oder ins eigene Land zu importieren. Als Folgen fallen Arbeitsplätze weg und die Umwelt leidet. Diese Politik hat in den Entwicklungsländern zu
OLE PAHL
Schüler
ANNA PECCHINENDA
Ausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation
einer extremen Lebensmittelknappheit geführt. Im Jahr 2004 fehlten dort Nahrungsmittel im Wert von 29 Milliarden Dollar.
Es muss der WTO sowie der Ernährungs- und Landwirt- schaftsorganisation der UNO der Einfluss auf die Landwirtschaft in diesen Ländern entzogen werden und ein Handel innerhalb der südlichen Länder entstehen. Wichtig für diese Vision ist auch eine Einschränkung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten. Auch die Produktion von so genannten Biotreibstoffen muss aufge- ben werden, wenn wir nicht verhungern wollen.
Wundervolle Artenvielfalten im Meer
Für mich scheint das Jahr 2050 sehr weit weg zu sein. Wenn wir überlegen was wir bis dahin alles erreichen wollen, dann scheint die Zeit doch geradeso zu reichen.
2050 werde ich 58 Jahre alt sein und vielleicht ja sogar schon eine glückliche Omi :-). Wenn wir unseren Kinder vom ersten Tag an beigebracht haben, den Müll zu trennen und zu entsorgen (was eigentlich heutzutage schon Alltag sein sollte, zumindest in Deutschland), dann werden das meine Enkel schon automatisch und mit Selbstverständlichkeit machen. Sie sind es dann einfach nicht anders von ihren Eltern gewohnt. Mülltrennung ist ein klei- nes, einfaches und trotzdem wichtiges Thema. Sogar wenn wir in den Urlaub an den Strand gehen, sollte uns das Thema beschäfti- gen.
In meiner Vision wird es 2050 fast keine Strände mehr geben an denen Plastiktüten erlaubt sind (vielleicht gibt es ja sogar bis 2050 einfach gar keine Plastiktüten mehr) und es gibt auch dort strenge Regeln zur Mülltrennung und Müllentsorgung. Zusätzlich gibt es an jedem Strand Personal, das am Ende jedes Sonnentages den Müll, der von den Urlaubern und Touristen übersehen wurde, aufräumt. Also können sich die Meerestiere später nicht mehr im Müll von Urlaubsstränden verheddern und tödlich verletzen. Au- ßerdem liegen auf den Meeresböden keine scharfen Scherben von irgendwelchen Glasflaschen oder sonstige Abfälle herum. Zudem wird es wundervolle Artenvielfalten von Pflanzen und Tieren ge- ben, weil es strenge Angelverbotszonen in vielen Meeresgebieten
geben wird, dadurch auch weniger Fangflotten. Urlauber dürfen nur noch mit geschulten Lehrern und mit „Sicherheitsabstand“ in Riffen tauchen, damit keine Pflanzen durch Trampelei (um mög- lichst nah ranzukommen und fantastische Bilder zu schießen) zer- trampelt und somit zerstört werden. Auch die Industrien tragen dazu bei, es den Meereslebewesen angenehmer zu machen. Sie ha- ben bis 2050 alle auf erneuerbare Energien umgelenkt, was eine der größten Herausforderungen für die gesamte Umstellung auf erneu- erbare Energie sein wird. Es wird mit Sicherheit seine Zeit dauern bis vollständig auf erneuerbare Energie umgestellt ist, aber in mei- ner Vorstellung kann man es bis 2050 geschafft haben. Es wird also mehr auf Solar- und Sonnenenergie sowie Wind- und Wasserkraft gesetzt. Für unsere Enkel wird es dann normal sein, dass auf al- len Hausdächern Solaranlagen installiert sind und auf vielen freien Feldern eine Menge Windräder stehen (viel mehr als heute). Bis zur Erreichung des Zieles wird aber der CO2-Verbrauch eindeutig zurückgegangen sein. Wir könnten das in zwei Schritten tun: Zum einen könnten wir die Kraftwerke selbst erst mal effizienter machen (bis wir sie endgültig abstellen), indem wir die gleichen Strommen- gen erzeugen, jedoch weniger aus Kohle und Gas produzieren. Und zum Zweiten könnten wir verhindern, dass die entstehenden Koh- lendioxide überhaupt in die Atmosphäre kommen.
Wenn meine Vision Wirklichkeit wird und dies alles so klappt, wie ich es mir vorstellen könnte, dann werden unsere Enkel hoffent- lich keine Überschwemmungen und völlige Zusammenbrüche der Meeresströmung durch die Schmelzung der Polarkappen erleben müssen. Und eine wundervolle Artenvielfalt von Pflanzen und Tie- ren genießen können.
Für unsere Zukunft müssen wir unseren Blick nach Osten richten
Im Jahr 2050 werden Westeuropa und die USA nicht mehr der Nabel der Welt sein. Kulturelle und politische Impulse gehen von verschiedenen Ländern aus, kommen insbesondere aber aus Süd- und Ostasien. Die großen Kassenschlager im Kino kommen inzwi-
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NIELS PETERSEN
Jurist, Wissenschaftlicher Referent am Forschungsinstitut
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schen aus Bollywood, und Shanghai hat New York mittlerweile als wirtschaftliche und intellektuelle Hauptstadt der Welt abgelöst. In der Schule lernen die Kinder neben Englisch Mandarin, und viele werden später zum Studieren nach Peking, Singapur, Mumbai oder Lahore gehen.
Trotz dieser Entwicklung ist China keine Demokratie westlicher Prägung. Vielmehr hat sich in dem Land eine besondere Form der wohlwollenden Autokratie ausgeprägt. Es gibt keine freien Wahlen und Politik wird vor allem innerhalb der Partei gemacht. Allerdings sichert das Regime sich seine Macht, indem es geschickt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung reagiert und etwa online Stellung- nahmen zu gegenwärtigen Gesetzesvorhaben einholt. Zudem hat sich die chinesische Regierung in Menschenrechtsfragen sehr stark geöffnet und lässt weitestgehend eine freie Presse und Meinungsbil- dung zu. Kritik am Regime ist erlaubt und führt teilweise gar zum Umdenken in der Politik.
Vor allem hat der Westen inzwischen erkannt, dass er nicht mehr den Schlüssel für die Zukunft unseres Planeten in den Händen hält. In den ersten drei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts hat sich die rasch wachsende, chinesische Mittelschicht vor allem an den USA und an Westeuropa orientiert. Man wollte Wohlstand „made in USA“. Umweltbelange waren dabei zweitrangig, schließlich hat- te man gegenüber dem Westen noch so viel aufzuholen. Auch hatte es dort kein überzeugendes Angebot eines nachhaltigen Lebensstils gegeben, den nachzuahmen es wert gewesen wäre.
Mittlerweile haben Erderwärmung und Naturkatastrophen aber derart zugenommen, dass sich vor der drohenden Apokalypse die Augen nicht mehr verschließen lassen. Wissenschaftler auf der gan- zen Welt arbeiten daher, unterstützt von enormen Forschungsmit- teln, an einer Lösung des Klimaproblems. So wird etwa zurzeit ein chemischer Stoff entwickelt, der für eine Kühlung der Erdatmos- phäre sorgen könnte. Allerdings ist der Erfolg des Projekts höchst ungewiss. Hoffen wir, dass das Umdenken nicht zu spät kam!!
2050 — ein Umdenken hat stattgefunden
Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden, um unser Klima und unsere Ressourcen zu schonen, vor allem durch die Förderung der Forschung. Beispielsweise die Gewinnung und Speicherung von Energie sind kein Problem mehr. Wir verbrauchen auch nicht mehr so viel davon. Ebenso wurde die Kooperation über Landesgrenzen hinaus, also in Europa, immer bedeutender, um verbindliche Stan- dards für die Länder zu definieren.
Außerdem entwickelten Staat und Wirtschaft Hand in Hand ein System, um Produkte langlebiger zu gestalten und am Ende zu 100% zu recyceln und somit im Kreislauf zu behalten. Dieser Fortschritt macht sich aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtun- gen global bemerkbar.
Auch unser Konsum hat sich gewandelt, denn jeder ist sich seiner Verantwortung bewusst geworden und beeinflusst durch sein Verbraucherverhalten die Märkte und den Handel. So kaufen wir vorzugsweise Produkte aus umweltverträglicher und ethischer Her- stellung und achten auf die Gesunderhaltung unseres Körpers.
Werte, wie das gemeinsame Miteinander und die gemeinsa- me Gestaltung von Staat und Gesellschaft, sind ein wichtiger Teil des Lebensstils. Statt „Ellenbogen“ dominieren Gemeinschaft und Wertschätzung. Dies spiegelt sich auch in Familie, Unternehmen und im Staat wider. Noch immer wird Leistung belohnt, doch durch unser Verhalten lassen wir andere an unserem Erfolg teilhaben.
So wird unser Sozialsystem durch die Unterstützung der Mit- glieder der Gesellschaft gestützt. Nicht nur finanzielle Beiträge wer- den erhoben, sondern auch die tatkräftige Unterstützung von allen – egal welchen Alters und welchen Milieus oder welcher Kultur – wird als Beitrag an unserer sozialen Sicherung bemessen, sozusagen wie ein „Bonus“-System. Daraus resultiert auch eine größere Ak- zeptanz des sozialen Engagements, da dieses System einen Anreiz bieten soll, dass jede und jeder an der Gesellschaft teilhaben und dafür auch Anerkennung erfahren kann.
Auch die Teilhabe am politischen Leben wird als wesentlicher Faktor des Lebens betrachtet. Bürger/innen übernehmen Verant- wortung für ihr Handeln und „mischen sich ein“ aber „mischen auch mit“. Die Übernahme von Ämtern in Politik und Gesellschaft wird gefördert, sodass jeder Erfahrungen am Dienst an der Gesell- schaft erleben kann. Voraussetzung dafür ist die Bildung und die
ANGELINA PLATZ
Studentin
Public Management
JULIANE PÖSCHKE
Studentin Regionalent- wicklung und Naturschutz
Auf dem Land
STEFANIE RALL
Studentin Politik und Management
Wie wirkt sich Lebensqualität in unterschiedlichen Lebens- bereichen aus?
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Information über Möglichkeiten der Teilhabe und vorzugsweise auch eine Art von Verbindlichkeit, damit jede und jeder die Mög- lichkeit zur Teilhabe bekommt.
Diese Vision stellt natürlich viele Ansprüche an einen jeden von uns. Doch es sind noch viele Jahre bis 2050 und es kann sich noch vieles ändern in dieser sich konstant wandelnden Welt. Das Internet ist m.E. ein gutes Beispiel, wie sich dadurch unser soziales Leben rasant verändert, welchen Einfluss es bereits heute auf unser Leben hat und welche Potenziale sich dort auch noch verbergen.
Vision 2050 — Weichenstellung 2011
Die Wohlfühlstadt. Lebendig, bunt, ruhig, grün, menschenfreund- lich. Wo früher nur Autos fuhren, Lärm und Abgase emittierten und keinen Raum für Kommunikation zuließen, ist heute die Stadt eine Begegnungsstätte, an der sich ihre Bewohner und Besucher wohlfühlen. Autos raus aus der Innenstadt, großflächige Fußgän- gerzonen, Shared Space, Förderung des ÖPNV und vor allem För- derung des Fuß- und Radverkehrs sind die Schlüsselelemente, die dies möglich gemacht haben.
Diese Entwicklung ist nicht abhängig von den Entscheidun- gen der Bundesregierungen über Zuschlag von Fördermitteln etc. Städtische Eigeninitiativen, unter Mitwirkung aktiver Bürger, trie- ben die Entwicklung voran, weil die Bürger den Nutzen der Wohl- fühlstadt erkannten.
Gleichwohl bedeutet diese Entwicklung zur Wohlfühlstadt keinen Abbruch der Landflucht. Hier steuert der Staat gegen, in- dem der ÖPNV verstärkt ausgebaut wurde. Doch nicht nur Förde- rung in Infrastruktur, die es den Menschen ermöglicht, das Land (kurzzeitig) „zu verlassen“, ist sinnvoll, auch wurde die soziale In- frastruktur auf dem Land neu überdacht. Die Angebote „fahren selbst“: Ärzte, Lehrer, Einkaufsläden und Bibliotheken sind für die Versorgung der Menschen auf dem Lande zuständig.
Soziales. Bildung und Gesundheit haben einen neuen Stellen- wert in der Politik, weshalb mehr Geld für die Gewährleistung der Flexibilität dieser Bereiche ausgegeben wird.
Das Gesundheitssystem und die Versorgung im Alter wurden kom- plett überdacht. Das Solidaritätssystem findet noch mehr Zuspruch als zuvor.
Alle Schulen besitzen das Konzept der Ganztagsschule. Neben dem Erlernen von Fach-, Sozial- und Personalkompetenz gibt es zahlreiche Freizeitangebote. Um dem Zweiklassensystem vorzubeu- gen, lernen alle Kinder bis zur 6. Klasse zusammen. Private Schulen verschwinden langsam von der Bildfläche. Der Bund ist zuständig für die Bildung. Gleiche Verhältnisse für alle Kinder stehen im Vor- dergrund.
Höhere Staatsausgaben für: ÖPNV, Bildung, Gesundheit. Wo wird gespart?
Mehr ÖPNV, mehr Fuß- und Radverkehr: Was passiert mit dem Autoherstellerstandort Deutschland und dessen Arbeitsplät- zen?
Altersstruktur der Bevölkerung: Politik auf Grundlage der Be- dürfnisse der „Best-Ager“?
Lösung ÖPNV. In meinen Augen wäre ein Abgabesystem denkbar. Jeder Bürger bezahlt jährlich eine Abgabe/Steuer und kann daraufhin den ÖPNV kostenfrei nutzen. Die Attraktivität die Verkehrsmittel dann auch zu nutzen, steigert sich enorm.
Meine Vision 2050 — Lebensqualität
LEBENSQUALITÄT – das zeichnet für mich 2050 aus. Das heu- tige Motto „Höher, schneller, weiter“ hat ausgedient. 2050 geht es um nachhaltiges, bewusstes Handeln. Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen ist keine Floskel mehr sondern ein Wort mit Be- deutung.
Hier ein kurzer Querschnitt, der nicht vollständig sein kann, aber einen Eindruck verleiht:
Arbeitswelt: 2050 gibt es flexible Arbeitsverhältnisse. Man kann zu jeder Zeit „zur Arbeit gehen“, und zwar so, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht. In Unternehmen sind heterogene Teams
What about?
Soweit meine Vision. Aber bei Visionen pflege ich mich ger- ne an folgendes Zitat zu hal- ten: „„Wer Visionen hat, soll- te zum Arzt gehen.“ (Helmut Schmid) – In diesem Sinne: PACKEN WIR ES AN!
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Normalität. Männer, Frauen, ältere Menschen und unterschied- liche Nationalitäten arbeiten zusammen. Darüber hinaus ist im Berufsleben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf 2050 völlig selbstverständlich.
Work-Life-Balance: Work-Life-Balance ist 2050 ein Lebenskon- zept. Jeder ist sich darüber bewusst, dass Arbeit wichtig ist und dass jeder in seinem Bereich das Beste gibt. Aber nicht um jeden Preis. Es geht hauptsächlich darum, bewusst zu leben und zu handeln.
Absicherung: 2050 gibt es soziale Sicherungssysteme, die wirklich greifen, wenn jemand in eine missliche Lage gerät. Der Staat wird weiterhin für die Menschen da sein und wird hierfür genügend Mittel zur Verfügung haben, auch weil keiner versucht, das System auszunutzen, sondern weil jeder eigenverantwortlich handelt und nur Dinge in Anspruch nimmt, die er wirklich benötigt. Auch wird es ein Gesundheitssystem geben, in dem keine Zweiklassengesell- schaft existiert. Vorsorgeuntersuchungen werden allen in vollem Umfang zur Verfügung gestellt. Es gibt wieder genügend Kran- kenschwestern und Pfleger, weil sie wieder gemäß ihrer Leistung bezahlt werden. Das ist unter anderem auch deshalb möglich, weil die absurde Gehaltsspanne zwischen beispielsweise Managern und Pflegern aufgehoben wurde.
Jung und alt: Hier steht im Zentrum das MITeinander, anstatt das NEBENeinander. 2050 gibt es unzählige Mehrgenerationenhäuser. In diesen Häusern leben nicht nur jung und alt miteinander, son- dern auch Menschen unterschiedlichster Herkunft.
Beteiligung: 2050 kann sich jeder ohne Hindernisse direkt an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligen. Dazu gehören Online- foren, in denen diskutiert werden kann, die nicht nur den Bürger bilden, sondern deren Ergebnisse in den politischen Prozess einflie- ßen. 2050 ist Deutschland ein Land der Teilnahme, Politikverdros- senheit gehört zur Vergangenheit.
Selbstverständlich gehört zur Lebensqualität auch eine sauber Um- welt. Alternative Energien sind technologisch so ausgereift, dass sie zur Deckung des Bedarfs komplett ausreichen.
Vision 2050
Das durch die Erdverschiebung ausgelöste Erdbeben vor der Küste von Japan führte zu einer Katastrophe, die sowohl weit reichende Folgen für die Natur als auch für den Menschen hat. Es gibt nicht nur Auswirkungen in Japan direkt, sondern auch in anderen Län- dern, wie Deutschland, wenn es um die Frage der Politik geht und den Aspekt der Natur. Durch die Katastrophe in Fukushima ist der deutschen Regierung noch stärker klar geworden, dass die Atom- politik nicht so weitergehen kann, wie sie bis jetzt funktionierte. Bereits 2017 könnten alle Atomkraftwerke in Deutschland vom Stromnetz genommen werden.
Deshalb lässt sich vorweg sagen, dass das Jahr 2050 und das 21. Jahrhundert eine Zeit sein wird, in der die Atomkraft erfolg- reich abgeschafft wurde und man seine Energie aus regenerativen Energien, mit einer endgültigen CO2-Emission von 0 oder gar ei- ner negativen Emission, bezieht. Jedoch ist noch lange nicht alles getan, wenn nur Deutschland ein Treibhausgas neutrales Land ist und sorgsam mit den vorhandenen Ressourcen umgeht, denn es gibt noch mehr als 200 andere Länder auf dieser Welt. Aus diesem Grund muss sich auf nationaler sowie auf internationaler Ebene einiges verändern. In meiner Vision vom Jahr 2050 lassen sich diese Veränderungen in zwei Bereiche gliedern: Ökonomie und Sozia- les.
Ökonomie: 2011 soll kein Vergleich mit der Welt in 39 Jahren darstellen, denn wenn man die heutige Lebensweise weiterführen würde, würde es zu weit reichenden Folgen führen, die heute noch gar nicht abzuschätzen sind. Damit die ganze Welt ihre Lebens- weise ändert, muss es jemanden geben, der die Lawine ins Rollen bringt. Da u.a. die Großmacht USA noch stärker auf „ Verbrau- chen“ eingestellt ist, als es Deutschland ist, muss ein anderes stark wirtschaftlich geprägtes Land den Startschuss setzen.
Ein Land mit starker Wirtschaft, die international vernetzt ist, das gleichzeitig einen großen Schritt voraus gehen möchte, indem es sich hohe Ziele setzt, ist gefragt. Meiner Meinung nach eignet sich Deutschland wunderbar dafür, die „Anfänger“-Rolle zu überneh- men, da es diese Voraussetzungen sehr gut erfüllt.
HARALD RAUER
Schüler
Es gibt auch in Deutschland noch einiges zu tun, damit von einem „Deutschland der Zukunft“ gesprochen werden kann. Um bisher ungenützte Möglichkeiten zu nutzen, muss sich Deutschland mehr für die Förderung von Entwicklungsländern einsetzen, denn diese bieten gute Perspektiven für neuen Lebensraum und Anlagen.
Länder wie Marokko oder Ägypten sind im Augenblick noch sehr instabil, da sie eine fragile Regierung haben. Sollten sich solche Südländer stabilisieren, wäre es möglich, dass man deren Terrain nutzen kann, um z.B. günstigen Strom aus Solarenergie zu bezie- hen. Dies würde die Wirtschaft deutlich kräftigen und Investoren aus Deutschland könnten damit Gewinne erzielen, da spätestens wenn das Erdöl verbraucht ist, auch die anderen Länder merken, dass eine Wirtschaft nur funktionieren kann, wenn sie auf erneuer- baren Energien basiert.
Ein weiteres Beispiel für effiziente Terrainnutzung wäre es, wenn Windkraftparks in der Nord- oder Ostsee aufgestellt werden würden. Diese Anlagen liefern Strom wenn Wind vorhanden ist. Sollte dieser Wind jedoch mal nicht da sein, stellt sich die Frage, wie man die Energie von vornherein speichern könnte.
Ein Beispiel hierfür wäre, wenn man die elektrische Energie dafür nutzt, dass Gas komprimiert und unterirdisch gespeichert wird. Bei einer Windflaute könnte es kontrolliert abgelassen wer- den, damit geeignete Generatoren daraus Strom erzeugen. Eine Schwachstelle dieses Vorgangs ist jedoch die Kompression, denn sie erzeugt viel Abwärme. Diese „verlorene“ Energie könnte jedoch einfach in nutzbare Energie umgewandelt werden, indem man das Warmwasser in Häusern damit erhitzt, damit keine Erdölheizung mehr nötig ist, bzw. nur noch zur Hilfe eingesetzt werden muss. Durch diese Vision kann man von einer Globalisierung und De- zentralisierung der Energiepolitik ausgehen.
Damit weiter solche Ideen verwirklicht und erforscht werden können, muss die Forschung in Deutschland deutlich stärker geför- dert werden.
Es gibt jedoch auch die Meinung, dass eine zu progressive Einstellung auch leicht die Bevölkerung verschrecken kann und somit ein negativer Eindruck entsteht. Es ist wichtig, dass Fort- schritt nicht mit Rückschritt verbunden wird, denn wir müssen zwar umweltschonender werden, jedoch sollte das nicht auf Kosten der Technik und der Gesellschaft gehen.
Umweltschonend lässt sich in meinem Jahr 2050 u.a. durch 100-prozentiges Recycling erreichen, denn wenn kein Müll mehr
entsteht, muss nicht ein Aufbewahrungsort gesucht werden, der dann für immer mit z.B. Sondermüll „vergiftet“ ist.
Soziales: In dem Jahr 2050 hat sich für mich einiges verändert, wenn ich gefragt werde, wie es um die Sozialmaßnahmen in Deutschland steht. Diese reichen von Partizipation in der Politik bis zu Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit.
Es hat sich in meiner Vision einiges getan, denn es ist im Jahr 2050 möglich, dass man seine Meinung viel einfacher und verständlicher kund tun kann, denn aufgrund der Technik ist es möglich geworden, dass man viel globaler miteinander vernetzt ist. Wenn man miteinander in Verbindung steht, ist es viel einfacher Leute zu finden, die die gleiche Meinung haben, wie man selbst. Dadurch kann man besser partizipieren, da eine große Bevölke- rungsmasse nicht einfach übergangen werden kann.
Informationspolitisch ist auch einiges geschehen, denn die Me- dien wie Zeitung und TV haben sich stärker zum Auftrag gemacht, die Meinung und die Programme von Parteien zu verbreiten, damit das Volk besser Bescheid weiß, was gerade um sie herum geschieht. Wenn so etwas möglich ist, dann würde auch keine Furcht vor Neuem existieren, wie z.B. im Jahr 2011 der E10-Skandal.
Bildung ist ein weiterer Teil des Großen und Ganzen, der nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf, denn heutige Gene- rationen werden morgen die Welt regieren. Deshalb muss man be- reits jetzt anfangen, die Bildung besser zugänglich zu machen und diese nicht von Abstammung oder Vermögen abhängig machen. Wenn dieses Ziel erreicht werden kann, dann würde es deutliche Fortschritte in der Technik und dem Lebensstandard im Allgemei- nen geben und Deutschland würde auch in Zukunft eine Spitzen- rolle haben.
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YANNICK REGH
Abiturient
Deutschland 2050
Nachhaltigkeit bedeutet für mich nicht nur eine ökologische, son- dern auch eine insgesamt gesellschaftliche Nachhaltigkeit, die zwi- schen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in Deutsch- land und Europa unser friedliches und demokratisches System, fern jeder nationalistischer Tendenzen, weiter am Leben erhält und zu mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität führt, damit wir ge- meinsam in diesem Land zufrieden und gut leben können.
Für mich stellen daher diese Komponenten einen wichtigen Teil eines gesellschaftlichen Gesamtkonzeptes dar:
Das Bildungssystem muss verbessert werden. Diese Verbes- serung wird durch eine bis 2050 eingeführte, inner differenzierte Gemeinschaftsschule erreicht mit Leistungskursen in der Oberstu- fe, einer Erhöhung der Lehrerzahlen, Verkleinerung der Klassen, Einführung von Ganztagsschulen, Abschaffung der Kita-Gebühren sowie eine mögliche Kita-Pflicht, die Abschaffung der Studienge- bühren und die Einführung eines dualen Studiengangs für Lehrer. Die Integration von allen gesellschaftlichen Minderheiten ist eine zentrale Aufgabe einer pluralistischen Gesellschaft, die rechts-po- pulistischen Kräften für die Zerstörung unserer demokratischen Ordnung nicht Platz bieten wollen.
Jeder Mensch hat das Recht zu entscheiden, wo er leben will, dies gilt nicht nur für Deutsche. Jedoch wird erwartet, dass diese auch etwas zum gesellschaftlichen Leben beitragen und die Gesetze akzeptieren. Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg, jedoch hat auch jeder das Recht auf seine Muttersprache. Das Thema Gleichstellung von Homosexuellen spielt auch eine Rolle, da das Bundesverfas- sungsgericht die Benachteiligung für verfassungswidrig erklärt hat. Das Gesicht einer Gesellschaft zeigt sich an dem Umgang mit den jeweiligen Minderheiten.
Sozial ist, was Arbeit schafft von der man leben kann. Unter diesem Motto ist vor allem in Hinblick auf die europäische Freizügigkeit ein flächendeckender Mindestlohn einzuführen, wie er in 21 von 27 EU-Staaten bereits existiert. Die Menschen sollten vor Lohn- dumping geschützt werden, aber es sollte auch dem Arbeitgeber eine gute Perspektive für die Produktion in Deutschland ermög- licht werden. Weiterhin ist nachhaltiges Wirtschaften für mich der
Bewusstseinswechsel von bedenkenloser Naturzerstörung hin zu einer neuen, ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.
Wichtig für den Bereich ökologische Nachhaltigkeit ist zudem eine weitgehend dezentrale regenerative Energieversorgung. Diese beinhaltet einen Energiemix aus Windkraftanlagen, Solarzellen, Wasserkraft, Photobioreaktoren, eventuell Fusionskraft sowie eine Unterstützung des Projekts DESERTEC. Voraussetzung hierfür ist die Erforschung und Verbesserung von Technologie, die Energie speichert und einen effizienten Ausbau der Stromnetze garantiert und verwirklicht.
Deutschland 2050:
bewusst, mehrdimensional, nachhaltig und zukunftsfähig
Das Wirtschaftsmodell der letzten Jahrzehnte war an seine Grenzen gestoßen. Als Folge der im Wesentlichen an Effizienz orientierten Ökonomie war es zu einer dramatischen Übernutzung der erneuer- baren und nicht erneuerbaren Ressourcen der Erde gekommen.
Die langfristige Ernährung und Existenz der Menschen auf unserem Planeten verlangte dabei in den 39 Jahren von 2011 bis 2050 nach einer grundsätzlichen Neuorientierung von Wirtschaft und Gesellschaft.
An Stelle einer eindimensionalen Effizienzorientierung war eine multidimensionale, alle Lebensbereiche des Handelns tangie- rende Verhaltensweise gefordert.
Jetzt – im Jahr 2050 – können wir auf ein ganzheitliches und umfassendes Handeln jedes einzelnen Individuums unserer Ge- sellschaft und Welt zurückblicken. Dies bedeutet, dass sich heute jeder Einzelne für eine intakte Natur, eine funktionierende und zu- kunftsfähige Wirtschaft sowie ein friedliches Zusammenleben der Menschen aus eigener Überzeugung einsetzt.
Die Natur ist es, die der Menschheit sämtliche Ressourcen zur Verfügung stellt, die zum Leben unabdingbar sind. So z.B. Holz für Möbel und Papierprodukte, Energie für Wärme-, Stromerzeugung und Mobilität, Baumwolle für Kleidung sowie Nahrungsmittel und sauberes Wasser für ein gesundes Leben.
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LUCAS REHN
Filialleiter eines Drogeriemarktes
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Bis zum Jahr 2050 konnten wir die zunehmende Übernutzung der Erde stoppen, indem wir einen Weg gefunden haben, die Ressour- cen zu schonen.
Hier ist es nun z.B. gelungen, durch eine sparsamere Produktion und einen bewussten Konsum der Verbraucher, die Wasserwirt- schaft nachhaltig zu gestalten und damit den immensen Wasserver- brauch zu reduzieren.
Die langjährigen Energie- und Klimaschutzprobleme haben wir durch neue Wege der Energiegewinnung und -speicherung sowie des sparsameren Einsatzes von nahezu 100 % erneuerbarer Energi- en in den Griff bekommen und haben es somit geschafft, die Erder- wärmung gering zu halten. Ganz entscheidend zu dieser Tatsache hat beigetragen, dass wir sowohl lokal, national als auch internatio- nal neue, nachhaltige Wege der Fortbewegung gefunden haben. So- mit wird die Umwelt kaum noch belastet, ohne dass die Mobilität der Menschen eingeschränkt wird.
Die Menschen der Gesellschaft arbeiten mittlerweile in ge- meinsamen, wechselseitigen, arbeitsteiligen und sozialen Bezie- hungen nach dem Prinzip des „Miteinander – Füreinander“ zu- sammen. Alle Menschen besitzen vollkommen neue Freiheiten in ihrer Lebensgestaltung. Dies führt dazu, dass sich jeder mit seinen Stärken positiv und intrinsisch motiviert in die Gemeinschaft ein- bringt und Staat, Gesellschaft und Welt sozial sowie auch kulturell mitgestalten möchte.
Schon von klein auf wird jeder Mensch gleichberechtigt auf seinem persönlichen Lern- und Entwicklungsweg, der selbstbe- stimmt ist, bestmöglich und sehr intensiv mit neuen Lehr- und Lernmethoden unterstützt. Diese Veränderung war rückblickend jedoch nur durch eine große Bildungsreform möglich.
Im Wirtschaftsleben steht für die Unternehmen nicht nur die Um- satz- und Gewinnmaximierung im Vordergrund, vielmehr geht es auch um eine Sinnbestimmung und Nutzenmaximierung des Wirtschaftlichen. Gewinne sind zwar für weitere Investitionen und soziales Engagement weiterhin notwendig, sie sind allerdings nicht Kern des Handelns.
Aber nicht nur das – insgesamt sind die Unternehmen gewillt, viel Verantwortung zu übernehmen und für Mensch und Erde Gutes zu tun.
Von den Unternehmen werden im Jahr 2050 vermehrt nachhaltige, ökologische und faire Güter und Dienstleistungen angeboten und von sehr bewusst einkaufenden Konsumenten (so genannten Pro- sumenten) nachgefragt.
Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Konsumenten und Partnern wird durch das assoziative Wirtschaften bestimmt. Faire Löhne, gerechte Preise und regionales Wirtschaften (ohne die Globalisierung außer Acht zu lassen) bestimmen die Zeit um das Jahr 2050. Es lässt sich festhalten, dass in den letzten 39 Jahren viel passiert ist, das Wichtigste ist jedoch vor allem, dass sich die indivi- duellen Einstellungen der Menschen unserer Gesellschaft und Welt positiv verändert haben – hier hat ein Bewusstseinswandel stattge- funden.
Ein Großteil der Menschheit hat die Kernprobleme erkannt und verinnerlicht und jeder Einzelne hat seinen Teil zu einer nachhalti- geren und zukunftsfähigeren Welt beigetragen.
Meine Vision für 2050: Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig
- Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig. Nicht in Form einer leeren Worthülse, sondern gefüllt mit Leben. Bester Beweis hierfür sind unsere Kinder, es geht ihnen gut. Nicht etwa durch materiellen Wohlstand, vielmehr aufgrund einer deutlich sichtbaren Lebens- zufriedenheit. Wie haben wir das geschafft? Blicken wir einmal zu- rück. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends wurde die deut- sche Bevölkerung immer häufiger mit der Frage „Ist ein weiter so noch tragbar?“ konfrontiert. Anlass für diese Frage gab die damalige Anhäufung von sowohl globalen wie auch nationalen Problemen. Auf internationaler Ebene erinnern Schlagworte wie Klimawandel, Endlichkeit der Ressourcen, Raubbau an der Natur, Bodendegra- dation, Terrorismus, Lohndumping, die Schere zwischen Arm und Reich usw. an die damalige Zeit. Auf nationaler Ebene debattierte man u.a. über das defizitäre Bildungssystem und die zukunftsträch- tigste Form der Energiegewinnung. Nicht zuletzt die immer stärker zum Vorschein kommenden Folgekosten eines „Weiter so“ haben
RICCARDA RETSCH
Studentin Geographie
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sowohl in Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern der Welt dazu geführt, dass die Weichen immer mehr in Richtung ei- ner nachhaltigen Entwicklung gestellt wurden. Erster Schritt dieses anfänglich recht mühevollen Prozesses war ein Bewusstseinswan- del.
Eine Veränderung. Man handelte. Zuerst kommuniziert und gelebt von Pionieren der Nachhaltigkeit. Danach übernommen seitens der Politik. Diese machte es sich zur Aufgabe, mit gutem Beispiel voran zu gehen, Verantwortung zu übernehmen und als Vorbild zu fungieren. In der Praxis zeigt sich das heute z. B. in Form eines transparenten und lückenlos nachhaltigen Beschaf- fungswesens in öffentlichen Einrichtungen.
In einem zweiten Schritt startete die Politik, auf Drängen vieler Bürger, eine hinsichtlich der Breitenwirksamkeit noch nie dagewesene Aufklärungskampagne, welche drastisch vor Augen führte, wie eng unser alltäglicher Konsum mit globalen Problema- tiken verknüpft ist. Global denken, lokal handeln (abgedroschen, aber wahr). Teil dieser Aufklärungskampagne waren beispielsweise Schautafeln in großen Bekleidungsketten, welche über den „Le- benszyklus“ eines Kleidungsstücks informierten. In einem dritten, entscheidenden Schritt veranlasste die Politik eine Generalüberho- lung des Bildungssystems. Heute sind Themen der nachhaltigen Entwicklung fester Bestandteil aller Lehrpläne. Inhalte der Nach- haltigkeit werden als Querschnittsaufgabe in diversen Fächern be- handelt. Nachhaltige Schülerfirmen sind Standard. An zahlreichen Universitäten gibt es einen Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung. Für Studenten der Pädagogik sind Module zum Thema Nachhal- tigkeit verpflichtend. In einem vierten Schritt schuf die Politik An- reizsysteme, um nachhaltiges Handeln zu forcieren – sowohl für den Verbraucher, wie auch für die Wirtschaft. Bis heute werden beispielsweise Unternehmen, welche die drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung in ihrem Firmenprofil verankert haben und nachweislich danach handeln, steuerlich bevorteilt. Ebenso Bürger, welche sich entsprechend engagieren, wie z.B. indem sie das eigene Gartengrundstück oder aber städtisches Gartenland nach den Regeln der ökologischen Landwirtschaft bestellen. Die intrinsische Motivation, etwas im positiven Sinne verändern zu wollen, die Hilfestellungen seitens der Politik, sowie das Umden- ken der Wirtschaft, dahingehend, dass die Ökologie die Ökono- mie nicht behindert, sondern vielmehr ein notwendiger Partner ist, haben dazu geführt, dass in Deutschland heute eine Vielzahl an
selbstbewussten, kritisch hinterfragenden und informierten Men- schen leben, welche trotz Suffizienz oder gerade wegen ihr? eine hohe Lebensqualität besitzen.
Auf dieser Basis, mit neuem Wissen und vielfältigen Hand- lungsalternativen im Gepäck, ist es gelungen auch über die jewei- ligen Staatsgrenzen hinaus für Veränderungen zu sorgen. Unfaire Produktkreisläufe zu Lasten der Entwicklungsländer sind Vergan- genheit. Ebenso die Attitüde der Industrieländer, Entwicklungs- ländern ihre Konzepte und Ideen aufzuoktroyieren. 2050 steht für kreativen Austausch und gegenseitiges voneinander Lernen.
Deutschland und die Welt im Jahre 2050. Meine Vision
Im Jahre 2050 werde ich hoffentlich mit einem Auge auf meine Rente schielen und im Großen und Ganzen zufrieden sein mit mir, der Welt und der Vergangenheit.
Damit dies aber so eintrifft, ist es sicherlich notwendig, dass ich mir nicht erst im Jahre 2050 den Kopf darüber zerbreche, was ich hätte tun können, damit meine Hoffnung zur Realität wird. Vielmehr muss ich/man mir/sich schon vorher überlegen, wie die Ziele, die gesteckt sind, erreicht werden können.
Vision 1: Nachhaltiges Denken
Nachhaltiges Denken und Handeln, d.h., dass all unsere Überle- gungen und Entscheidungen Konsequenzen mit sich ziehen, die sich oftmals nicht auf den ersten Blick zeigen.
Ein paar Beispiele: Die EU fördert den Energieträger wie Raps- öl (Bio-Diesel). Auf den ersten Blick sicherlich gut, doch später stellen wir fest, dass Landwirte in Afrika nun Rapspflanzen anbau- en und es zu Lebensmittelengpässen kommt bzw. das geschmälerte Lebensmittelaufkommen die Preise in die Höhe treibt und die Be- völkerung darunter leidet.
Es gibt wohl noch zahlreiche weitere Beispiele diesbezüglich (über Atomkraft lässt sich vermutlich noch viel mehr streiten), aber ich denke, es wird klar was gemeint ist.
Fangen wir an die Vision zu realisieren und Nachhaltigkeit zu leben! Hier. Heute. Jetzt.
PHILIPP REUS
Student Betriebswirtschaftslehre
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Nachhaltiges Denken und Handeln, vielleicht mit einem Kon- trollsystem, das nicht nur rationale, kühle Entscheidungen treffen kann, vielmehr ein System, das auch auf ethische Grundsätze achtet und diese in eine Zukunftsplanung einbezieht.
Vision 2: Starke Demokratie
Meine zweite Vision bezieht sich auf das Thema parlamentarische Demokratie.
Bundestagswahl, Landtagswahlen und Kommunalwahlen ha- ben alle eins gemeinsam. Die Wahlbeteiligung geht meist zurück! Dies ist meiner Meinung nach längst kein schleichender Prozess mehr, vielmehr wird er langsam aber sicher zu einem Unaufhaltsa- men.
Warum ist die Politikverdrossenheit, die sich einerseits durch zurückgehendes Engagement bei der ehrenamtlichen politischen Arbeit und andererseits bei dem erschreckenden Rückgang der Wahlbeteiligung zeigt, zu einem solchen „Volkssport“ geworden? Dafür gibt es sicherlich viele Gründe, nur ein paar möchte ich hier nennen: Für die Generationen vor uns, aber vor allem die Gene- ration der Kriegsjahre kommt ein „Nicht-Wählen-Gehen“ sicher nicht in Frage. Denn sie wissen, wie es ist, einerseits nicht wählen gehen zu dürfen, und andererseits wie es ist, wenn extremistische Parteien, bedingt durch geringe Wahlbeteiligungen, an die Macht kommen (Sachsen-Anhalt zeigt diesbezüglich einen positiven As- pekt der Partizipation). Nein sie wissen um ihr Recht, wählen ge- hen zu dürfen.
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Problematik in der arabischen Welt, wo wir mit Entsetzen und Hilflosigkeit zusehen müssen, wie Rechte misshandelt werden bzw. gar nicht erst beste- hen, die wir hier als Selbstverständlichkeit ansehen und sie teilweise nicht mehr wahrnehmen, kann man die Problematik erkennen.
Ein weiterer Punkt, der zur Politikverdrossenheit der Bevölke- rung beiträgt, ist sicherlich das negative Bild der „Politikerklasse“. Herausragende Persönlichkeiten gibt es nicht, unbeliebte Themen prägen die kurz- bis mittelfristige Politik (Haushaltskonsolidierung mit einhergehenden Einschnitten für die breite Masse der Bevöl- kerung) und eine mediale Berichterstattung, die keine Differenzie- rung mehr zwischen einzelnen Politikern (gerne nach dem Motto, „wenn einer Falsches macht, ist es nicht der Einzelne“, vielmehr ist es ein „allgemeines Phänomen der Politiker“) macht.
Aber welches sind die Folgen wenn es so weitergeht?
Das ist offensichtlich: Bundesregierungen, Ministerpräsidenten/in- nen und Bürgermeister/innen, die nur noch durch niedergeschrie- bene Paragraphen in den verschiedensten Verfassungen ihr Amt antreten. Denn bei einer beispielhaft prognostizierten Wahlbeteili- gung von 40 % und einem Stimmenanteil für die regierende Partei von eventuell 35 % der abgegebenen Stimmen, so ist das wahre Ergebnis, dass die oder der Regierende mit einem absoluten Stim- menanteil von 14 % der Wahlberechtigten, auch über alle anderen regiert.
Das ist urdemokratisch und legitim, aber ist es auch richtig? Muss sich nicht jede/r Abgeordnete und Gewählte fragen, ob er/ sie wirklich berechtigt ist, Entscheidungen zu treffen. Meiner Mei- nung nach müsste er/sie das und für mich ist an einem solchen Punkt unsere parlamentarische Demokratie in ihren Grundfesten erschüttert.
Somit gilt es, dieses Problem abzuwenden, Ideen müssen gefunden werden, damit sich junge Menschen wieder für ihren Staat interes- sieren und sie müssen animiert werden, aktiv ihre Gedanken mit einzubringen. Es wird wohl keine Musterlösung hierfür geben, aber wir sollten darüber reden. Auch hier sollten wir weitere Ideen fin- den, damit die Vision eines funktionierenden Deutschlands auch in 2050 noch besteht.
Vision 3: Zufriedene Menschen
Dies ist wohl der philosophischste Punkt, aber vielleicht auch der Spannendste.
Was würden die Menschen aus dem 16. Jahrhundert zu unse- rer Welt von heute sagen? Wären sie überglücklich, weil sie Elektri- zität hätten oder dass sie im Warmen zur Toilette gehen könnten, womöglich mit beheizter Klobrille? Vielleicht würde sie aber auch denken: „Welch ein Stress, das ganze Lernen und diese Hektik“. Oder aber auch das Problem, dass man eventuell nicht mehr ge- braucht wird in dieser Gesellschaft, da man seine Stärken nicht aus- spielen kann. Die Halbwertzeit von Wissen wird immer kürzer.
Sicher ist, die Globalisierung und der technische Fortschritt bringen nicht nur Vorteile mit sich, und es liegt an unserer Gene- ration, den richtigen Weg zu gehen. Einen Weg, der vor allem eins schafft: Die Menschen in einem Land müssen glücklich sein. Das
Ja, vielseitig sind die Proble- me, in denen das besagte Szenario wurzelt.
BENJAMIN RIETDORF
Student Publizistik und Kommunikationswissen- schaft
klingt absurd und banal, aber es ist eine essentielle Frage der Zu- kunft. Umfragen zeigen, dass die Menschen nicht glücklicher sind als vor 40 Jahren. Die Probleme der Geschichte ändern sich, doch machen wir im letzten Jahrhundert und in diesem eins anders: Wir schaffen Probleme, die uns über den Kopf wachsen. Wir schaffen eine Welt, die so hektisch und schnell ist, dass die Individualität, die den Menschen meines Erachtens ausmacht, verloren geht.
Kita mit Fremdsprache, Grundschule, G8-Abi, Bachelor-, Master, Fortbildungen, Umschulungen …, ist das Leben so wirklich schön und lebenswert??
Wir sollten darüber diskutieren, wie Menschen glücklich wer- den und wie dies mit unserer heutigen Zeit und ihren Anforderun- gen vereinbar ist.
Vision 4: Gesunde Welt
Der Klimawandel ist wohl das Großereignis des 21. Jahrhunderts. Unsere Generation aber vor allem die folgenden werden die Folgen am stärksten spüren. Ich will, dass auch im Sommer 2050 hier in Deutschland noch ein mildes Klima herrscht und wir nicht in ei- ner Wüste unseren Sonnenschirm aufspannen müssen. Dafür muss einiges getan werden und viel Geld muss in die Hand genommen werden.
Irgendwie fallen mir noch viele Ideen und Sachen ein. Visionen sind das sicherlich nicht wirklich, doch sind es Anregungen und wenn mich jemand fragt, wie ich mir die Zukunft, also meine Visi- on 2050, vorstelle, dann stelle ich mir eine Welt/ ein Deutschland vor, das diese Fragen beantwortet hat. An meiner Vision arbeite ich noch, ein wenig Zeit bleibt ja noch.
Die Vision leben — mit Blick nach vorne!
Meine Vision von der Welt im Jahr 2050 beschreibt keine Utopie, die ich versuche zu konstruieren, denn allein der Begriff der „Uto- pie“ unterschätzt die Schritte, die bereits gegangen wurden. Viel- mehr stellt sich meine Vision dar, als Konsequenz verschiedener in- novativer Konzepte der Gegenwart. In dem letzten Jahrzehnt haben
mich viele innovative Konzepte der Implementierung des Faktors Nachhaltigkeit in wirtschaftliche Produktionsprozesse, ebenso wie das unermüdliche Engagement von NGOs bei der Vermittlung ei- nes verantwortungsbewussteren Umgangs mit „unseren“ Ressour- cen, von einer optimistischen Zukunftsaussicht überzeugt.
Führte der industrielle/ technologische Wandel im letzten Jahr- hundert noch zu den globalen Problemen, mit denen wir uns heute beschäftigen, sehe ich in diesem Jahrhundert eine große Chance zur Lösung dieser Probleme in der Weiterentwicklung der Technik in allen Bereichen. Stichwort: E-Mobilität, Desertec etc.
Es ist Auftrag und Pflicht der Weltöffentlichkeit, diesen Pro- zess kritisch zu begleiten und den Diskurs stets offen für innovative Ideen zu halten, denn innovatives Denken war nie wichtiger als heute. Kritisch begleiten bedeutet für mich dabei gleichfalls das ei- gene Handeln, den eigenen Konsum zu hinterfragen.
Die Welt ist unendlich komplex geworden in der modernen Gesellschaft, doch sind wir schon so weit, den Apfel in unserer Hand (… wenn es denn ein Apfel ist) nur noch als Nährstoffquel- le ohne Ursprung, Geschichte oder verbundener Arbeitskraft der Herstellung zu sehen? Nein, dieses Szenario ist mir zu pessimistisch – obgleich diese Perspektive zweifelsfrei existiert. Suffizienz, also der bewusste Verzicht auf Verschwendung, spielt für mich als Visi- onär eine besondere Rolle, denn ein Wandel, ein gesellschaftlicher Umbruch kann nicht ausschließlich von Institutionen ausgehen. So verbleibt es auch der jetzigen und kommenden Generationen, weit über das Jahr 2050 hinaus, Verantwortung als Selbstverantwortung wahrzunehmen und sich, ob als Wähler, Konsument oder Kritiker, einer aktiven Rolle in der Gesellschaft bewusst zu werden und da- nach zu handeln.
Das Jahr 2050 verspricht mir ein Leben in einer Gesellschaft, die sich selbst und ihre Mitglieder achtet und sinnvoll mit ihren Res- sourcen umzugehen weiß. Der Faktor Nachhaltigkeit spielt in allen Dimensionen des öffentlichen Lebens eine immanente Rolle.
Ich brauche nicht von schwebenden Autos träumen und mir utopische Vorstellungen der Zukunft machen, wenn ich bereits heute das Potenzial entdecken kann, die Welt tatsächlich grundle- gend zu ändern. Nennt es zu optimistisch oder zu unkritisch – ich möchte den Lesern meiner Vision nur die Augen dafür öffnen, die Antworten auf die existenziellen Fragen von Morgen, nicht auch nur im Morgen zu suchen!
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MARLENE RINGEL
Trainee Corporate PR
bei einem Sportartikelher- steller
Wirtschaften für Menschen und Umwelt – nicht andersherum
Genau heute vor 39 Jahren wurde Dirk Müller von seinem dama- ligen Arbeitgeber entlassen. Hatte er es doch gewagt, Kritik an ei- nem Projekt auszuüben, das dem Unternehmen mehrere Millionen Euro einbringen sollte. Egal, dass dabei einige Hektar Regenwald draufgingen. Egal, dass das Vorhaben zu einem schweren Konflikt beigetragen hatte. Dabei hatte Dirk so hart für die Firma gearbei- tet und sehr zu ihrem Erfolg beigetragen. Jahrelang hatte er fleißig Überstunden gemacht, selbst sein Ehrenamt beim Roten Kreuz und die Zeit für seine Kinder hatte er aufgegeben.
Profit war eben doch das einzige Ziel; Geld der einzige Wert. Jetzt, in 2050, ist zum Glück so vieles anders! Besonders in der Arbeitswelt. So wie Dirk ging es damals vielen. Und wie er wur- den sie nachdenklich. Fingen an, sich zusammenzuschließen, und sich noch mehr für Nachhaltigkeit und einen wesensgerechteren Lebensstil zu engagieren.
Auch Politik und Wirtschaft haben endlich die richtigen Wor- te gefunden, über das Thema Nachhaltigkeit zu diskutieren. Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden: Wir haben neue Prioritäten gesetzt. Neue Anreize, Gesetze und Strategien entworfen. Langsam fingen die Dinge an, sich zu wandeln.
Viele Änderungen kamen freiwillig. Die Manager einiger großen Firmen haben endlich begonnen das umzusetzen, von dem sie schon vor Jahrzehnten gesprochen hatten. Da sie über Grenzen hinweg wirtschaften, hatte das nicht nur in Deutschland Auswirkungen. Zum Beispiel werden die Ökosysteme unserer Erde nicht mehr als „kostenlose“ Ressourcen und Leistungen gesehen und verwendet. Die realen Kosten für ihre Leistungen wurden in die Gewinn- und Verlustrechnungen integriert. Außerdem sind die Zulieferketten viel transparenter geworden. Neue Bürogebäude und Fabriken werden so gebaut, dass sie CO2-neutral sind, alte Gebäude werden saniert.
Die meisten anderen Unternehmen in Deutschland haben dann natürlich nachgezogen. Hatten sie doch gesehen, wie gut das nicht nur ihrem Gewissen, sondern auch den Umsätzen tun würde. Mit dem alten „Greenwashing“ hat das nichts mehr zu tun.
Dirk Müller hatte vor 39 Jahren schnell eine neue Stelle gefunden,
obwohl es damals das neue Stellenzuordnungssystem noch nicht gab. Heute kann man sich in diese zentrale Datenbank eintragen lassen, und so schnell zu einem neuen Job oder Praktikum gelan- gen. Statt nur nach Qualifikationen wird man hier eher je nach Interessen und Jobwünschen zugeordnet. Falls noch eine Quali- fikation für die gewünschte Stelle fehlt, bekommt man eben die richtige Weiterbildung.
Dirk hatte damals das Glück zu einer Firma zu kommen, die schon 2011 neue Wege gegangen ist. Heute ist das die Norm. Die meisten Firmen erlauben viel Flexibilität und Selbstbestimmung in der Ge- staltung des Arbeitstages. Eine gewisse Entschleunigung hat statt- gefunden. Fehler und Wunschvorstellungen sind erlaubt. Schließ- lich kann man nur so lernen.
Die meisten Menschen arbeiten nur noch um die vier Tage in der Woche – und schaffen trotzdem genauso viel! Das hat es auch ein- facher gemacht, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Oder sich auch mal ehrenamtlich zu engagieren. Es gibt auch mehr Frauen (um die 50 %) auf allen Etagen, und für Männer ist es völlig in Ordnung geworden, früher sogenannte „Frauenjobs“ zu erlernen oder sich um die Kinder zu kümmern.
Wie war das alles eigentlich möglich? Vielleicht, weil nicht nur ein paar Politiker und die einigen großen Manager das Sagen hatten. In Deutschland, und später auch in anderen Teilen der Welt, hat sich ein Dialog über Nachhaltigkeit entwickelt. In den ersten Tagen wurden von Landkreisen und Kommunen viele Diskussionsgrup- pen mit Leuten mit den unterschiedlichsten Hintergründen veran- staltet, um eine gemeinsame Vision zu finden. Auch jetzt werden noch Bürger durch eine Plattform zu solchen Arbeitskreisen ein- geladen. Die Auswahl hierzu funktioniert ähnlich wie beim engli- schen „jury service“.
Auch die Medien werden aktiv genutzt, die Leute zu informie- ren, sie zu ermächtigen und den Dialog über eine nachhaltigere Lebensweise aufrecht zu erhalten. Verantwortlicher Journalismus und transparente und zugängliche Informationsquellen vom Staat haben vieles bewegt. Pressefreiheit existiert immer noch. Aber wir haben zusammen gelernt, wie man mit der Macht umgeht, die die- se Kommunikationsform mit sich bringt. Und neue Technologien, wie zum Beispiel der kabellose Strom oder der 2013 herausgegebe-
–Aus Worten werden Taten: Wirtschaften mit Sinn–
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–Nie wieder Burn-out!—
–Zusammenarbeit durch Em- powerment–
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ne „Lightchip 3G“ haben es ermöglicht, dass ein jeder aktiv mitre- den kann.
Deutschland ist langsam aber stetig zu einem Vorbild für Euro- pa und den Rest der Welt geworden. Jetzt arbeitet Deutschland mit Ländern in der ganzen Welt zusammen, unsere Erde für künftige Generationen zu erhalten und neu zu gestalten. Und es ist kein Problem, dass wir noch immer unterwegs sind. Die Zeiten ändern sich, aber verbessern kann man immer etwas.
Globale Utopie
Der Begriff „Vision“ ist ein Problem. Darunter kann man sehr verschiedene Dinge verbergen: Ein Zukunftsbild, wie man glaubt, dass die Welt sein wird? Oder eher ein Bild, wie man möchte, dass sie sein wird? Utopisch oder realistisch? Oder vielleicht ein konkre- ter „Verlaufsplan“, welche Änderungen man wann wie vornehmen muss?
Bei mir unterscheiden sich diese „Visionen“ sehr. Meine Er- wartung? Optimistisch bin ich überhaupt nicht. Ich GLAUBE nicht daran, dass wir noch in einer funktionierenden Welt leben werden. Wenn ich einfach nur „von außen gesehen“ aktuelle Trends weiterdenke, befinden wir uns 2050 in einem apokalyptischen Endzeitszenario.
Doch das heißt nicht, dass ich die „Hoffnung“ aufgegeben habe. Ich möchte mich so gut und viel wie irgendwie möglich – oder am besten sogar mehr als möglich – dafür einsetzen, dass das nicht passiert. Eine konkrete Vision, einen Einsatzplan oder ein besonderes „Fachgebiet“ habe ich dabei nicht. Ich richte also meine Handlungen nach dem Gegensatz zwischen den beiden Extremen: Meiner Apokalypsevision und meiner unerreichbaren Utopie. Die „Wahrheit“ und der Weg, wahrscheinlich auch das „Ziel“, liegen – natürlich und wie immer – irgendwo dazwischen.
Für mich sollte 2050 ein Schritt sein auf unserem Weg zu einer friedlichen, geeinten Welt und zu einem vollkommen „nachhalti- gen“ Lebensstil, der im Einklang mit allen Mitlebewesen und unse- rem Planeten stehen muss. Dies ist ein Ziel, das wahrscheinlich nie- mals erreicht werden kann, immer aber angestrebt werden sollte.
Für mich lässt sich diese utopische Welt grob durch 5 „Ideale“ beschreiben, die jeder immer im Blick haben sollte:
Frieden, als Gewaltlosigkeit zwischen Lebewesen und als Recht auf Leben, ist das höchste Ziel für Nachhaltigkeit und der wichtigs- te Grundsatz für Veränderungen.
Gerechtigkeit, als politische, wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung aller Menschen, beinhaltet eine Art von Demokratie und die gleichmäßige Verteilung von Ressourcen.
Freiheit, als Respektierung der Individualität, beinhaltet de- mokratisch-freiheitliche Sprech- und Denk-Rechte (auch Presse-, Kunstfreiheit etc.), aber auch die Befreiung unseres Denkens von
PAUL RITTEL
Student Musik
Die Utopie kann sich nicht allein auf Deutschland bezie- hen, da der Kern der Vision ist, dass die ganze Welt ge- meinsam Veränderungen an- strebt.
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Klischees und festen Mustern zugunsten von Reflexion unseres Handelns und eigener Meinungsbildung.
Natur steht für die Wiederherstellung unseres Bezugs zu unse- rem Planeten und damit für einen respektvollen und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Umwelt und ein ebenbürtigeres Ver- hältnis zu allen anderen Lebewesen.
Kultur steht für globale Verständigung und regionale Identi- tät, für die Überwindung inner- und interkultureller Barrieren, für Kommunikation, für (lebenslange) Bildungs-Kultur und für „Zivi- lisation“ als bewusstes und denkendes Miteinanderleben.
Die Apokalypsevision braucht man nicht groß zu beschreiben. Sie vereint ziemlich genau die Gegenteile aller dieser Dinge und führt – in welcher Weise auch immer – zur Zerstörung der Mensch- heit und/oder dem Planeten. Sie ist das, was mir „realistischer“ vorkommt, wovon ich zunächst ausgehe. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst, dann kann es nur noch besser werden.
Wenn es nun doch über Umsetzung dieser Utopie, also Ab- wendung der für mich „realistischeren“ Distopie, und meine eigene Rolle dabei gehen muss, ist für mich ein oder vielleicht „der“ zen- trale Punkt der Schritt „davor“. Dieser Utopie kann man überhaupt nur näher kommen, wenn alle daran mitwirken. Wir alle, jeder ein- zelne Staat, jede Gruppierung und jeder einzelne Mensch muss das Prinzip der Nachhaltigkeit verinnerlichen und in jedem Bereich des Lebens ständig anwenden. Jeder muss sich mit seinen indivi- duellen Fähigkeiten und Kenntnissen immer für diese tiefgreifende Umstrukturierung einsetzen. Jedoch nur eine Veränderung, die aus eigener Überzeugung geschieht, kann wirklich nachhaltig sein.
Daher gilt es für die Politik, (Schul- und Aus-)Bildung, Me- dien, Kunst, NGOs sowie für jeden Einzelnen von uns, dieses Be- wusstsein zu fördern: Durch Information, Kommunikation und Diskussion. Aber auch Provokation kann das Denken, Hinterfra- gen, Diskutieren anregen und lehren. Wir müssen die Kommu- nikation revolutionieren, nicht nur auf technischer, sondern auf inhaltlicher Ebene: Nicht sensibler sein in der Aussage, sondern emotional unempfindlicher, aber auch kritischer in der Aufnahme. Wir müssen einen schichten-, generationen- und kulturenübergrei- fenden, dauernden Dialog schaffen. Wir müssen das Thema überall auf die Tagesordnung und in alle Grundsatzerklärungen bringen. Wir müssen von der Idee abrücken, dass Staaten oder Organisati- onen die Welt verändern, sondern wir, weil wir diese Staaten und Organisationen sind. Wir müssen abrücken von allen Klischees,
Voreingenommenheiten und festen Meinungen, die uns vom Den- ken und Kommunizieren abhalten.
Das ist vielleicht die Tätigkeit, in der ich meine eigene Rolle am stärksten sehe. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich nun die Umwelt, die Gesellschaft oder den Weltfrieden zuerst oder am meisten retten möchte, und ich habe auch für keine dieser Punk- te besonders herausragende Fähigkeiten. Aber ich kann die Leute, die es können, suchen, finden und dazu bringen, aktiv zu werden und ihre Möglichkeiten für den gemeinsamen Weg zu einer bes- seren Welt zu nutzen. Das ist meine Aufgabe als Künstler und als Mensch.
24.3.2050
Energie: Die Energiegewinnung basiert zu 100 % auf regenerati- ven Energien. Jeder beteiligt sich an der Energiegewinnung durch Kollektoren und Gemeinden haben ihr Kapital in Windkraftan- lagen investiert. So sind kleine Einheiten wie Gemeinden oder Stadtteile weitestgehend unabhängig von großen Konzernen und teuren Importen. Diese Neuerung ermöglicht auch in ehemaligen Entwicklungs- und Schwellenländern das Nutzen von neuen Me- dien und diese führten in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Demokratisierungsprozess in der ganzen Welt.
Die Umstellung auf regenerative Energien wurde möglich ge- macht durch zwei wesentliche Veränderungen seit 2011. Einerseits sind viele Geräte sparsamer im Verbrauch geworden (kein Standby, kein Heizen mehr mit Strom etc.) und andererseits ist die Effizienz von Solaranlagen erheblich gesteigert worden. Die Wärmeversor- gung wurde darüber hinaus fast unnötig, da alte Häuser auf den neusten Stand der Wärmedämmung gebracht wurden und Neu- bauten grundsätzlich „Plusenergiehäuser“ sind.
Gesellschaft: Die Menschen sind zu Weltbürgern zusammenge- wachsen und Religionen teilen nicht mehr, sondern ergänzen die Kultur in den verschiedenen Teilen der Welt. Grundsätzlich haben sich alle Staaten auf „Gebote der Menschlichkeit“ geeinigt, ähnlich dem Grundgesetzt 2011 in Deutschland. Jeder hat durch das Inter-
JULIANE ROHRBACHER
Studentin Geographie und Chemie
ANNA SCHMID
Studentin Mathematik, Physik und Englisch auf Lehramt
net und die neuen Möglichkeiten der Kommunikation die Chance, lokal wie auch global zu partizipieren. Der Bildungsstand ist so hoch wie nie in der Geschichte, da das Bildungssystem individuelle Fähigkeiten weiter in den Fokus gerückt hat.
Wirtschaft: Die Maxime der Wirtschaft ist es die realen Bedürf- nisse der Menschheit zu befriedigen, dabei wird Maß mit den natürlichen Ressourcen gehalten und der Raubbau an der Natur gehört der Vergangenheit an. Der Wohlstand wird nicht mehr im BIP gemessen, sondern andere Werte wie Bildung, Gesundheit und Zufriedenheit sind die neuen Statussymbole der Gesellschaft.
Meine Vision 2050
Im Jahr 2050 ist es selbstverständlich, dass jedes Kind individuell gefördert wird, dass es lernt innovative und kreative Ideen und Lö- sungen zu entwickeln und am Lernen Spaß hat. Denn dies ist der wichtigste Schlüssel zu einer Gesellschaft, die sich stetig fortbildet und neue Ideen und Lösungsansätzen entwickelt, die in einer sich immer schneller verändernden Welt unabdinglich sind. Eine sol- che Ausbildung der Jugendlichen ist wichtig, da es in einer solchen Welt auf jede/n Einzelne/n ankommt und jede/r wichtig ist.
Dank einem generellen Verständnis für die Wichtigkeit des Klimaschutzes und den neu entwickelten Möglichkeiten der En- ergiegewinnung, -speicherung und des Energieaustausches, die von klugen Köpfen auf Grund des neuen Bildungsverständnisses erfun- den wurden, konnte die Erderwärmung gering gehalten werden. Eine Veränderung des Weltklimas konnte allerdings nicht verhin- dert werden, was die Anpassungsfähigkeit und den Ideenreichtum der Gesellschaft nötig macht.
In 2050 ist allen Bürgern klar, dass die Investitionen in Bildung und Klimaschutz wichtig und richtig sind und dass dieses Geld nachhaltig angelegt ist. Es ist selbstverständlich, dass Deutschland durch Einwanderung profitiert und so neue kluge Köpfe ins Land kommen und neue Lösungsansätze und andere Perspektiven mit- bringen, die beim Lösen der Probleme immer wichtiger werden. Der Kampf gegen den Klimawandel und die Lebensgrundlage für
die eigenen Kinder zu erhalten, hat jeden mit einbezogen und die Gesellschaft so zusammengeschweißt. Durch das neue Bildungsver- ständnis und ein neues Schulsystem sind die sozialen Unterschiede geringer geworden und haben zu einer gerechteren und zufriede- neren Gesellschaft geführt. Das individuelle und selbstständige Lernen ermöglicht den gemeinsamen Unterricht aller Kinder und so können die Kinder von klein auf lernen, dass jeder Mensch ver- schieden ist und es unterschiedliche Stärken und Schwächen gibt. Das selbstständige Lernen hat sich als motivierend und verantwor- tungsfördernd für die Schüler/innen herausgestellt, da jede/R seine eigenen Methoden, Wege und die eigene Zeit bestimmt. Gleich- zeitig ist die Vergleichbarkeit durch nationale Bildungsziele und Kompetenzraster gewährleistet.
Meine Vision
Wie wir 2050 leben werden ist eine sehr schwere und sehr viel- schichtige Frage. Meine Vision gliedert sich deswegen in zwei Be- reiche: Im ersten Bereich will ich meine Idee über technische Ver- änderungen vorstellen und im zweiten Bereich Veränderungen in der Gesellschaft.
In meinen Augen war eines der wichtigsten technischen Probleme der letzten Jahrzehnte, das einer nachhaltigen Energieversorgung. Jetzt im Jahr 2050 haben wir es geschafft, die regenerativen En- ergien in ihrer Vielfalt sinnvoll zu einem Netz zu verbinden, um sowohl Spitzen- als auch Grundlast abzudecken. Um dieses Ziel zu erreichen, war eine EU-weite Zusammenarbeit nötig, mit der es geschafft wurde, ein EU-weites Energienetz zu schaffen, um so regionale Schwankungen der Wind- und Sonnenenergieleistung zu kompensieren. Zur Absicherung der Grundlast war es nötig, neue Speichertechnologien zu entwickeln und auch die bestehende Technik der Pumpspeicherwerke in größerem Umfang zu nutzen. Auch dafür hat sich die EU-weite Zusammenarbeit gelohnt, denn die größten Anlagen dafür wurden in Norwegen errichtet.
Auch die Produktion von energetisch und synthetisch nutzba- ren Gasen (Synthesegas, z.B. durch partielle Oxidation) ist in den
ROBIN SCHMIDT
Chemiker, Wissenschaftlicher Mitar- beiter an einer Hochschule
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OLIVER SCHMOLINSKI
Student Wirtschaft und Politik auf Lehramt
NICOLAS SCHWENDEMANN PR-Berater
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letzten Jahrzehnten sehr wichtig geworden. Insbesondere die Aufar- beitung von Restbiomassen zu Synthesegas war der entscheidende Schritt, um Grundchemikalien unabhängig vom Erdöl produzieren zu können. Auch hat sich das Recyclingsystem deutlich verbessert. Durch den konsequenten Einsatz von effektiven Trennsystemen ist eine 99,9-prozentige Rückgewinnung von Metallen aus Altgeräten usw. möglich. Kunststoffreste werden vollständig wiederverwertet, oder wenn es keine weitere Verwendung mehr gibt, zu Synthesegas konvertiert, so dass ein neues Produkt entstehen kann.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten aber auch strukturelle Veränderungen erlebt. So bewirkten zum Beispiel die ab 2015 stark steigenden Transportkosten, dass die Wirtschaft wieder ein Stück regionaler wurde und es sich nicht mehr lohnte „Billigwaren“ in China zu produzieren und einmal quer über den Globus zu trans- portieren.
Neben den Veränderungen im technischen Bereich veränderte sich auch unsere Gesellschaft. Jetzt, 2050, haben wir eine intensive Zu- sammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und dem Volk, wobei alle Seiten ehrlich miteinander umgehen. Und so können wir nur noch darüber lächeln, wie wir uns damals, um das Jahr 2011 he- rum, bei Themen wie der EEG-Umlage oder der Einführung von E10 gegenseitig den „Schwarzen Peter“ zugeschoben haben.
Bildung und Wissenschaft — DIE Aufstiegschance!
Visionen sind laut Wikipedia Befürchtungen und Erwartungen an die Zukunft. Es gibt vielfältige Erwartungen an unsere Zukunft. Meine Vision betrifft vor allem Bildung, Kultur und Wissenschaft. Bildung wird immer wieder als Motor für sozialen Aufstieg ge- nannt. 2050 ist dies tatsächlich der Fall. Kinder müssen ab spä- testens dem dritten Lebensjahr den Kindergarten besuchen. Hier lernen sie sich in größeren Gruppen zurechtzufinden. Mit 7 Jahren erfolgt der Wechsel auf die Schule. Die Schule ist ganztägig. Dabei erhalten die Schüler/innen eine gezielte Förderung und Unterstüt- zung. Alle Schüler/innen besuchen bis zur 10. Klasse gemeinsam eine Schule, es wird keine Abschiebeschulen mehr geben. Das sorgt
für eine höhere Motivation. Es wird wesentlich offenere pädago- gische Modelle geben, um auf die Schüler/innen und ihre Talente besser einzugehen.
Das gesamte Schulsystem wird für die Schüler/innen kostenfrei sein, wie auch das Hochschulsystem. Die Hochschulen werden keine Zugangsbeschränkungen mehr kennen, sondern jedem der studieren möchte auch die Möglichkeit geben. Dabei wird der Ver- anstaltungsplan wieder freier strukturierbar und interessengeleitet.
Die Aufnahme des Studiums wird auch für Personen, die schon länger im Berufsleben sind und sich weiter- oder neu bilden wollen, selbstverständlich sein.
Die Hochschulen werden auch der Ort der Wissenschaft sein. Die Professoren, ihre Mitarbeiter und die Studierenden werden nicht mehr unter Drittmitteldruck, sondern im Interesse der Ge- sellschaft forschen und die Erkenntnisse allen zur Verfügung stel- len.
Das Bildungs- und Wissenschaftsmodell 2050 wird ein gerech- tes und soziales System sein. Dabei soll das System nicht nur in Deutschland etabliert werden, Bildung soll international zum Auf- stiegsmotor werden.
2050 wird es hoffentlich auch kein Militär mehr geben. Ist dies doch noch der Fall, wird es keinen Einfluss auf Bildung und Wis- senschaft haben. Das Militär wird keinen Einfluss auf Bildungsein- richtungen (vor allem keine Rekrutierung) nehmen dürfen.
Vision 2050
Beeindruckend war in den letzten Jahren vor allem eines: Die meis- ten Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit konnten angegangen werden, weil eine echte Beteiligung vieler Menschen möglich gemacht wurde. Viele Verantwortliche hatten sich nicht getraut mehr Beteiligung zu wagen, weil sie den Menschen keine Verantwortung zutrauten. Erst durch das Vertrauen in die Verant- wortung des Einzelnen und durch die weitergehende Bildungsex- pansion in den letzten Jahren konnte es gelingen, ein Gemeinwesen aufzubauen, in dem die Verantwortung gegenüber anderen und der
Ausbildungsplätze wird es durch eine Ausbildungsumla- ge genügend geben.
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Umwelt zur Maxime wurde. „Demokratie und Gesellschaft“ wurde zum Pflichtfach ab dem ersten Schuljahr. Denn endlich hatte man begriffen, dass man die eigene Form des Zusammenlebens immer wieder neu begründen und verteidigen muss.
Die Einführung des europäischen Feiertages zur Partizipation war ein Meilenstein in der Entwicklung der Demokratiegeschichte. An diesem Tag treffen sich bis heute jedes Jahr Millionen Europäer in kleinen oder auch größeren Gruppen und diskutieren aktuelle po- litische Probleme und Herausforderungen. Mit der Zeit entstanden so auch länderübergreifende Foren des Austauschs. Diese Gruppen sind entscheidungsbefugt. Heute haben die Ergebnisse Gewicht, das in die politischen Entscheidungen einfließt. Erstaunliches konnte beobachtet werden: War man zunächst davon ausgegan- gen, dass die meisten nur ihre individuellen Interessen verfolgen würden, stellte sich bald heraus, dass das Gegenteil der Fall war. Entscheidungen werden zum Wohl aller getroffen; Minderheiten gleichzeitig geschützt. Eine Dynamik der Beteiligung griff bald auf alle wichtigen Politikbereiche über.
Die sogenannte zweite Bildungsexpansion führte zu einer größeren Chancengleichheit. Kinderbetreuungsplätze sind seit einigen Jah- ren kostenlos. Kombiniert mit der Einführung der Kindergarten- pflicht trug dies entscheidend dazu bei, die soziale Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen. Seitdem auch unter 18-Jährige das Wahlrecht erhalten haben und Kinder maßgebliche Stützen der po- litischen Beteiligung geworden sind, scheint es heute unmöglich Kindergarten, Schul- oder Studiengebühren zu erheben.
Dem ging ein Stimmungswandel voraus: Kinder werden als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt. Der Begriff Kinderfreundlichkeit scheint obsolet geworden zu sein. Als Folge liegt die Geburtenrate mittlerweile über dem europäischen Durch- schnitt.
Die Wirtschaftsreformen, die gemeinsam verabschiedet wurden, stellten den Zweck des Wirtschaftens wieder in den Vordergrund. Der Finanzmarkt wurde reguliert: Die Einnahmen aus der interna- tionalen Finanzmarktentschleunigungssteuer kommen dem Bud- get der Vereinten Nationen zugute und werden zu einem maßgebli- chen Anteil in Projekten angelegt, deren Wirkung erst in 30 Jahren spürbar sein wird. Ein Teil des Eigentums und Vermögens wurde
vergemeinschaftet. Ein Grundsatz lautet heute: Einkommen aus Vermögen ist höher besteuert als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Wer heute vererbt, vererbt immer auch an den Gemeinschaftsfonds, dessen Mittel allen Kindern der Gesellschaft zugutekommen.
In der Wirtschaft vollzog sich ein Wandel, der es möglich machte, dass Teile der Arbeitswelt aus der klassischen Wertschöpfung aus- gegliedert wurden. Wer heute an etwas arbeitet, das einen gesell- schaftlichen Wert bietet, kann, wenn er oder sie eine bestimmte Zahl an Unterstützern gefunden hat, die an diesen Nutzen glauben, eine gemeinschaftliche Finanzierung erhalten. Diese Form der Ge- meinschaftswirtschaft trägt sich selbst.
Sollte ein Projekt auch finanziell gewinnbringend sein, wird das Erwirtschaftete für neue Projekte genutzt. Auch hier kommt der neuen Beteiligungsdemokratie eine entscheidende Rolle zu. Denn die Projekte stoßen immer wieder Diskussionen über deren gesell- schaftlichen Wert an. So entstand ein kontinuierlicher Dialog über die Grundlage des Zusammenlebens, der wiederum belebend für alle Beteiligungsforen ist.
Unternehmen, die die begrenzten Ressourcen der Welt nicht scho- nen, sind heute nicht mehr wirtschaftlich und deswegen nahezu vom klar regulierten Markt verschwunden. Nachdem Umwelt- kosten nicht mehr externalisiert werden können, sind die Preise für viele Produkte so stark gestiegen, dass sie schnell vom Markt verschwanden. Die meisten Unternehmen entwickelten sich weiter und stellten ihr Geschäftsmodell um. Alles andere wäre marktwirt- schaftlich nicht mehr sinnvoll gewesen. Zu groß wären die Kosten gewesen. Eine klare internationale Umweltgesetzgebung, die auch durchgesetzt wird, trägt entscheidend dazu bei. Ein erster Erfolg: Die Biodiversität scheint sich zu stabilisieren, die Geschwindigkeit mit der sich die Erde erwärmt, verlangsamt sich.
Die erste Branche, die diesen radikalen Wandel vollzogen hat- te, war die Energiewirtschaft. Heute erzeugt Europa regenerative Energie – der Ausstieg aus der Atomenergie besitzt Verfassungs- rang. Bald folgte die Logistik und Verkehrsbranche, die trotz der fortschreitenden Globalisierung Alternativen zur Bewältigung des steigenden Verkehrs entwickelt hatte. Der Individualverkehr hat sich in den letzten Jahren aufgrund des hervorragenden und kos- tengünstigen Angebots des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs
JOHANNES SMETTAN
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stark zurückentwickelt. PKWs sind aus dem Stadtbild nahezu ver- schwunden. So entstanden Chancen für die Weiterentwicklung der Städte, da viele Flächen, die als Straßen und Parkplätze genutzt wurden, umfunktioniert werden konnten. Dort finden sich heute in vielen Städten großzügige Parks. Das hat übrigens die Produkti- vität maßgeblich gesteigert. Und ist vor allem sehr schön.
Ohne Schranken und Grenzen
Eine Welt, ohne Schranken und Grenzen. Kurz und knapp. Das ist meine Vision 2050 – oder sollte ich doch besser sagen Utopie? Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der es nicht mehr nötig ist Gesetze und Regeln zu erlassen um bspw. die Umwelt zu schützen, Rassismus zu bekämpfen oder auch nur den Straßenverkehr zu ord- nen. Eine Welt deren gesellschaftliche Systeme nicht durch Markt, Geld und Arbeit zusammengehalten werden. Ein Leben ohne Hie- rarchien.
Natürlich ist der Weg weit. Natürlich wirkt er utopisch und nicht realisierbar. Vor allem nicht bis 2050. Doch der erste Schritt muss getan werden. Und dieser Schritt ist für mich das kritische Hinterfragen. Ich möchte fragen, ob auch in Zukunft die Spielre- geln der westlichen Aufklärung einfach in andere Länder und Kul- turen getragen werden sollten. Ich will wissen, ob ein Antispeziesis- mus die Lösung der Ernährungsproblematik sein kann. Ich möchte wissen, ob nachhaltige „grüne“ Energie die Versorgungsproblema- tik lösen kann. Ich möchte wissen, ob wir nach wie vor noch in die Schulen müssen oder ob es nicht vielleicht Bildung „on demand“ gibt. Jederzeit und für alle frei verfügbar durch das Internet. Wird es notwendig sein nach wie vor in der Welt herumzureisen: Sei es zu Konferenzen oder in den Urlaub? Ist die digitale Gesellschaft dann in der Lage ein Leben ohne Grenzen zu ermöglichen? Sind 2050 Begriffe wie Fremdenhass, Leitkultur, Nationen, Atomkraft etc. nur noch Anachronismen einer vergangenen Epoche oder haben sie sich verstärkt und sind zu Triebfedern der Entwicklung geworden? Kann eine globale Weltgemeinschaft gemeinsam auftreten, um die Geißel der Menschheit des begonnenen 21. Jahrhunderts zu ver- treiben? Wird Profitstreben nach wie vor eine große Rolle spielen?
Ich lebe in einem Weltsystem, welches Tiere, Pflanzen, Umwelt und den Menschen gleichwertig achtet. Ein System, welches keine Un- terschiede kennt und jeden Menschen in seiner eigenen Individu- alität schätzt. Das Wirtschaftssystem mit seinen Fetischen „Geld“ und „Arbeit“ ist überwunden. Ein prosperierendes neues System, basierend auf noch zu diskutierenden Werten, hat es ersetzt. Es gibt keine politische Vertretung mehr. Stattdessen geben Expert/innen- kommissionen Empfehlungen. Dann wird mit Hilfe schneller ba- sisdemokratischer Prozesse eine Entscheidung auf der ganzen Welt getroffen. Diese Entscheidungen sind diskutierbar. Auf regionaler/ lokaler Ebene gruppieren sich die Menschen in Kommunen, die nicht durch Stammbaum entstehen, sondern nach Interessen ausge- richtet sind. Diese sind durchlässig und werden immer wieder neu zusammengesetzt. Die elektrische Energie für dieses Zusammenle- ben wird autark hergestellt: Windkraft, Solarpanels und Erdwärme. Gleichzeitig ist der Energiehunger jedoch stark gesunken, der Peak Oil hat die Gesellschaft auf der Konsumebene Jahre zurückgewor- fen, doch das ist für die Menschen kein größeres Problem. Denn das neue Wertesystem hat auch das Konsumstreben ersetzt.
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
(Albert Einstein)
Die Zukunft ist ein Phänomen. Wir können sie nicht fassen und trotzdem holt sie uns immer wieder ein. Wir können sie uns vor- stellen, doch meistens trifft diese Vorstellung kaum zu. Wir können die Zukunft auch nicht nach unseren Wünschen bauen, da sie von zu vielen Faktoren abhängt, um sie alle zu kontrollieren.
Doch nur weil wir die Zukunft nicht kontrollieren können, heißt das nicht, dass wir das Geschehen der Dinge nicht nach un- seren Vorstellungen beeinflussen können. Doch die Zahl der Fak- toren, die die Zukunft bestimmen ist riesig, und die Probleme, die sie hervorbringen, auch. Deswegen müssen wir als Bürger dieser Erde, wegen der uns dadurch aufgegebenen Verantwortung, jetzt anfangen zu steuern, denn es gibt viele Brände, die es zu löschen gilt.
Neben diesen Fragen zeich- ne ich jedoch gerne auch ein Bild, wie ich mir das Leben 2050 erhoffe.
PAUL STAIGER
Schüler
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Zum einen ist da die Energiepolitik. Auch wenn einige das immer noch glauben, Atomkraft ist nicht sicher und deswegen ein En- ergiegewinnungsmittel, von dem wir uns lösen müssen. Doch die Abschaffung von atomarer Energie geht nicht von heute auf mor- gen, da sie immerhin 12 % des Energiehaushaltes abdeckt. Dazu sollen ja auch noch alle Kraftwerke, die sich fossiler Brennstoffe bedienen, geschlossen werden, welche 37 % abdecken. Schaltet man diese also von heute auf morgen ab, haben wir ein Energie- defizit von 49 %. Es ist nicht möglich, dieses Defizit nach dem heutigen Stand der Technik mit erneuerbaren Energien zu ersetzen. Wir müssen also auf der einen Seite das Übel in Kauf nehmen und die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern, das aber an die For- derung koppeln, die Sicherheit weiter zu verbessern und massiv in die Forschung und in die Unterstützung von alternativen Energien zu investieren.
Auch in der Wirtschaft müssen wir uns neue Ziele setzen. Das Stre- ben nach dem ewigen Wachstum, von dem man sich Wohlstand für alle versprach, entpuppte sich nicht für alle vorteilhaft. Wir müssen also neben Zielen wie Wachstum, Preisstabilität, außen- wirtschaftliches Gleichgewicht und einer hohen Beschäftigungsrate auch Ziele wie den Schutz der Umwelt oder die Vermeidung von Rationalisierungsverlierern aufgreifen und im Wachstums- und Stabilitätsgesetz festhalten.
Auch in der Innenpolitik muss man auf viele neu auftretende Probleme reagieren: Integration von Menschen mit Migrationshin- tergrund, die demographische Entwicklung und das dadurch re- sultierende Problem der Finanzierung der Renten, Einbindung der Frauen in das Berufsleben und vieles andere.
Doch bei dem Versuch nachhaltig zu handeln dürfen wir nicht vom Boden der Tatsachen abheben. Manche Ziele sind, so toll sie auch klingen mögen, nicht realisierbar. Wir haben in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt eine Staatsverschuldung von ca. 1.901.666.949.174 €. Wäre es nachhaltig und verantwortbar gegenüber folgenden Generationen diese Summe zu vergrößern? Nein. Deswegen brauchen wir für eine gesunde nachhaltige Politik keine Neuverschuldung, sondern eine Umorientierung der Priori- täten und eine sich dadurch ergebene Umschichtung der Gelder.
Für mich ist die Zukunft mit der Erziehung eines Kindes vergleich- bar. Es reift nie so, wie man sich es als Elternteil idealerweise vor-
stellt, man kann es auch nicht dazu zwingen. Aber man kann die Entwicklung durch fortlaufendes Intervenieren beeinflussen. Und am Ende kommt man ja meistens doch zu einem ganz passablen Ergebnis.
2050
Die Energieversorgung spielt 2050 eine große Rolle. Da sich das Risiko und die Gefahr von Atomkraftwerken durch „Zwischenfäl- le“ wie 2011 in Japan als untragbar erwiesen haben, werden die anderen Wege zur Energiegewinnung jetzt stark ausgebaut. Man setzt vor allem auf erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft etc. Auf Grund verheerender Naturkatastrophen hat sich das Ge- wissen und damit der Alltag der Menschen stark am Umweltschutz orientiert, die Menschen spüren die Folgen des Klimawandels. Der ehemalige Mallorcaurlauber fährt im Sommer bei jetzt bereits 35 Grad an die Nordsee. Es hat in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Fluten, Stürme, Erdbeben und ähnliches gegeben, auch Eu- ropa bleibt nicht verschont.
Den Spagat zwischen ökonomisch und ökologisch haben mittler- weile sogar die asiatischen Industrien geschafft. Die Menschen legen überall auf der Welt, vor allem in den Wohlstandsstaaten großen Wert auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Wirtschaft und das Konsumentenverhalten sich nach dem Umweltschutz richten, und Produkte neben Preis und Qualität auch nach ihrer Umweltschonung und Produktion bewertet werden.
Trotz allem haben die Automobilkonzerne es noch nicht zu einer endgültigen, „perfekten“ Lösung gebracht, es wird noch viel mit Elektrobetrieb und Kraftstoffen wie E10 versucht. Im urbanen Verkehr bewegen sich die Menschen jetzt weniger individuell und mehr mit Hilfe von öffentlichen Verkehrsmitteln, welche komplett elektrisch betrieben werden. Langstrecken innerhalb Deutschlands und Europas sind durch ein internationales Transrapidnetz leichter und schneller als je zuvor. Flüge, allerdings jetzt nur noch zwischen
MORITZ STEINBRECHER Schüler
MAIKE STENGER
Schülerin
Kontinenten, sind für den Normalverbraucher unbezahlbar gewor- den. Dies bremst die Globalisierung enorm aus.
Zudem drängt sich die Frage des Rentensystems in Deutschland auf. Der Steuerzahler trägt mit heutzutage unvorstellbaren So- zialabgaben die Kosten der Rentner und jetzt fast 10 Millionen Arbeitslosen, die eine der im Laufe der Jahrzehnte immer wieder geschehenden Weltwirtschaftskrisen verursacht hat. Zusätzlich ar- beitet er jetzt bis zum Durchschnittsalter von 75 Jahren, da die durchschnittliche Lebenserwartung ebenso gestiegen ist, auf ca. 95 Jahre.
Kleine Schritte führen zu großen Veränderungen
2050 – was wir rückblickend erreicht haben. Es haben sich in den letzten 40 Jahren viele Veränderungen aufgezeigt, die sich beson- ders in der Energieversorgung widerspiegeln. Es gibt keine Atom- kraftwerke, die noch am Netz sind, und auch Kohlekraftwerke spie- len keine Rolle mehr in Energiebereitstellung. Doch wie haben wir dieses Ziel unter vielen anderen erreicht?
Es waren engagierte Menschen, die den Begriff Generationen- gerechtigkeit ernst genommen haben und aktiv geworden sind. Es wurden neue Formen der Partizipation gefunden, die vor allem aus der Informationstransparenz resultierten. Jeder Bürger hatte und hat die Möglichkeit, in politische Prozesse Einblick zu nehmen und sich auch aktiv daran zu beteiligen, dank der Plattformen, die ei- nen optimalen Informationsfluss gewährleisten. Ein Handlungsbe- darf wurde deutlich, der letztendlich Massen bewegt hat, schon im Kleinen anzufangen und somit Politik, Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft zu beeinflussen. Doch ein weiterer Punkt, der sich be- währt hat und uns zu dieser Entwicklung geführt hat, ist die hohe Bereitschaft in den letzten Jahren gewesen, in Bildung zu investie- ren. Mittlerweile macht der Anteil der Ausgaben für Bildung 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Somit konnten wir einen größeren Teil der Gesellschaft mit einbeziehen und am politischen Prozess beteiligen. Und das ist es, was unser Land heute ausmacht. Menschen, die mitdenken und auch kleine Entscheidungen hin-
terfragen. Es wird nicht mehr einfach Strom konsumiert, wo nie- mand weiß, wie es mit der Entsorgung des Mülls weitergehen soll. Man kauft keine gentechnisch veränderten Produkte mehr. Doch beschreibe ich unsere Gesellschaft gerade in einer utopischen Wei- se? Vielleicht, doch wenn wir diesen Weg auch in den folgenden Jahren weiterverfolgen und weiter auf Bildung, Selbstbestimmung und Chancengleichheit setzen, wird sich unser Land in positivem Ausmaß weiter entwickeln.
Auch auf europäischer Ebene konnten wir Einfluss nehmen, doch auch hier bin ich der Meinung, dass weiter visioniert werden muss, weiter gedacht werden muss, um nachhaltig zu agieren. Im- mer wieder spielt in meiner Argumentation die Tatsache, dass wir selbst die Nachfrage und somit die Wirtschaft steuern, eine große Rolle. Doch um optimistisch zu bleiben, hier noch ein positives Beispiel, was wir in den letzten vierzig Jahren geschafft haben. Das Ausmaß des CO2-Ausstoßes beispielsweise wurde nicht akzeptiert und somit wurden Lösungen gefunden, die uns auf neue Wege brachten. Dabei spielt unsere heutige Form der Mobilität eine gro- ße Rolle. Es ist kaum vorstellbar für uns heute, dass damals fast jeder einen eigenen Personenkraftwagen besaß. Diese Form der Fortbewegung ist nicht vertretbar und glücklicherweise haben wir es geschafft, die Bedeutung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahr- gemeinschaften, Fahrrädern und Elektroautos zu erhöhen. Doch wie haben wir das geschafft? Mit Akteuren, die sich für uns ein- gesetzt haben, mit neuen Technologien, die uns die neuen Wege ermöglichten und schlicht mit unserem kritischen Hinterfragen, das nicht alles zugelassen hat, was uns damals aufgetischt wurde.
ZUSAMMEN 2050
Wir schreiben das Jahr 2050: 55 Jahre bin ich nun alt; Beruf und Familie prägen meinen Alltag, aber nicht nur ich habe mich verän- dert: Deutschland und die ganze Welt haben es getan!
Menschen leben gemeinsam, denn Begegnungsstätten und Mehrgener(n)ationenhäuser sind erfolgreich und erforderlich. Nicht nur Menschen verschiedener Generationen können so von- einander lernen, sondern auch die unterschiedlichsten Kulturkrei-
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LAURA VOLLMER
Schülerin
Der Mensch musste lernen sich und seine Bedürfnisse zurückzustellen (suffizient werden), um einer gesicher- ten und positiven Zukunft entgegenblicken zu können. Das hat er aber akzeptiert, denn „die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der menschlichen Visionen“ (Hans Kasper).
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se, Nationen und Religionen. Integrationsprogramme sind Vergan- genheit, denn die Integration wird gelebt.
Auch bei der älteren Generation hat sich ein neuer Trend durchge- setzt: die Alters-WG. Wir leben nun in einer Gesellschaft, die mit- einander lebt, füreinander da ist und sich umeinander kümmert.
Der Einfluss der Medien wurde genutzt: Das Bild der typisch deutschen, glücklichen Familie (à la Knorr-Werbung) wurde aus den Köpfen der Nutzer gelöscht. Patchworkfamilien, Multikulti- Familien, Behinderte, Homosexuelle usw. sind nichts Außerge- wöhnliches mehr in Werbung, Film und Fernsehen. Vorurteile und Intoleranz sind verblasst. Jeder weiß: Menschen unterscheiden sich, aber sind dennoch alle gleich.
Auch im Bereich der Energie sind die Fortschritte, die sich früher als geplant entwickelt haben, deutlich zu erkennen. Atomkraft ist und bleibt Vergangenheit! Die Menschen haben aus der Natur- katastrophe in Japan und den daraus entstandenen Folgen (insb. Fukushima) gelernt, denn die Nutzung von erneuerbarer Energie ist Standard geworden und zudem der größte Stromproduzent.
Von A nach B kommt man mit Elektroautos, dem Fahrrad, oder wie die meisten Menschen: mit dem Zug/dem Bus. Es wur- de mehr Geld in Verbesserungen des ÖPNV investiert, und auch durch Vergünstigungen wird diese umweltfreundliche und schnelle Transportmethode stärker und gerne genutzt.
Bildung ist mittlerweile nicht mehr Ländersache: Es existiert ein bundesweit einheitliches Schulsystem, bei dem die Schüler ihren Schulalltag frei mit gestalten können! Das Reformenchaos wurde endlich gestoppt. Die Grundschule wurde von vier auf sechs Jahre erweitert. Auf individuelle Schwachpunkte wird eingegangen, Stär- ken werden gefördert.
Durch die „Börse der gesellschaftlichen Partizipation“ wurde ein neues Informationssystem entwickelt. Man kommt nun leicht an Informationen, kann aber auch frei Informationen zur Verfügung stellen (Bottom Up, Top Down – Prinzip). Egal welches Alter man hat, partizipieren und sich engagieren ist einfacher und gefragter denn je. Bürger beteiligen sich gerne und aktiv an der Demokratie, da viele gemerkt haben, dass es sehr wohl möglich ist etwas zu be- wegen und man dabei auch ernst genommen wird.
Bildung als Grundlage für ein stabiles Deutschland
Es ist der 24. März 2050. Zwar bin ich mit 58 Jahren keine Schü- lerin mehr, trotzdem ist mir die Bildung noch eine Herzensange- legenheit. Und damit bin ich heute nicht mehr in der Minderheit. In den letzten 39 Jahren hat sich etwas im Denken der Menschen geändert. Da Deutschland keine Bodenschätze besitzt, ist den meisten nun klar geworden, dass Bildung das höchste Gut der Ge- sellschaft ist und Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand unseres Landes. In der Politik steht Bildung nun an erster Stelle und wird finanziell sehr viel mehr gefördert, als zu dem Zeitpunkt, als ich noch Schülerin war. Auch hat sich das deutsche Schulsystem geändert. Ja, ich spreche vom deutschen Schulsystem, nicht mehr vom bayerischen, sächsischen oder hessischen Schulsys- tem. Nachdem im Jahre 2019 nun in allen Bundesländern das G8 erfolgreich eingeführt wurde, gibt es seit dem Jahre 2021 nun ein bundesweites Schulsystem.
Meine Kinder haben nun die Chance, sechs Jahre in die Grund- schule zu gehen und mit Kindern aus allen sozialen Schichten und mit den verschiedensten kulturellen und religiösen Hintergründen zu lernen.
Stichwort: Chancengleichheit. Wir alle wissen, dass Chancen- gleichheit ein nahezu utopischer Begriff ist, der schwer umzusetzen ist. Im internationalen Vergleich kamen wir 2011 diesem Begriff schon recht nahe: Bildung kostete nichts und war theoretisch je- dem zugänglich. Die Theorie umzusetzen, war damals noch schwe- rer. Kinder, die von ihrer Familie nicht explizit gefördert wurden, hatten schlechtere Chancen, eine gute Ausbildung zu bekommen. Auch Kinder aus Migrantenfamilien taten sich schwerer, sich in das deutsche Bildungssystem einzugliedern.
Heute sind wir der Chancengleichheit noch einen Schritt näher ge- kommen. Kinder werden vom Kindergarten an bestmöglich geför- dert. Kinder mit Migrationshintergrund werden in der deutschen Sprache und der deutschen Kultur von Anfang an geschult.
Das Berufsbild der Kindergärtner und Kindergärtnerinnen hat sich geändert: Sie werden sehr gut bezahlt und sind gesellschaftlich hoch angesehen. Denn die Arbeit, die diese Menschen verrichten, beeinflusst das zukünftige Deutschland.
SOPHIE VON LOEBEN
Abiturientin
Natürlich ist das alles nur eine Vision, aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Bil- dung in 2050 in etwa so aus- sehen wird. Meiner Meinung nach ist das der Grundstein für eine nachhaltige deutsche Gesellschaft.
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Auch die Lehrersituation hat sich verbessert, da Lehrer seit 2026 keine Beamte mehr sind, sondern Angestellte der jeweiligen Schu- len und ihre Qualitäten als Lehrkraft jedes Jahr aufs Neue bewei- sen müssen. Dadurch hat sich das Bild des frontal unterrichtenden Lehrers zu einem Bild des engagierten, integrierenden und an den Schülern interessierten Menschen gewandelt, der seine Aufgabe nicht nur darin sieht, dem Nachwuchs Deutschlands eine große Allgemeinbildung mit auf den Weg zu geben, sondern ihn auch bestmöglich in seinen Fähigkeiten zu stärken und seine Charakter- bildung zu fördern.
Der Beruf des Lehrers ist heutzutage einer der anerkanntes- ten Berufe in unsere Gesellschaft, da nun endlich allen klar gewor- den ist, dass Lehrer einen der größten Einflüsse auf das zukünftige Deutschland hat.
Der Aufbau unseres staatlichen Systems und unseres Grundgeset- zes sind nun Teil jedes Lehrplans geworden. Natürlich kann man niemanden zu einem Interesse für Politik zwingen, jedoch sind sich Jugendliche heute schon über ihre Rechte und Pflichten in unserer Gesellschaft bewusst.
Insgesamt blicke ich auf ereignisreiche 39 Jahre zurück und freue mich über die großartige Entwicklung der Einstellungen der Deut- schen zum Thema Bildung. Allen ist nun bewusst, wie wichtig Bil- dung ist, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Denn nur ein gebildetes Deutschland wird in der Zukunft Chancen, haben sich internatio- nal weiterhin durchsetzen zu können.
Wir haben es geschafft, aus unserem Nachwuchs so viel wie möglich herauszuholen und ihm die bestmögliche Bildung zu gewährleisten. Migranten werden nicht mehr als Last angesehen, sondern als Chance. Durch die bessere Förderung der zugewan- derten Kinder studiert nun ein hoher Prozentsatz dieser und wird dem Staat später durch Steuerzahlungen nutzen. Auch ist es uns gelungen, die in Deutschland Ausgebildeten nicht mehr an ande- re Länder zu verlieren. Ich kann mich noch genau erinnern, als 2011 viele Menschen nach ihrer Ausbildung auf Grund besserer Jobbedingungen ins Ausland gegangen sind. Heutzutage hat sich auch hier die Jobsituation verbessert und die meisten bleiben hier in Deutschland.
Zweitausendfünfzig
2050 – Eine Jahreszahl, die jetzt, 2011, noch ziemlich weit weg erscheint und uns gefühlt wahrscheinlich in einem höheren Tempo näher rückt, als uns lieb ist.
Zeit, sich zu fragen, wie das Jahr wohl aussehen könnte und wie wir mit unserem heutigen Handeln zu einem möglichst positi- ven Bild beitragen können.
Beim ersten Brainstorming dachte auch ich sofort an die üblichen Verdächtigen:
• die Fragen nach Atomkraft (eindeutig zu beantworten),
• Bildung (eindeutig: eine Verbesserung muss sein; nicht ganz so
eindeutig: wie),
• nachhaltigem Wirtschaften (auch dazu fällt mir keine einfache
Antwort ein…),
• dem demografischen Wandel,
• Gleichberechtigung,
• Integration,
• Armut und Reichtum,
• und so weiter und so fort.
Die Liste der Probleme ist lang. Beim Visionieren während mor- gendlicher Zugfahrten und gemütlicher Abenden schwankte ich stetig zwischen zwei Polen – zwischen Optimismus und Pessimis- mus, zwischen Utopie und Dystopie. Und dazwischen unendlich viele Möglichkeiten.
Wir als Menschheit haben endlich gelernt. Eine „Ethik des Ge- nug“ [nach Margot Käßmann], ein Maß-Halten in unserem Kon- sumverhalten – es ist endlich Normalität geworden. Nicht einfach, nicht ohne Anstrengung, doch verbreitet – wie um 2010 der Trend, „bio“ und „fair gehandelten Kaffee“ zu kaufen.
Im Angesicht von Atomkatastrophen und Flüchtlingsströmen, Überflutungen und Verwüstungen und einem wachsenden sozialen Ungleichgewicht kam 2025 endlich die Wende – eine Diskussi- on um Grundwerte entbrannte und bezog alle gesellschaftlichen Schichten mit ein. Und zeigte Konsequenzen.
PAULINE VOSS
Studentin Medizin
Meine Vision? Meine Hoffnung.
Woran diese Diskussion ge- nau entbrannte? Ich weiß es nicht mehr.
Es ging um Menschenrechte. Um die Würde des Einzelnen, um die Einzigartigkeit, aber auch um den gleichen Wert jedes einzelnen, ob CEO im Silicon Valley oder Straßenfeger in Sao Paolo.
Es ging um gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften, beson- ders in Bezug auf eine stetig wachsende Schere zwischen Arm und Reich, Ausbeutung und um die begrenzten Ressourcen, die uns auf der Erde zur Verfügung stehen.
Mich beschäftigten besonders Fragen der Medizinethik. Die Prä- implantationsdiagnostik, kurz PID, war 2011 für Ausnahmefälle zugelassen – 2020 gehörte sie bereits zum Standard jeder In-vitro- Fertilisation. Das führte nicht nur bei mir, sondern bei vielen dazu, Grundsatzfragen zu stellen.
Welchen Wert messen wir einem Menschenleben bei? Erachten wir sowohl das Leben eines hochbegabten Eigenbrötlers als auch das eines Menschen mit Trisomie 21 als lebenswert? Verhalten wir uns entsprechend unserer Antwort auf diese Fragen, oder bleiben es meist schöne Worte?
Ein anderes Themenfeld betraf ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaften. Wo liegt die Grenze unserer Gier? Wo und wie weit müssen wir uns einschränken, um gerechte Produktionsbedingun- gen zu schaffen?
Zur Bildung kamen diese Fragen auf: Wo liegt die Grenze zwischen Chancengleichheit und Gleichmacherei? Wie schaffen wir es, die Bildungssysteme durchlässig zu halten und gleichzeitig alle mög- lichst individuell zu fördern?
Ähnliche Fragen tauchten zu allen erdenklichen Problemkomple- xen auf.
Die Lösung lag und liegt auch jetzt, 2050 noch, in grundsätz- lichen Antworten. Erkennen wir die Menschenrechte wirklich und konsequent an, dann sind viele Praktiken, die 2011 noch gang und gäbe waren obsolet.
2030 geschah dann etwas, was ich 2011 nur noch schwer für mög- lich gehalten hätte: die Politik dachte über Wahlperioden hinaus. Es wurden endlich Rahmenbedingungen für ein – weltweit – faires und nachhaltiges Handeln geschaffen. Grundlage dafür war die Er-
klärung der Menschenrechte und die Ableitung der Konsequenzen daraus. Natürlich gefiel das vielen nicht.
Mit fairen Arbeitsbedingungen lässt sich nun einmal nicht mehr so billig produzieren wie 2011. Doch endlich wurden in der weltweiten Politik Entscheidungen unabhängig von Lobbyisten gefällt, die oft nicht kurzfristig, aber langfristig von Vorteil waren – nachhaltig also.
Über einen Grundsatz waren sich die Menschen in den Führungs- positionen einig: Jeder Mensch besitzt den gleichen Wert, unab- hängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Bildungsgrad, Herkunft… – doch sind wir Menschen nicht alle gleich.
Daraufhin folgten einige Veränderungen (nur ein paar Beispie- le hier): Mindestlöhne wurden nicht nur für einzelne Branchen, sondern generell und weltweit eingeführt. Außerdem wurden der Anreiz und der Druck auf Unternehmen erhöht, wirklich nach- haltig zu wirtschaften – das betrifft Energiefragen, Arbeitnehmer- freundlichkeit, ….
Bildung wurde jedem zugängig gemacht und wer ein „Spätzünder“ ist, hat auch später die Chance, ein höheres Bildungsniveau zu er- reichen.
In anderen Bereichen sind wir noch auf dem Weg. Zwar wird in Deutschland mittlerweile der Strom komplett aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, doch gibt es weltweit immer noch zu viele Atomkraftwerke.
Auch ist die Schere zwischen Arm und Reich noch weit geöff- net, doch es gibt Verbesserungen. Die Entwicklungshilfe setzt mit- tlerweile nicht mehr auf „Patenschaften“, wie noch vor 40 Jahren, sondern begibt sich in Partnerschaften mit Hilfsbedürftigen.
Wir sind 2050 noch lange nicht am Ziel – einer Welt, wie ich sie mir 2011 gewünscht habe. Aber wir sind auf einem guten Weg und in einem ständigen Diskurs über die Gründe unserer Entschei- dungen, im privaten Bereich wie auch auf der großen politischen Bühne.
Ob wir jemals ankommen? Das liegt an jedem Einzelnen. Das liegt daran, ob wir die Rahmenbedingungen der Politik nutzen und die „Ethik des Genug“ in unserem Leben umsetzen – nicht in gro- ßen Worten, sondern ganz konkret.
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MARLENA WACHE
Arbeitet bei einem Biolebens- mittelhersteller
Bewusstseinswandel für eine sinnvolle Gestaltung der Welt
Schon merkwürdig, sich vor dem Hintergrund der schrecklichen Ereignisse in Japan Gedanken über die nächsten 40 Jahre zu ma- chen. In meiner Vision gibt es im Jahr 2050 keine Atomkraftwerke mehr. Wir haben im März 2011 endlich begriffen, dass wir einen Holzweg schon viel zu weit gegangen sind. Unseren Energiebedarf decken wir, nun im Jahr 2050, aus regenerativen Energiequellen. Wir haben auch gelernt, sparsamer zu sein und auch mal Verzicht zu üben.
Dieser Bewusstseinswandel und das entsprechende Handeln haben nicht nur die Energiewende gebracht. Wir sind insgesamt aufmerk- samer geworden. Wir fragen wieder, wo die Produkte, die wir kau- fen, herkommen. Mit dieser Einstellung haben wir den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft geschafft. Von einer Wirtschaft, die nur die Gewinnmaximierung kennt, haben wir uns verabschie- det. Wir haben endlich begriffen, dass das Streben nach einem ma- teriellen „Mehr“ uns nicht glücklich macht und die Wirtschaft eine Sinnbestimmung braucht. Wir Menschen haben es mit unserer Nachfrage geschafft, den Markt zu verändern. Es gibt viele kleine, innovative Unternehmen, der Markt ist dezentraler und fairer ge- worden. Es gibt viel mehr Bio-Produkte. Unternehmen, die noch immer auf Kosten Dritter oder der Natur produzieren, müssen den Schaden, den sie anrichten bezahlen. Schon bald sind diese Pro- dukte so teuer, dass sie niemand mehr haben möchte.
2050 gibt ein neues, flexibleres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist selbstverständlich. Vielleicht gibt es sogar ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wir legen wieder mehr Wert auf die ganzheitliche Entwicklung junger Menschen, statt sie zu Gliedern unserer Wirtschaft auszubil- den. Auch das Verständnis von Wirtschaft, wie es zum Beispiel im BWL-Studium vermittelt wird, hat sich verändert. Wirtschaft be- deutet Gestaltung und Verantwortung und nicht eindimensionale, rationale, egoistische Nutzenmaximierung.
In den vergangenen Jahren haben wird das Thema und den Begriff der „Nachhaltigkeit“ ausgiebig diskutiert. So haben wir es geschafft,
uns als Gesellschaft einen gemeinsamen Begriff zu bilden und die Nachhaltigkeit vor Greenwashing und Vereinfachung zu retten. In vielen Fällen ist es uns gelungen, nicht vorschnell zu urteilen, was scheinbar nachhaltig ist, sondern alle Dimensionen der Nachhal- tigkeit einzubeziehen.
Wir haben gelernt, dass die Minimierung verschiedener Zielgrößen (z.B. CO2) nicht alles sein kann. Im Jahr 2050 ist das nachhaltig, was die Welt sinnvoll und ganzheitlich gestaltet.
Vision 2050
Im Jahr 2050 sind der Bevölkerung die sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme bewusst geworden.
Die meisten handeln nach bestem Wissen und Gewissen, um die immensen Schwierigkeiten, vor denen die Weltbevölkerung noch immer steht, zu bewältigen.
Große Infrastruktur- und Forschungsprojekte, welche „nachfrage- induziert“ von Politik und Wirtschaft durchgeführt wurden, haben große Auswirkungen auf das tägliche Leben jedes Einzelnen. Der ÖPNV ersetzt die individuelle Mobilität dank Carsharing und der Förderung von Fahrrädern. Der Bau von Nicht-Passivhäusern gilt längst als unwirtschaftlich, und die Produktion von Kunststoffen aus Öl gilt nicht mehr als alternativlos.
Das Schienennetz ist inzwischen so gut ausgebaut und gewartet, dass es kaum noch zu Verspätungen kommt. Durch konsequen- ten Ausbau ersetzen Hochgeschwindigkeitstrassen den nationalen Flugverkehr fast völlig. Der internationale Flugverkehr ist durch realistische Besteuerung erheblich effizienter geworden, stellt aber immer noch ein großes ökologisches Problem dar.
Strom wird fast ausschließlich regenerativ gewonnen: Insbesondere internationale Kooperationen und intelligente Stromnetze haben diesen Fortschritt möglich gemacht.
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JONAS WALDMANN
Zivildienstleistender bei einer Schutzstation
KIM MARLA WENDORF
Schülerin
Der Umweltschutz hat im Jahr 2050 einen höheren Stellenwert als 40 Jahre zuvor. Ein effektiver Schutz der Regenwälder, der Meere, der arktischen Regionen und anderer sensibler Ökosysteme wird großgeschrieben. Dies wird durch den sinkenden Rohstoffbedarf, welcher durch die steigende Weltbevölkerung zunächst drastisch anstieg und mittelfristig stagnierte, begünstigt.
Durch weitläufige Fangverbotszonen für die industrielle Fi- scherei konnte der Ertrag langfristig gesteigert werden, wodurch Fisch als Grundnahrungsmittel weiter zur Verfügung steht. Der Fleischkonsum ist durch die wachsende Bevölkerung und die Flä- chenproblematik von selbst zurückgegangen. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ernährt sich ohnehin längst vegetarisch.
Alles in allem ist das Leben im Jahr 2050 nicht weniger lebenswert als 40 Jahre zuvor. Zwar musste jeder Einzelne Einschränkungen über sich ergehen lassen, um einen Kollaps in naher Zukunft zu verhindern, aber durch intelligente Konzepte konnte der Komfort- verlust weitestgehend minimiert werden.
Der wahre Luxus!
Nachdem durch Insektizide, Pestizide, Weichmachern in Kunststof- fen Paare immer häufiger keine Kinder mehr bekommen konnten, sah sich die Regierung gezwungen, Reformen einzuleiten. Wenn ich heute in den Supermarkt gehe, gibt es praktisch nur noch Bio- Produkte. Die Ernährung ist sehr stark regional und saisonal ausge- richtet. Für Produkte mit hoher CO2-Bilanz zahlt man nun deut- lich mehr, somit werden die bis dahin noch umweltunbewussten Leute gezwungen, ökologischer einzukaufen. Des Weiteren sind die Arbeitsbedingungen in den Schwellenländern fair, sonst hätten wir die massenhaften Wanderungsströme nach Europa auch nicht verhindern können. Die globale Zusammenarbeit beruht nun auf gegenseitiger Hilfe und nicht auf egoistischem Streben.
Ich muss mir nicht mehr Gedanken machen, dass meine Kinder/ Enkelkinder zu viel Zeit im Internet verbringen, da die Menschheit erkannt hat, dass man viel glücklicher ist, wenn man gemeinsam einen Kuchen backt, als nur zu posten: „Schaut euch
meinen leckeren Kuchen an“. Gemeinsamkeit und die Freude an der Natur haben wieder einen höheren Stellenwert. Auch die Ruhe – dadurch, dass man nicht immer online abrufbar ist – wird end- lich wertgeschätzt.
Was für ein Irrglaube das war, dass technischer Fortschritt, wie z. B. die Autotür, die sich automatisch öffnet und schließt, Luxus sei. Wir mussten lernen, dass die wenige Bewegung und Nutzung unserer Muskeln uns so erheblich geschadet hat, dass die Gesund- heitsausgaben ins Unendliche gestiegen sind. Nicht nur, weil wir immer weniger körperlich ausgelastet waren, sondern auch, weil es uns unglücklich gemacht hat, immer weniger zu tun. Kaum zu glauben, dass vor 40 Jahren fast alle von Fast-Food und Fertigge- richten gelebt haben und sich kaum einer Gedanken darüber ge- macht hat, was die ganzen Zusatzstoffe für uns für Folgen haben. Es gab tatsächlich Süßstoffe und Nanoteilchen in Lebensmitteln! Wenn ich das heute meinen Kindern erzähle, denken die, ich hätte in einer rückständigen Diktatur gelebt, in der es keine Information und keine Wahl gegeben hätte.
Ach ja, eins macht die jüngere Generation heute besonders wütend: Dass es bis 2020 gedauert hat, bis alle politischen Ent- scheidungen den 100 Jahre Zukunfts-Check machen mussten. Auch heute, 30 Jahre danach, leiden wir unter der Kurzfristigkeit damaliger politischer Entscheidungen. Aber wir müssen nach vorne schauen, und immerhin leben die meisten Menschen heute glück- licher als vor ein paar Jahrzehnten – in dem Bewusstsein, dass man auf manchen angeblichen Luxus verzichten kann und soziales Mit- einander und gesunde Lebensmittel der wahre Luxus sind.
Eine soziale, demokratische, ökologische, friedliche Welt
SOZIAL – Kein Mensch verhungert, alle haben gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Der weltweite Wohlstand ist nicht in den Händen weniger Superreicher konzentriert, sondern alle Men- schen auf der ganzen Welt profitieren davon. Es gibt ein sehr hohes bedingungsloses Grundeinkommen für alle, der Kapitalismus wird durch einen freiheitlichen, demokratischen Sozialismus ersetzt.
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FELIX WERDERMANN
Freier Journalist
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Wachstums- und Arbeitszwang weichen einem angenehmen Leben mit viel Freizeit.
DEMOKRATISCH – In der Weltrepublik dürfen alle Menschen gleichermaßen mitentscheiden, alle dürfen sich frei bewegen, niemand wird diskriminiert. Die Menschenrechte gelten überall. Weltpolitik wird nicht nur von den Regierungen gemacht, sondern auch von einem Weltparlament, den Parteien, der Zivilgesellschaft und vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern in jedem Alter. Direkte Demokratie ist auf allen Ebenen etabliert und wird häufig angewandt. Betriebe, Schulen, Universitäten, staatliche Behörden werden demokratisiert, Hierarchien weitestgehend abgeschafft. Kirche und Staat sind vollständig getrennt.
ÖKOLOGISCH – Der Treibhausgasausstoß wird auf ein Minimum zurückgefahren, Kohle- und Atomkraftwerke sind stillgelegt. Die Produktion weiteren hochradioaktiven Atommülls ist gestoppt. Die Stromerzeugung ist zu 100 Prozent erneuerbar, der Strommix orien- tiert sich an den Vor- und Nachteilen der einzelnen Energieträger.
Der Flugverkehr ist wenigen Ausnahmesituationen vorbehal- ten, Mobilität wird in erster Linie durch einen kostenlosen ÖPNV gewährleistet. Die letzten Urwälder werden effektiv geschützt, der Schwund der Artenvielfalt wird gestoppt. Tiere werden als leidens- fähige Lebewesen anerkannt und nicht weiter gequält.
FRIEDLICH – Es gibt weder Kriege noch Soldaten oder Armeen. Die Wehrpflicht ist ein Relikt der Vergangenheit. Sämtliche Atom- waffen sind ebenfalls abgeschafft. Konflikte werden friedlich gelöst, Gefängnisstrafen sind äußerst selten, für Resozialisierung und prä- ventive Maßnahmen wird deutlich mehr Geld ausgegeben.
2050
1.1.2050 – 0:01 Uhr.
Die Sektkorken fliegen durch die Luft. Wir sammeln den Korken wieder ein und entsorgen ihn vorschriftsmäßig. Das Recycling hat die Welt erobert und ist eine der Grundlagen unserer heutigen Rohstoffgewinnung. Aber alles läuft etwas ruhiger ab als noch vor 40 Jahren.
Damals, mit 27 Jahren haben wir es noch richtig krachen lassen. Uns gegenseitig mit Sekt übergossen und feucht-fröhlich das neue Jahr begossen. Recycling? Na ja, hat man halt so nebenbei mitge- macht damals. In der Hoffnung, dass am Ende da noch einmal jemand drüber schaut.
Mit 67 geht jetzt alles ruhiger und gelassener von sich. Der demografische Wandel hat Deutschland jetzt endgültig in seinem Griff. Aber wir haben Mitte der 2020er-Jahre den Wandel geschafft. In jeder Stadt mit mehr als 500 Einwohnern gibt es seitdem ein Mehrgenerationenhaus, in dem sich jung und alt gegenseitig helfen und unterstützen. Der Arzt ist immer auch dort anzutreffen oder schaltet sich per Mausklick zu. Heute alles kein Problem mehr. Der ländliche Raum, einst das Sorgenkind der Pessimisten in Politik und Wirtschaft, lebt neben den großen Ballungszentren, den Me- galopolen, weiter. Die sozialen Sicherungssysteme unserer weltweit kopierten sozialen Marktwirtschaft haben den Stürmen der Neo- liberalisten standgehalten. Die Rente ist zwar weniger geworden. Gut. Aber wir konnten unseren Wohlstand halten und ihn gerech- ter verteilen.
Opfer gab es bis heute allerdings auch zu beklagen. Die Erderwär- mung ließ sich nicht ganz aufhalten, aber dank einer grünen Welt- wirtschaft konnten wir vieles zum Positiven gestalten. Deutschland ist heute die Lokomotive dieser grünen Weltwirtschaft. Visionär war – und dies muss erwähnt werden – die vollständige Abrüstung bzw. Verschrottung sämtlicher Nuklearwaffen und das Ende des Atomzeitalters im Jahre 2037. Ein Endlager suchen wir allerdings noch.
Dass China mittlerweile demokratisch ist, und der Weltsicherheits- rat eine echte Weltregierung, war damals unvorstellbar. Wir haben
DIRK WIESE
Volljurist,
Büroleiter eines Bundestags- abgeordneten
ANDREA WITTEK
Absolventin Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
schon eine Menge erreicht. Die Siege bei den Weltmeisterschaften 2014, 2018 und 2022 unter Jogi Löw waren auch sportlich eine tolle Zeit. Na ja, wir waren aber auch Idealisten damals beim Zu- kunftsdialog. Freue mich schon auf unser 40-jähriges Jubiläums- treffen. Ganz besonders freue ich mich auf die Jubiläumsrede durch den Bundesminister für Nachhaltigkeit und Demografie.
24.03.2050
Ich bin 63 Jahre alt. Wie mein Leben heute, im Jahr 2050, aussieht? Vormittags habe ich, wie meistens, von Zuhause aus gearbeitet und mich virtuell in die Firma eingeklinkt. Ich bin wirklich froh, dass es mittlerweile normal ist, im Homeoffice zu arbeiten. Wenn ich da an das tägliche Pendeln zur Arbeit vor 40 Jahren denke, ist das wirklich ein riesiger Fortschritt. Die virtuelle Konferenz mit mei- nem internationalen Team lief auch ganz gut, und endlich konnte ich meine neue Kollegin aus Indien mal „live“ sehen. Die interna- tionale Zusammenarbeit auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hat sich in den letzten 40 Jahren nochmals inten- siviert. Heute wissen wir, dass die internationale Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg ist. Wir haben viel voneinander gelernt und lernen jeden Tag noch mehr voneinander!
Und ich bin wirklich froh, dass ich auch in meinem Alter noch arbeiten kann und darf… Ich weiß gar nicht, was die Menschen in meinem Alter vor 40 Jahren gemacht haben… Rente??? Oh je, das kann ich mir gar nicht vorstellen! Ich fühle mich noch unglaublich fit und möchte noch viel von meinem angesammelten Wissen in das Unternehmen einbringen. Und dank diesen neuen Arbeitsmo- dellen mit Homeoffice und Jobsharing, ist das auch ganz leicht. Ich kann gerade den jüngeren Berufseinsteigern noch viel beibringen, immerhin habe ich im Laufe meines Berufslebens viele kritische Situationen erlebt, und diese Erfahrungen sollen nicht verloren ge- hen. Das haben auch die meisten Arbeitgeber mittlerweile verstan- den, und es ist nichts Außergewöhnliches mehr, wenn auch ältere Menschen noch beratend im Unternehmen tätig sind.
Mittags habe ich dann alle relevanten Ereignisse des Tages auf meinem mobilen Endgerät verfolgt. Seit die klassische Papierzei-
tung vor 20 Jahren auf Grund von Umweltbedenken abgeschafft wurde, kann ich zwar morgens nicht mehr gemütlich mit einem Kaffee die „normale“ Zeitung lesen, dafür bekomme ich alle rele- vanten Informationen digital übermittelt. So bin ich immer über alle relevanten Entwicklungen und Ereignisse informiert und muss nicht mehr (so wie früher) jedes Wochenende mein Altpapier ent- sorgen. Heute habe ich auch einen interessanten Artikel gelesen: Heute wurde ein neues Museum in meiner Stadt eröffnet, in dem die Autos aus der Zeit vor 40 Jahren gezeigt werden. Ich kenne die alten Dinger ja noch, aber für die Kinder von heute ist das schon interessant: Benzinautos gibt es ja gar nicht mehr, und auch so gro- ße Fahrzeuge, die wir noch als „Limousinen“ gekannt haben, gehö- ren schon längst der Vergangenheit an. Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich nur noch kleine Autos mit zwei Sitzen, die lautlos mit einem Elektromotor durch die Stadt fahren. Vielleicht kann man in dem Museum so ein Auto auch mal starten, damit die Kinder merken, wie sehr es früher aufgrund der Abgase in den Städten gestunken hat!
Na ja, ich habe ja sowieso kein eigenes Auto mehr, sondern benutze nur das Elektroauto meiner Hausgemeinschaft. Carsharing ist ja mittlerweile was ganz Normales…
Wenn ich über die letzten 40 Jahre nachdenke, dann fallen mir auch einige wichtige Meilensteine ein, dank derer sich die Welt, in der wir heute leben, um ein Vielfaches verbessert hat:
• das Abschalten der Atomkraftwerke erst in Deutschland und später auch in ganz Europa;
• die Einführung einer europäischen Staatsbürgerschaft;
• medizinische Fortschritte: Heilung der Immunschwäche- krankheit HIV, höhere Heilungschancen bei Tumoren, Herz-
infarkten und Schlaganfällen; • Abschaffung der Todesstrafe.
Das Jahr 2050 …
Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich sehr froh, dass wir in den letzten 40 Jahren die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Die Entscheidung jedes Einzelnen war und ist immer noch wichtig. Wir haben gelernt, dass man für seine Überzeugung gerade stehen muss und dass man manchmal auf Annehmlichkeiten verzichten muss – FÜR unsere Zukunft, FÜR unsere Kinder und FÜR unsere Welt. Es war nicht immer einfach. Aber es hat sich gelohnt.
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03
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AIDS
ALTERNATIVLOS
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2035
frühere Bedeutung
Begründung für eine Politik ohne ausreichende Begründung.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
Oktober 2013
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Erkenntnis, dass Politik immer gut begründet sein muss.
174 | VERBARIUM
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WÖRTERBUCH DER IM JAHR 2050 AUSGESTORBENEN BEGRIFFE
VERBARIUM
Im Bericht „Visionieren. Visionen 2050. Dialoge Zukunft ́Made in Germany ́“ schlägt Philipp Albers, Geschäftsführer der Zentra- len Intelligenz Agentur, vor, ein Verbarium zu erstellen.
Darunter versteht er ein Wörterbuch für Begriffe, die im Jahr 2050 ausgestorben sein werden.
Im Rahmen der Stakeholderkonferenz „Dialoge_Zukunft_Vi- sion2050“ vom 23. bis 25. März 2011 schlugen die Teilnehmenden nachfolgende Begriffe vor.
frühere Bedeutung
Leute/Personen, die aus einem anderen „Land“, einer anderen Region kommen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2038
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Gründung des „Europäischen Staates“. Es spielt keine Rolle mehr, wo jemand herkommt.
frühere Bedeutung
Vorherrschendes Zahlungsmittel im alltäglichen Gebrauch (mate- rieller Art).
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Die zentrale Speicherung von Informationen (Konten, Identität, Ge- sundheit, Versicherungsinformationen auf dem Personalausweis) und die Vernetzung aller Lebensbereiche machten Barzahlungen überflüssig.
frühere Bedeutung
Ein handgeschriebenes Schriftstück, dass via Boten versandt werden konnte.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Ständige Erreichbarkeit durch digitale Medien.
frühere Bedeutung
Einsatz einer überholten/riskanten Technologie auf dem Weg zu neuerer.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2012
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Menschen sind ambitionierter, visionärer und setzen sofort auf bes- sere Technologien. Verantwortlicher Umgang mit neuen und alten Technologien.
AUSLÄNDER
BARGELD
BRIEF
BRÜCKENTECHNOLOGIE
CD
CSR
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
frühere Bedeutung
Corporate social responsibility als Marketinginitiative.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2025
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Firmen beteiligen sich automatisch an Verbesserung der Umwelt / dem Sozialen; muss nicht extra hervorgehoben werden – müssen dies auch nicht tun, um wettbewerbsfähig zu sein.
frühere Bedeutung
Unterentwickeltes Land, das noch nicht „industrialisiert“ ist.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2075 – 2100
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Entwicklungsländer haben zu Industrienationen aufgeschlossen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2045
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Medizin hat Lösungen gefunden.
frühere Bedeutung
Fußballverein.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2028
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Insolvenz.
frühere Bedeutung
Kleinstpartikel in der Luft, verursacht durch Autoverkehr.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Es gibt keine Autos mit Feinstaubemissionen mehr.
frühere Bedeutung
Eine Unterrichtsform, in der die Lehrer/innen für Wissensvermitt- lung allein verantwortlich sind und dieses als Fakten vermitteln. nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2035
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Hat sich als nicht nützlich herausgestellt. Die Schüler/innen kön- nen nicht problemlösend denken und innovative Dinge finden.
frühere Bedeutung
Scheinbar unabdingbares und dominierendes Ziel eines Unterneh- mens.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Ersetzt durch Sinnmaximierung.
frühere Bedeutung
Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in verschiedenen Bereichen (z.B. schlechtere Bezahlung von Frauen oder Benachtei- ligung von Jungen in der Grundschule).
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Gleichstellung ist erreicht.
frühere Bedeutung
Scheinheilig so tun, als ob das Unternehmen das tut, von was es spricht.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Auf Worte folgen Taten.
FRONTALUNTERRICHT
ENTWICKLUNGSLAND
ERBKRANKHEIT
FC BAYERN MÜNCHEN
FEINSTAUB
GEWINNMAXIMIERUNG
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VERBARIUM | 177
GLEICHBERECHTIGUNG
GREENWASHING
INTEGRATION
INTOLERANZ
frühere Bedeutung
Einbindung / Einbeziehung zugereister sozialer Gruppen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2035
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Ersetzt durch Partizipation.
frühere Bedeutung
Wort für Nichtachtung anderer Ansichten.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Leben miteinander global umgesetzt. Jeder lernt von Jedem. Welt- weite Akzeptanz und freie Meinung.
frühere Bedeutung
Energie-Lieferant.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Strom bekommen wir über regenerative Quellen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030/2035
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Phänomen nicht bekannt.
Zum Glück gibt es diesen Zustand nicht mehr.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
Keine Angaben
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Nicht mehr benötigt, da Menschen so „gemischt“ sind, dass jeder einen Migrationshintergrund hat.
frühere Bedeutung
Ressourcen und Materialien die zu Abfall und Störgut wurden. Dinge für die keine weitere Verwendung gefunden wurde und die als nutzlose Substanz z.B. Raum und Energie verbrauchen und zum Teil schädliche Wirkungen auf den Lebensraum hatten.
Einzige Ausnahme: Nuklear Müll. Den gibt es immer noch.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2039 wurde der Begriff zum letzten Mal öffentlich in seiner alten Bedeutung verwendet.
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Das Wort Material oder auch Ressource hat sich durchgesetzt. Din- ge, die früher als Müll galten, werden umgenutzt, wiederverwertet oder in ihren natürlichen Zustand zurückgeführt. Die alte Bedeu- tung ist damit obsolet.
frühere Bedeutung
Verbrennung von Abfällen mit CO2-Ausstoß und anderen Emis- sionen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Ressourcen werden recycelt und nicht mehr vernichtet (cradle to cradle).
frühere Bedeutung
„Unbewusstes“ und nicht sehr authentisches Denken und Handeln bezüglich des Nachhaltigkeitsbegriffes.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr 01.01.2045
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Nachhaltigkeit ist kein Marketinginstrument mehr, sondern wurde von Menschen/Gesellschaft, Politik und Welt verinnerlicht und verstanden.
MIGRATIONS- HINTERGRUND
MÜLL
KERNKRAFTWERK UND KOHLEKRAFTWERK
KINDERARMUT
KLIENTELPOLITIK
KREBS LAUFWERK
MÜLLVERBRENNUNG
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VERBARIUM | 179
NACHHALTIGKEIT
NORMALBÜRGER
PATHOLOGISCH POLARISIEREND QUOTENFRAU
frühere Bedeutung
Wort, das Politiker benutzen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2013
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Unklarheiten darüber, was normal/unnormal ist/war/sein wird. Abgeschafft!
Keine Angaben
Keine Angaben
frühere Bedeutung
Frau in (ehem.) männerdominierten Gremium, die über eine Quo- tenregelung zur Herstellung von Gleichstellung an ihr Amt/ihren Job gekommen ist.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2035
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Aufgrund der Quote wurde es im Laufe der 10er/20er Jahre des 21. Jahrhunderts „normal“, dass auch Frauen in große Führungsverant- wortung kommen. Die 2013 eingeführte Quote in Aufsichtsräten und Vorständen konnte 2025 bereits wieder abgeschafft werden.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2011
frühere Bedeutung
Förmliche Anrede.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030
frühere Bedeutung
Mit einem Auto (Verbrennungsmotor) an einen Ort fahren, um Benzin zu tanken.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Nach Peak Oil und Revolution in Saudi-Arabien.
frühere Bedeutung
Symbol für Artenvielfalt; Tier.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Aussterben (vieler Arten).
frühere Bedeutung
Zerstörte bzw. beschädigte Lebensumgebung.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2049
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Wurde obsolet. Keine Existenz mehr.
frühere Bedeutung
Oftmals diskriminierend für wirtschaftlich, kulturell und sozial ab- gehängte Bevölkerungsteile.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2040
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Umfassende Reform des Wirtschafts-, Bildungs- und Sozialsys- tems, die zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führte und Armut in Deutschland faktisch beseitigte.
frühere Bedeutung
Mit Benzin getriebener Kolbenmotor in einem Fahrzeug etc.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2049
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
In Vergessenheit geraten.
TANKEN/TANKSTELLE
RELIGIONSKRIEG
RESTRISIKO
SIE
VERBRENNUNGSMOTOR
180 | VERBARIUM
VERBARIUM | 181
TIGER
UMWELT- VERSCHMUTZUNG
UNTERSCHICHT
WORKING POOR
frühere Bedeutung
Personen, die trotz Arbeit aufstockende Hilfen zum Erreichen des Existenzminimums brauchen.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2020
Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung
Bedingungsloses Grundeinkommen und Aufwertung unentgeltli- cher Arbeit.
frühere Bedeutung
Nikotinhaltiger, giftiger Brennstängel, der zur Suchtbefriedigung angesteckt und geraucht wurde. Oft auf Festen und in Gesell- schaft.
nicht mehr benutzt seit etwa welchem Jahr
2030 wurde das Rauchen in Deutschland komplett verboten. 2035 hatte die Zigarettenindustrie keine Chance mehr. Grund der nicht weiter erfolgten Nutzung Komplettes Rauchverbot.
ZIGARETTE
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VERBARIUM | 183
04
184 | EMPFEHLUNG EMPFEHLUNG | 185
Wenn du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern leh- re sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer. (Antoine de Saint-Exupéry)
Der Weg ist das Ziel
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EMPFEHLUNG | 187
AUF DEM WEG ZU EINER GESAMTGESELLSCHAFTLICHEN VISION2050
EMPFEHLUNG AN DIE POLITIK
Unsere Einladung: Gemeinsam Sehnsüchte schaffen
von Irja Martens, Marlene Ringel, Yannick Regh, Philipp Reus
Wir brauchen gemeinsame Visionen, die jedem in seiner indivi- duellen Lebens- und Arbeitssituation immer wieder die Chance bieten, innezuhalten und Antworten auf das manchmal quälende „Warum?“ zu finden. Im Rahmen der Stakeholderkonferenz „Dia- loge Zukunft – Vision 2050“ haben 80 junge, engagierte Menschen im Alter von 15 bis 34 Jahren zwei Tage lang intensiv nach Ant- worten für die nächsten 40 Jahre gesucht. Vor dem Hintergrund sich zuspitzender Weltkrisen, wie der Klimaproblematik, der expo- nentiell wachsenden Weltbevölkerung und dem steigenden Hunger nach Energie, Wasser und Nahrung, sowie dem Wissen um ato- mare Unfallgefahren wäre es ein Leichtes in Lethargie und Hoff- nungslosigkeit zu verfallen – genau das Gegenteil war aber unter den anwesenden jungen Menschen zu spüren.
Wir sind alle fest davon überzeugt, dass eine lebenswerte Zu- kunft in den nächsten 40 Jahren und darüber hinaus möglich ist, jedoch nur unter der Prämisse eines vollständigen Paradigmenwech- sels. Ökologische und soziale Prinzipien, sowie der Umstieg unserer
Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien müssen oberster Richtwert für unser politisches und wirtschaftliches Stre- ben werden. Eine weitere Vision, die uns alle eint, ist die Hoffnung, dass Politiker anfangen, in ihrem Handeln über die gegenwärtige Legislaturperiode hinaus zu denken und ihren Blick mindestens bis ins Jahr 2050 zu richten. Unsere Arbeit ist ein Angebot, sie dabei zu unterstützen und sich von unseren Visionen inspirieren zu lassen.
Die Entwicklung einer Vision für das Jahr 2050 birgt die Gefahr, dass Probleme, die heute zu lösen sind, in die Zukunft verschoben werden – zu Lasten nachkommender Generationen. Unsere Vision 2050 soll jedoch die Entscheidungen von heute beeinflussen, damit ein lebenswertes Morgen und Übermorgen möglich wird. Immer wieder setzen sich Politik und Wirtschaft Ziele für die Zukunft, für 2012, 2015, 2020, oft mit kurzfristigen Erfolgen, aber langfristi- gen Schäden. Noch fehlt uns eine langfristige, gesellschaftlich weit- gehend integrierte, gemeinsame Vision. Aktiv setzten wir uns mit der Zukunft in den nächsten 40 Jahren viel zu wenig auseinander. Jedoch haben unsere wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entscheidungen „heute“ Folgen für diese Zeit und darüber hinaus. Mit der Entscheidung Atomkraft zu fördern, haben wir ein Atom- müll-Problem für die nächsten eine Millionen Jahre geschaffen. Dagegen scheint ein Zeitraum von 40 Jahren überschaubar.
Die Findung einer gemeinsamen Vision ist als ein fortlaufender, immerwährender Prozess oder stetiger Dialog zu sehen. Vor dem Hintergrund wechselnder politischer Rahmenbedingungen müssen wir Raum dafür schaffen, ohne Restriktionen kreativ in die Zu- kunft zu sehen und sie zu gestalten. Können wir es schaffen, diesen Planeten besser zu verlassen, als wir ihn vorgefunden haben? Bereits der Prozess der Erarbeitung einer Vision 2050 ist „realitätsgenerie- rend“ – eine Bestandsaufnahme unserer heutigen Bedürfnisse und ein Merkzettel auf dem Weg zu deren Erfüllung. Mit einer starken Vision können wir Mut machen, Identität stiften und gemeinsam stolz sein auf eine potentielle Vorreiterrolle im Kampf um die größ- ten Probleme des 21. Jahrhunderts.
Erst im zweiten Schritt folgen Handlungsempfehlungen. Da- bei ist es wichtig, Zwischenziele zu definieren, Verantwortungen festzulegen, Ergebnisse zu evaluieren, Etappensiege zu verzeichnen und vor allem sich Fehler einzugestehen, um eventuell die Rich- tung zu ändern.
Heute für Übermorgen entscheiden
Die Vision als eine Summe aller Teile
Die Handlungsempfehlungen, die aus einer Vision entstehen, betreffen alle Menschen in unserer Gesellschaft. Deswegen ist es unabdingbar, so viele Menschen wie möglich am Prozess der Vi- sionsfindung teilhaben und ihre Vorstellungen einbringen zu las- sen – unabhängig von Alter, Herkunft und sozialem Hintergrund. Diese Beteiligungsmöglichkeiten müssen von der Politik geschaffen werden.
Warum ist das Durchschnittsalter der Ethikkommission 2011 unter der Führung von Prof. Dr. Klaus Töpfer 61,5 Jahre? Wo kön- nen sich junge Menschen beteiligen, wo werden sie gehört? Wir fordern ein Recht für junge Menschen mitzuentscheiden. 2050 sind die meisten der heutigen Entscheidungsträger nicht mehr da, um die Konsequenzen zu tragen. Im Gegenzug versprechen wir, dass wir uns in die Verantwortung nehmen lassen, um den Raum für Visionen aktiv zu füllen.
Damit der Prozess in der Gesellschaft verankert wird, sollte er „von unten“ stattfinden z.B. in Form von transparenten Dialogen, auf Kommunal- und Länderebene. Um einen strukturierten Dialog si- cherzustellen, ist ein Leitfaden „von oben“ durch ein Lenkungsgre- mium, wie z.B. dem Nachhaltigkeitsrat, vorzugeben. Partizipations- möglichkeiten für engagierte Bürger könnte ein solches Gremium z.B. in Form von Stakeholderkonferenzen ermöglichen, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse mit gesammelten Erfahrungen aus dem Alltag zusammenwirken. Die demokratische Legitimation der auf diesem Wege gefassten Entscheidungen sollte durch Volksab- stimmungen mit Quorum gewährleistet werden. Darüber hinaus kann eine zentrale Stelle geschaffen werden, die Anregungen von Bürgern aufnimmt und an die Gremien weiterleitet. Für eine er- folgreiche Visionsentwicklung sind transparente und handhabbare Informationen, sowie einfach zugängliche Plattformen der Medien und im Internet eine entscheidende Voraussetzung. Medien tragen an dieser Stelle eine hohe Verantwortung als unverzichtbare Un- terstützung der Stakeholder. Eine Aufklärung über Partizipations- möglichkeiten sollte idealerweise sehr früh in unserer Gesellschaft ansetzen und in Schulen, sowie Hochschulen Einzug halten.
Im Folgenden möchten wir stichpunktartig Anregungen geben, wie konkrete Schritte und Handlungsempfehlungen im Bereich Bildung, Gesellschaft, Wirtschaft, Energie und Recht aussehen könnten.
GESELLSCHAFT: Generationenquote bei Entscheidungsgremi- en/ U-30 Beteiligung/ bundesweite Medienkampagnen wie z.B. „Du bist die Zukunft. Trage bei zur Vision 2050“/ Gewinnung von bekannten Persönlichkeiten und Medien als Promoter und Multiplikatoren für einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs/ Bun- desweite Ideenbörse für individuelle Visionen/ „Bedingungsloses Grundeinkommen“/ Bundesweiter Volksentscheid mit Quorum/ Bürgerhaushalt mit vom Bürger bestimmbaren Budgets/ grenzü- berschreitender Austausch und Mobilitätsmöglichkeiten
BILDUNG: Aufklärung über strategisches Konsumverhalten und Produkt-Lebenszyklen an Schulen, sowie stärkere Förderung von Individualität, Interdisziplinarität und Denken in komplexen Sys- temen/ Inklusion (Menschen mit Behinderung, Migrationshinter- grund)
WIRTSCHAFT: Kosteninternalisierung und eine daraus folgende Besteuerung von Produkten und Dienstleistungen, die der Allge- meinheit schaden (wie z.B. Atomstrom-Kosten für Versicherung atomarer Unfälle, Transport, Endlagerung, reale Kosten für indus- trielle Agrarwirtschaft etc.)
RECHT: Internationaler „Umweltgerichtshof“/ Internationale Verfassung mit Grundrechten (z.B. Recht auf Energie, Nahrung, Bildung für alle)
ENERGIE: Ausstieg Atomenergie/ 100 Prozent Erneuerbare Ener- gien/ Elektromobilität/ „Jedes Haus ein Kraftwerk“/ Energetische Sanierung/ Energie und Ressourceneffizienz /Zero-Emission-Kreis- läufe
Über Rückfragen zu Ausführungen unserer Ideen stehen die Auto- ren dieser Unterlage als Vertreter eines Kreises junger Visionäre, die in dieser Art erstmalig in Deutschland zusammengekommen sind, gerne zur Verfügung.
Unsere Ideenbörse
„Der beste Weg, die Zu- kunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden.“ Alan Kay, US-Computerwissenschaftler
Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft vorhersagen!
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DER KURZFILM „VISIONEN 2050“
EIN FENSTER ÖFFNET SICH
Man könnte kritisieren, dass unsere Generation nicht verrückt ge- nug sei, um in gänzlich anderen Kategorien und Lösungswegen zu denken. Wir glauben jedoch, dass viele gute Lösungen bereits entwickelt wurden und unsere Generation nur verrückt genug sein muss, um sie auch wirklich umzusetzen und in der Breite der Gesellschaft zu verankern.
Wir sind fest davon überzeugt, dass der Zeitraum, in dem schwer- wiegende Fehler der Vergangenheit noch zu korrigieren sind, zu- sehend kleiner wird. Doch gerade jetzt, nach dem Eindruck der realen Risikogefahren der Atomkraft, öffnet sich ein Fenster großer Möglichkeiten. Bevor unsere Generation in die Lage versetzt sein wird, dieses Fenster zu nutzen, könnte es jedoch schon wieder ge- schlossen sein.
Wir appellieren an die Entscheidungsträger von heute, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen und dadurch das Fenster für uns geöffnet zu halten. In dem Film weichen in diesem Sinne ei- nem Intro, welches die Welt nach 40 Jahren als Ort der Zerstörung beschreibt, positive Bilder von Visionen der jungen Stakeholder. Das Szenario soll unsere konkreten Vorschläge und Anregungen visualisieren und ihre Umsetzung dadurch greifbar machen. Wir wollen auffordern und Mut machen.
Die zu Grunde liegende Botschaft ist: Unser Land hat die Wirt- schaftskraft, das Know-How und die Technik; lasst die große Vision einer lebenswerte Zukunft Handlungsgrundlage für unsere Entscheidungen von „heute“ sein.
von Irja Martens
Während der Stakeholderkonferenz „Visionen 2050“ entstand die Idee einen kurzen Film über die von den jungen Teilnehmern entwickelten Visionen zu drehen. Welche Botschaft könnte dieser Kurzfilm vermitteln? Welche Eindrücke sind aus dem Austausch mit den Vertretern der Politik und anderen jungen Visionären ge- blieben?
Wir alle hoffen auf eine bessere Zukunft; eine Zukunft, in der nicht eine Katastrophenmeldung die andere jagt, eine Zukunft in der das Wort „Nachhaltigkeit“ aus dem Alltagsjargon verschwunden ist, da eine solche Lebensweise zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Unsere Visionen orientieren sich an den Problemen von „Heute“ und sind dadurch vielleicht überraschend konkret. 100 Prozent Erneuerbare Energien, jedes Haus ein Kraftwerk, Aufklärung über strategisches Konsumverhalten und Produkt-Lebenszyklen an Schulen, Kosteninternalisierung, Elektromobilität, Generationen- quote bei Entscheidungsgremien – alles bekannte Ansätze.
DANKSAGUNG
Unser ganz herzlicher Dank geht an den Rat für Nachhaltige Entwicklung für die intensive Zusammenarbeit und den Mut zum Experiment.
Unser Dank gilt außerdem den Visionären und Experten, die der Einladung zum Visionieren gefolgt sind.
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